Language of document : ECLI:EU:C:2024:552

Vorläufige Fassung

URTEIL DES GERICHTSHOFS (Erste Kammer)

27. Juni 2024(*)

Inhaltsverzeichnis


I. Rechtlicher Rahmen

A. Verordnung (EG) Nr. 1/2003

B. Leitlinien zu Technologietransfer-Vereinbarungen von 2004

C. Leitlinien zur Anwendung von Artikel 101 [AEUV] auf Technologietransfer-Vereinbarungen

II. Vorgeschichte des Rechtsstreits

A. Perindopril

B. Rechtsstreitigkeiten über Perindopril

1. Entscheidungen des EPA

2. Entscheidungen der nationalen Gerichte

C. Vergleiche zur gütlichen Beilegung der Rechtsstreitigkeiten über Perindopril

1. Vergleiche Servier/Niche und Servier/Matrix

2. Vergleich Servier/Teva

3. Vereinbarungen Servier/Krka

4. Vergleich Servier/Lupin

III. Streitiger Beschluss

IV. Verfahren vor dem Gericht und angefochtenes Urteil

V. Verfahren vor dem Gerichtshof und Anträge der Parteien

VI. Zum Rechtsmittel

A. Vorbemerkungen zur Zulässigkeit

B. Zum ersten und zum zweiten Rechtsmittelgrund (Kriterien für die Beurteilung der Begriffe der bezweckten Einschränkung des Wettbewerbs und des potenziellen Wettbewerbs)

1. Zur Zulässigkeit

2. Zur Begründetheit

a) Vorbemerkungen

b) Zu den Kriterien für den potenziellen Wettbewerb (zweiter Rechtsmittelgrund)

1) Vorbringen der Parteien

2) Würdigung durch den Gerichtshof

c) Zu den Kriterien für die Einstufung als bezweckte Einschränkung des Wettbewerbs (erster Rechtsmittelgrund)

1) Vorbringen der Parteien

2) Würdigung durch den Gerichtshof

C. Zum dritten und zum sechsten Rechtsmittelgrund (Vergleiche Servier/Niche und Servier/Matrix)

1. Zum dritten Rechtsmittelgrund

a) Zum ersten Teil des dritten Rechtsmittelgrundes (potenzieller Wettbewerb)

1) Vorbringen der Parteien

2) Würdigung durch den Gerichtshof

b) Zum zweiten Teil des dritten Rechtsmittelgrundes (Einstufung als bezweckte Einschränkung des Wettbewerbs)

1) Vorbringen der Parteien

2) Würdigung durch den Gerichtshof

2. Zum sechsten Rechtsmittelgrund (Einstufung der Vergleiche Servier/Niche und Servier/Matrix als gesonderte Zuwiderhandlungen)

a) Vorbringen der Parteien

b) Würdigung durch den Gerichtshof

D. Zum vierten Rechtsmittelgrund (Vergleich Servier/Teva)

1. Zum ersten Teil des vierten Rechtsmittelgrundes (potenzieller Wettbewerb)

a) Vorbringen der Parteien

b) Würdigung durch den Gerichtshof

2. Zum zweiten Teil des vierten Rechtsmittelgrundes (Einstufung als bezweckte Einschränkung des Wettbewerbs)

a) Zu den Zielen des Vergleichs Servier/Teva

1) Vorbringen der Parteien

2) Würdigung durch den Gerichtshof

b) Zur Ambivalenz der Wirkungen des Vergleichs Servier/Teva

1) Vorbringen der Parteien

2) Würdigung durch den Gerichtshof

c) Zur Beeinträchtigung des Wettbewerbs durch die Bestimmungen des Vergleichs Servier/Teva

1) Vorbringen der Parteien

2) Würdigung durch den Gerichtshof

d) Zur umgekehrten Zahlung

1) Vorbringen der Parteien

2) Würdigung durch den Gerichtshof

E. Zum fünften Rechtsmittelgrund (Vergleich Servier/Lupin)

1. Zum ersten Teil des fünften Rechtsmittelgrundes (potenzieller Wettbewerb)

a) Vorbringen der Parteien

b) Würdigung durch den Gerichtshof

2. Zum zweiten Teil des fünften Rechtsmittelgrundes (Einstufung als bezweckte Einschränkung des Wettbewerbs)

a) Zur umgekehrten Zahlung

1) Vorbringen der Parteien

2) Würdigung durch den Gerichtshof

b) Zur Beeinträchtigung des Wettbewerbs durch die Bestimmungen des Vergleichs Servier/Lupin

1) Vorbringen der Parteien

2) Würdigung durch den Gerichtshof

c) Zum Geltungsbereich des Vergleichs Servier/Lupin

1) Vorbringen der Parteien

2) Würdigung durch den Gerichtshof

3. Zum dritten Teil des fünften Rechtsmittelgrundes (Ende der Zuwiderhandlung)

a) Vorbringen der Parteien

b) Würdigung durch den Gerichtshof

F. Zum siebten Rechtsmittelgrund (Geldbußen)

1. Zum ersten Teil des siebten Rechtsmittelgrundes (Verstoß gegen den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit im Zusammenhang mit Straftaten und Strafen)

a) Vorbringen der Parteien

b) Würdigung durch den Gerichtshof

2. Zum zweiten Teil des siebten Rechtsmittelgrundes (Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit)

a) Vorbringen der Parteien

b) Würdigung durch den Gerichtshof

G. Ergebnis zum Rechtsmittel

VII. Zur Klage

Kosten



„Rechtsmittel – Wettbewerb – Pharmazeutische Erzeugnisse – Markt für Perindopril – Art. 101 AEUV – Kartelle – Potenzieller Wettbewerb – Bezweckte Einschränkung des Wettbewerbs – Strategie zur Verzögerung des Markteintritts von Perindopril-Generika – Vergleich zur gütlichen Beilegung eines Patentrechtsstreits – Dauer der Zuwiderhandlung – Begriff der einheitlichen Zuwiderhandlung – Aufhebung oder Herabsetzung der Geldbuße“

In der Rechtssache C‑201/19 P

betreffend ein Rechtsmittel nach Art. 56 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union, eingelegt am 28. Februar 2019,

Servier SAS mit Sitz in Suresnes (Frankreich),

Servier Laboratories Ltd mit Sitz in Stoke Poges (Vereinigtes Königreich),

Les Laboratoires Servier SAS mit Sitz in Suresnes,

vertreten durch O. de Juvigny, J. Jourdan, T. Reymond, A. Robert, Avocats, J. Killick, Advocaat, und M. I. F. Utges Manley, Solicitor,

Rechtsmittelführerinnen,

andere Parteien des Verfahrens:

Europäische Kommission, zunächst vertreten durch F. Castilla Contreras, B. Mongin und C. Vollrath, dann durch F. Castilla Contreras, F. Castillo de la Torre, B. Mongin, J. Norris und C. Vollrath, schließlich durch F. Castilla Contreras, F. Castillo de la Torre, J. Norris und C. Vollrath als Bevollmächtigte,

Beklagte im ersten Rechtszug,

unterstützt durch:

Vereinigtes Königreich Großbritannien und Nordirland, zunächst vertreten durch D. Guðmundsdóttir als Bevollmächtigte im Beistand von J. Holmes, KC, dann durch L. Baxter, F. Shibli, D. Guðmundsdóttir und J. Simpson als Bevollmächtigte im Beistand von J. Holmes, KC, und P. Woolfe, Barrister, schließlich durch S. Fuller als Bevollmächtigten im Beistand von J. Holmes, KC, und P. Woolfe, Barrister,

Streithelfer im Rechtsmittelverfahren,

European Federation of Pharmaceutical Industries and Associations (EFPIA) mit Sitz in Genf (Schweiz), vertreten durch F. Carlin, Avocate,

Streithelferin im ersten Rechtszug,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten A. Arabadjiev (Berichterstatter), des Präsidenten des Gerichtshofs K. Lenaerts in Wahrnehmung der Aufgaben eines Richters der Ersten Kammer, der Richter P. G. Xuereb und A. Kumin sowie der Richterin I. Ziemele,

Generalanwältin: J. Kokott,

Kanzler: M. Longar, Verwaltungsrat, und R. Şereş, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 20. und 21. Oktober 2021,

nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 14. Juli 2022

folgendes

Urteil

1        Mit ihrem Rechtsmittel begehren die Servier SAS, die Servier Laboratories Ltd und die Les Laboratoires Servier SAS die teilweise Aufhebung des Urteils des Gerichts der Europäischen Union vom 12. Dezember 2018, Servier u. a./Kommission (T‑691/14, im Folgenden: angefochtenes Urteil, EU:T:2018:922), mit dem ihre Klage auf Nichtigerklärung des Beschlusses C(2014) 4955 final der Kommission vom 9. Juli 2014 in einem Verfahren zur Anwendung der Artikel 101 [AEUV] und 102 [AEUV] (Sache AT.39612 – Perindopril [Servier]) (im Folgenden: streitiger Beschluss), soweit er sie betrifft, und hilfsweise auf Herabsetzung der mit diesem Beschluss gegen sie verhängten Geldbuße teilweise abgewiesen wurde.

I.      Rechtlicher Rahmen

A.      Verordnung (EG) Nr. 1/2003

2        Art. 2 („Beweislast“) der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 des Rates vom 16. Dezember 2002 zur Durchführung der in den Artikeln [101] und [102 AEUV] niedergelegten Wettbewerbsregeln (ABl. 2003, L 1, S. 1) bestimmt:

„In allen einzelstaatlichen und gemeinschaftlichen Verfahren zur Anwendung der Artikel [101] und [102 AEUV] obliegt die Beweislast für eine Zuwiderhandlung gegen Artikel [101] Absatz 1 oder Artikel [102 AEUV] der Partei oder der Behörde, die diesen Vorwurf erhebt. Die Beweislast dafür, dass die Voraussetzungen des Artikels [101] Absatz 3 [AEUV] vorliegen, obliegt den Unternehmen oder Unternehmensvereinigungen, die sich auf diese Bestimmung berufen.“

B.      Leitlinien zu Technologietransfer-Vereinbarungen von 2004

3        In Rn. 209 der Leitlinien der Europäischen Kommission vom 27. April 2004 zur Anwendung von Artikel [101 AEUV] auf Technologietransfer-Vereinbarungen (ABl. 2004, C 101, S. 2) heißt es:

„Nichtangriffsklauseln in Anspruchsregelungs- und ‑verzichtvereinbarungen fallen in der Regel nicht unter Artikel [101] Absatz 1 [AEUV]. Es ist charakteristisch für solche Vereinbarungen, dass sich die Parteien darauf einigen, die betreffenden Rechte des geistigen Eigentums nicht im Nachhinein anzugreifen. Es ist ja gerade der Sinn dieser Vereinbarung, bestehende Konflikte zu lösen und/oder künftige zu vermeiden.“

C.      Leitlinien zur Anwendung von Artikel 101 [AEUV] auf Technologietransfer-Vereinbarungen

4        In den Rn. 242 und 243 der Leitlinien zur Anwendung von Artikel 101 [AEUV] auf Technologietransfer-Vereinbarungen (ABl. 2014, C 89, S. 3, im Folgenden: Leitlinien zu Technologietransfer-Vereinbarungen von 2014) heißt es:

„Nichtangriffsklauseln in Streitbeilegungsvereinbarungen

242.      Nichtangriffsklauseln in Streitbeilegungsvereinbarungen fallen in der Regel nicht unter Artikel 101 Absatz 1 AEUV. Es ist charakteristisch für solche Vereinbarungen, dass sich die Parteien darauf einigen, die Rechte des geistigen Eigentums, die im Mittelpunkt der Streitigkeit standen, nicht im Nachhinein anzufechten. Es ist ja gerade der Sinn dieser Vereinbarung, bestehende Konflikte zu lösen und/oder künftige zu vermeiden.

243.      Nichtangriffsklauseln in Streitbeilegungsvereinbarungen können jedoch unter bestimmten Umständen wettbewerbsschädigend sein und unter Artikel 101 Absatz 1 AEUV fallen. Die Beschränkung der Möglichkeit, ein Recht des geistigen Eigentums anzufechten, gehört nicht zum spezifischen Gegenstand eines Rechts des geistigen Eigentums und kann den Wettbewerb beschränken. So könnte eine Nichtangriffsklausel gegen Artikel 101 Absatz 1 verstoßen, wenn ein Recht des geistigen Eigentums auf der Grundlage unrichtiger oder irreführender Auskünfte gewährt wurde … Eine eingehende Prüfung derartiger Klauseln ist unter Umständen auch dann erforderlich, wenn der Lizenzgeber dem Lizenznehmer abgesehen von der Lizenz für die Technologierechte einen finanziellen oder sonstigen Anreiz bietet, sich damit einverstanden zu erklären, die Gültigkeit der Technologierechte nicht anzufechten[,] oder wenn die Technologierechte ein notwendiger Input für die Produktion des Lizenznehmers sind …“

II.    Vorgeschichte des Rechtsstreits

5        Die Vorgeschichte des Rechtsstreits, wie sie insbesondere in den Rn. 1 bis 73 des angefochtenen Urteils dargestellt ist, lässt sich wie folgt zusammenfassen.

A.      Perindopril

6        Die Servier SAS ist die Muttergesellschaft des Pharmakonzerns Servier mit den Tochtergesellschaften Les Laboratoires Servier SAS und Servier Laboratories Ltd (im Folgenden einzeln oder zusammen: Servier). Die Les Laboratoires Servier SAS ist auf die Entwicklung von Originalpräparaten spezialisiert, ihre Tochtergesellschaft Biogaran SAS auf die Entwicklung von Generika.

7        Servier entwickelte das Arzneimittel Perindopril, das hauptsächlich zur Behandlung von arterieller Hypertonie und Herzinsuffizienz eingesetzt wird. Es zählt zu den Hemmern des angiotensinkonvertierenden Enzyms. Der Wirkstoff von Perindopril liegt in Form eines Salzes vor. Ursprünglich wurde das Salz Erbumin verwendet.

8        Für den Wirkstoff von Perindopril wurde am 29. September 1981 von einer Gesellschaft des Servier-Konzerns beim Europäischen Patentamt (EPA) das Patent EP0049658 angemeldet. Dieses lief eigentlich am 29. September 2001 ab. In mehreren Mitgliedstaaten, u. a. im Vereinigten Königreich, wurde sein Schutz aber bis zum 22. Juni 2003 verlängert. In Frankreich wurde der Schutz des Patents bis zum 22. März 2005, in Italien bis zum 13. Februar 2009 verlängert.

9        Am 16. September 1988 meldete Servier beim EPA mehrere Patente für Verfahren zur Herstellung des Wirkstoffs von Perindopril (EP0308339, EP0308340, EP0308341 und EP0309324) an, die am 16. September 2008 abliefen.

10      Am 6. Juli 2001 meldete Servier beim EPA für die Kristallform Alpha von Erbumin (Perindopril) und das Verfahren zu deren Herstellung das Patent EP1296947 an. Dieses wurde am 4. Februar 2004 erteilt.

11      Servier meldete am 6. Juli 2001 außerdem in mehreren Mitgliedstaaten, die seinerzeit noch nicht dem am 5. Oktober 1973 in München unterzeichneten und am 7. Oktober 1977 in Kraft getretenen Europäischen Patentübereinkommen beigetreten waren, nationale Patente an. So meldete Servier etwa in Bulgarien (BG 107532), in der Tschechischen Republik (PV2003‑357), in Estland (P200300001), in Ungarn (HU225340), in Polen (P348492) und in der Slowakei (PP0149‑2003) dem Patent EP1296947 entsprechende Patente an. Diese wurden am 16. Mai 2006 (Bulgarien), 17. August 2006 (Ungarn), 23. Januar 2007 (Tschechische Republik), 23. April 2007 (Slowakei) bzw. 24. März 2010 (Polen) erteilt.

B.      Rechtsstreitigkeiten über Perindopril

12      2003 bis 2009 kam es zwischen Servier und Herstellern, die sich anschickten, ein Perindopril-Generikum in Verkehr zu bringen, zu verschiedenen Rechtsstreitigkeiten.

1.      Entscheidungen des EPA

13      Gegen das Patent EP1296947 legten 2004 zehn Generikahersteller, u. a. die Niche Generics Ltd (im Folgenden: Niche), die KRKA, tovarna zdravil, d.d. (im Folgenden: Krka), die Lupin Ltd und die Norton Healthcare Ltd, eine Tochtergesellschaft von Ivax Europe, die sich in der Folge mit der Teva Pharmaceutical Industries Ltd, der Muttergesellschaft des auf die Herstellung von Generika spezialisierten Teva-Konzerns, zusammenschloss, beim EPA Einspruch ein, um den Widerruf des Patents zu erwirken. Sie machten geltend, dass die Erfindung nicht neu sei und es überhaupt an einer erfinderischen Tätigkeit fehle und dass die Offenbarung der Erfindung ungenügend sei.

14      Die Einspruchsabteilung des EPA erhielt das Patent EP1296947 mit Entscheidung vom 27. Juli 2006 aufrecht (im Folgenden: Entscheidung des EPA vom 27. Juli 2006). Gegen diese Entscheidung wurden bei der Technischen Beschwerdekammer des EPA Beschwerden eingelegt. Nach Abschluss des Vergleichs mit Servier nahm Niche ihren Widerspruch am 9. Februar 2005 zurück. Krka und Lupin nahmen ihre bei der Technischen Beschwerdekammer des EPA eingelegten Beschwerden am 11. Januar 2007 bzw. 5. Februar 2007 zurück.

15      Mit Entscheidung vom 6. Mai 2009 hob die Technische Beschwerdekammer des EPA die Entscheidung des EPA vom 27. Juli 2006 auf und widerrief das Patent EP1296947. Der von Servier gestellte Antrag auf Überprüfung dieser Entscheidung der Technischen Beschwerdekammer wurde am 19. März 2010 zurückgewiesen.

2.      Entscheidungen der nationalen Gerichte

16      Bei bestimmten nationalen Gerichten wurden von Generikaherstellern Klagen auf Erklärung der Nichtigkeit des Patents EP1296947 erhoben. Servier erhob gegen die betreffenden Generikahersteller Klagen wegen Patentverletzung und beantragte den Erlass einstweiliger Verfügungen. Wegen der Vergleiche, die Servier 2005 bis 2007 mit Niche, der Matrix Laboratories Ltd (im Folgenden: Matrix), Teva, Krka und Lupin schloss, wurden diese Verfahren größtenteils beendet, noch bevor die angerufenen Gerichte endgültig über die Gültigkeit des Patents EP1296947 befinden konnten.

17      Im Vereinigten Königreich wurde das Patent EP1296947 allein in dem Rechtsstreit zwischen Servier und der Apotex Inc. gerichtlich für nichtig erklärt. Servier hatte gegen Apotex, die damit begonnen hatte, auf dem Markt des Vereinigten Königreichs ein Perindopril-Generikum in Verkehr zu bringen, beim High Court of Justice (England & Wales), Chancery Division (patents court) (Hoher Gerichtshof [England und Wales], Chancery-Abteilung [Patentkammer], Vereinigtes Königreich), am 1. August 2006 Klage wegen Verletzung des Patents EP1296947 erhoben. Am 8. August 2006 wurde gegen Apotex eine einstweilige Verfügung erlassen. Am 6. Juli 2007 wurde diese auf eine Widerklage von Apotex hin aufgehoben und das Patent EP1296947 für nichtig erklärt, so dass Apotex auf dem Markt des Vereinigten Königreichs ein Perindopril-Generikum in Verkehr bringen konnte. Die Entscheidung, mit der das Patent EP1296947 für nichtig erklärt wurde, wurde im Berufungsverfahren am 9. Mai 2008 bestätigt.

18      In den Niederlanden erhob die Katwijk Farma BV, eine Tochtergesellschaft von Apotex, bei einem Gericht dieses Mitgliedstaats am 13. November 2007 Klage auf Nichtigerklärung des Patents EP1296947. Servier beantragte bei diesem Gericht den Erlass einstweiliger Verfügungen. Der Antrag wurde am 30. Januar 2008 zurückgewiesen. Mit einer Entscheidung vom 11. Juni 2008, die in einem am 15. August 2007 von der Pharmachemie BV, einer Gesellschaft des Teva-Konzerns, eingeleiteten Verfahren erging, erklärte das betreffende Gericht das Patent EP1296947 für die Niederlande für nichtig. Daraufhin nahmen Servier und Katwijk Farma ihre Klage bzw. ihren Antrag zurück.

C.      Vergleiche zur gütlichen Beilegung der Rechtsstreitigkeiten über Perindopril

1.      Vergleiche Servier/Niche und Servier/Matrix

19      Niche ist eine Tochtergesellschaft der Unichem Laboratories Ltd (im Folgenden: Unichem), einer Gesellschaft indischen Rechts, die auf die Herstellung von Generika spezialisiert ist. Die Rechtsvorgängerinnen von Niche und Matrix schlossen am 26. März 2001 eine Vereinbarung über die Zusammenarbeit bei der Entwicklung eines Perindopril-Generikums. Danach war die Rechtsvorgängerin von Matrix für die Herstellung des Wirkstoffs zuständig, die andere Vertragspartei für die Erlangung der Genehmigungen für das Inverkehrbringen und den Vertrieb.

20      Servier erhob am 25. Juni 2004 beim High Court of Justice (England & Wales), Chancery Division (patents court) (Hoher Gerichtshof [England und Wales], Chancery-Abteilung [Patentkammer]), gegen Niche wegen Verletzung der Patente EP0308339, EP0308340 und EP0308341 Klage. Niche erhob Widerklage auf Nichtigerklärung des Patents EP1296947. Matrix beteiligte sich an diesem Verfahren, indem sie Aussagen machte. Der Termin zur mündlichen Verhandlung in diesem Verfahren war auf den 7. und 8. Februar 2005 anberaumt worden.

21      Am 8. Februar 2005 Schloss Servier zwei Vergleiche über die gütliche Beilegung dieser Rechtsstreitigkeiten und die Beendigung der beim EPA anhängigen Verfahren über das Patent EP1296947, den einen mit Niche und Unichem (im Folgenden: Vergleich Servier/Niche), den anderen mit Matrix (im Folgenden: Vergleich Servier/Matrix).

22      Die Vergleiche enthielten jeweils eine Bestimmung über das Nichtinverkehrbringen, mit der sich die genannten Unternehmen verpflichteten, es bis zum Ablauf der betreffenden Perindopril-Patente von Servier zu unterlassen, irgendein mit den durch diese Patente geschützten Verfahren hergestelltes Perindopril-Generikum herzustellen, zu liefern oder in Verkehr zu bringen, und eine Bestimmung über die Nichtanfechtung, mit der sie sich verpflichteten, keine Klagen auf Nichtigerklärung der Perindopril-Patente von Servier oder Feststellung der Nichtverletzung dieser Patente zu erheben bzw. solche Klagen zurückzunehmen.

23      Im Gegenzug verpflichtete sich Servier, gegen diese Unternehmen keine Patentverletzungsklagen zu erheben und ihnen die Kosten zu ersetzen, die möglicherweise durch die Aufgabe ihres Programms der Entwicklung eines nach den durch ihre Patente geschützten Verfahren hergestellten Perindoprils entstehen würden. Hierzu sollten zwei Zahlungen in Höhe von jeweils 11,8 Mio. Pfund Sterling (GBP) geleistet werden, die eine an Niche, die andere an Matrix. Die Vergleiche galten u. a. für sämtliche Mitgliedstaaten des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR), in denen die Patente EP0308339, EP0308340, EP0308341 und EP1296947 galten.

24      Mit einer dritten Vereinbarung, die ebenfalls am 8. Februar 2005 geschlossen wurde, verpflichtete sich Niche, Dossiers für Genehmigungen für das Inverkehrbringen von drei anderen Arzneimitteln als Perindopril und eine in Frankreich für eines dieser Arzneimittel erlangte Genehmigung für das Inverkehrbringen auf Biogaran zu übertragen (im Folgenden: Vereinbarung Niche/Biogaran). Dafür hatte Biogaran an Niche 2,5 Mio. GBP zu zahlen. Dieser Betrag sollte nicht erstattet werden, und zwar auch dann nicht, wenn die betreffenden Genehmigungen für das Inverkehrbringen nicht erteilt würden.

2.      Vergleich Servier/Teva

25      Am 9. August 2005 erhob Ivax beim High Court of Justice (England & Wales), Chancery Division (patents court) (Hoher Gerichtshof [England und Wales], Chancery-Abteilung [Patentkammer]), Klage auf Nichtigerklärung des Patents EP1296947. Das Verfahren wurde ausgesetzt, bis in dem Verfahren vor dem EPA über den Widerruf des Patents eine abschließende Entscheidung ergehen würde.

26      Am 13. Juni 2006 schloss Servier mit der Teva UK Limited einen Vergleich (im Folgenden: Vergleich Servier/Teva). Der Vergleich, der lediglich für das Vereinigte Königreich galt, hatte eine Laufzeit von drei Jahren, die um zwei Jahre verlängert werden konnte. Mit dem Vergleich verpflichtete sich Teva, für den Absatz im Vereinigten Königreich bestimmtes Perindopril ausschließlich bei Servier zu beziehen. Außer dieser Bestimmung über den Alleinbezug enthielt der Vergleich auch eine Bestimmung über die Nichtanfechtung der Patente EP0308339, EP0308340, EP0308341 und EP1296947 von Servier und eine Bestimmung über das Nichtinverkehrbringen, die sich auf das Hoheitsgebiet des Vereinigten Königreichs bezog. Danach war Teva verpflichtet, es zu unterlassen, in diesem ehemaligen Mitgliedstaat Perindopril-Generika herzustellen oder in Verkehr zu bringen, die nach Auffassung von Servier deren Patente verletzten. Dafür zahlte Servier an Teva 5 Mio. GBP.

27      Der Vergleich Servier/Teva enthielt außerdem eine Bestimmung über eine pauschale Entschädigung. Danach war Servier, falls es ihr nicht gelingen sollte, Teva ab dem 1. August 2006 mit Perindopril zu beliefern, verpflichtet, an Teva als pauschale Entschädigung 500 000 GBP/Monat zu zahlen. Teva hatte also weder das Recht, Klage gegen Servier zu erheben, noch das Recht, den Vergleich Servier/Teva zu kündigen.

28      Da sie Teva am 1. August 2006 nicht mit Perindopril belieferte, zahlte Servier an Teva gemäß dem Vergleich Servier/Teva eine pauschale Entschädigung in Höhe von 5,5 Mio. GBP. Somit wurden nach dem Vergleich Servier/Teva insgesamt 10,5 Mio. GBP gezahlt.

29      Servier schloss mit Teva am 23. Februar 2007 eine Zusatzvereinbarung zum Vergleich Servier/Teva. Darin wurde die Bestimmung über den Alleinbezug bestätigt und vereinbart, dass Teva zu einem von Servier festgelegten Zeitpunkt, zum Zeitpunkt des Widerrufs oder des Ablaufs des Patents EP1296947 oder zu dem Zeitpunkt, zu dem Apotex damit beginnen würde, im Vereinigten Königreich ein Perindopril-Generikum in Verkehr zu bringen, mit dem Inverkehrbringen von Perindopril von Servier beginnen dürfe.

3.      Vereinbarungen Servier/Krka

30      Der High Court of Justice (England & Wales), Chancery Division (patents court) (Hoher Gerichtshof [England und Wales], Chancery-Abteilung [Patentkammer]), erließ gegen Krka in Verfahren über Klagen wegen Verletzung der Patente EP0308340 und EP1296947 am 3. Oktober 2006 eine einstweilige Verfügung und wies den von Krka im Rahmen ihrer Widerklage auf Nichtigerklärung des Patents EP1296947 gestellten Antrag auf Durchführung eines summarischen Verfahrens zurück.

31      Nach dieser Entscheidung und der Entscheidung des EPA vom 27. Juli 2006 schloss Servier mit Krka drei Vereinbarungen (im Folgenden: Vereinbarungen Servier/Krka), nämlich am 27. Oktober 2006 einen Vergleich zur gütlichen Beilegung der Rechtsstreitigkeiten betreffend die Patente EP0308340 und EP1296947 und eine Lizenzvereinbarung und am 5. Januar 2007 eine Übertragungs- und Lizenzvereinbarung.

32      Mit dem Vergleich Servier/Krka nahm Servier die Klagen, die sie gegen Krka wegen Verletzung der genannten Patente erhoben hatte, zurück und verzichtete Krka darauf, die Patente weltweit anzufechten und ein das Patent EP1296947 verletzendes Perindopril-Generikum in Verkehr zu bringen.

33      Mit der Lizenzvereinbarung Servier/Krka erteilte Servier Krka eine ausschließliche und unwiderrufliche Lizenz an dem Patent EP1296947, die für die Tschechische Republik, Lettland, Litauen, Ungarn, Polen, Slowenien und die Slowakei galt. Dafür hatte Krka an Servier eine Gebühr in Höhe von 3 % der von ihr in diesen Gebieten erzielten Nettoumsätze abzuführen.

34      Mit der Übertragungs- und Lizenzvereinbarung Servier/Krka übertrug Krka zwei Perindopril betreffende Patentanmeldungen auf Servier. Dafür zahlte Servier an Krka 30. Mio. Euro.

4.      Vergleich Servier/Lupin

35      Am 18. Oktober 2006 erhob Lupin beim High Court of Justice (England & Wales), Chancery Division (patents court) (Hoher Gerichtshof [England und Wales], Chancery-Abteilung [Patentkammer]), Klage auf Nichtigerklärung des Patents EP1296947 und auf Feststellung, dass das Perindopril-Generikum, das sie im Vereinigten Königreich in Verkehr bringen wolle, dieses Patent nicht verletze.

36      Servier und Lupin beendeten diesen Rechtsstreit und das bei dem EPA anhängige Verfahren über das Patent EP1296947 mit einem Vergleich (im Folgenden: Vergleich Servier/Lupin).

37      Der Vergleich enthielt eine Bestimmung über die Nichtanfechtung, mit der sich Lupin verpflichtete, die Perindopril-Patente von Servier nicht anzufechten. Außerdem enthielt er eine Bestimmung über das Nichtinverkehrbringen. Danach war Lupin verpflichtet, es zu unterlassen, ein Generikum von „Perindopril[‑]Erbumin … und eines seiner Salze“ zu verkaufen. „Lupin durfte jedoch von Servier gelieferte Erzeugnisse oder ihr eigenes Perindopril in den Ländern vertreiben, in denen eine von Servier genehmigte generische Version von Perindopril auf dem Markt war, oder wenn sämtliche einschlägigen Patente von Servier abgelaufen waren, oder in den Ländern, in denen ein Dritter eine generische Version von Perindopril auf den Markt gebracht und Servier keine einstweilige Verfügung zum Verbot ihres Verkaufs beantragt hatte“ (angefochtenes Urteil, Rn. 54). Die Bestimmungen über die Nichtanfechtung und das Nichtinverkehrbringen galten für die Hoheitsgebiete sämtlicher Mitgliedstaaten des EWR.

38      Der Vergleich Servier/Lupin enthielt außerdem eine Bestimmung über die Übertragung von Rechten und die Erteilung einer Lizenz, mit der Lupin Servier Rechte des geistigen Eigentums, die Gegenstand von drei Anmeldungen von Patenten betreffend Verfahren zur Herstellung von Perindopril waren, übertrug. Servier verpflichtete sich, Lupin eine Lizenz an diesen Rechten zu erteilen. Für die Übertragung der Rechte zahlte Servier an Lupin 40 Mio. Euro.

39      Im Vergleich Servier/Lupin war ferner vorgesehen, dass Servier und Lupin „alle erdenklichen Anstrengungen“ unternehmen, um eine Vereinbarung über die Belieferung von Lupin mit Perindopril durch Servier zu schließen.

III. Streitiger Beschluss

40      Die Kommission erließ am 9. Juli 2014 den streitigen Beschluss. Sie hat zum einen festgestellt, dass der Vergleich Servier/Niche, der Vergleich Servier/Matrix, der Vergleich Servier/Teva, die Vereinbarungen Servier/Krka und der Vergleich Servier/Lupin bezweckte Einschränkungen des Wettbewerbs dargestellt hätten. Sie hat diese Vereinbarungen deshalb als Zuwiderhandlungen gegen Art. 101 AEUV eingestuft. Zum anderen hat die Kommission festgestellt, dass Servier mit dem Abschluss dieser Vereinbarungen in Verbindung mit anderen Verhaltensweisen wie dem Erwerb von Technologien für den Wirkstoff von Perindopril die Strategie verfolgt habe, den Eintritt von Generika in den Markt für dieses Arzneimittel zu verzögern, auf dem Servier eine beherrschende Stellung gehabt habe. Sie hat diesen Missbrauch einer beherrschenden Stellung als Zuwiderhandlung gegen Art. 102 AEUV eingestuft.

41      In den Art. 1 bis 5 des streitigen Beschlusses hat die Kommission festgestellt, dass Servier dadurch, dass sie sich an den Vereinbarungen mit Niche, Matrix, Teva, Krka und Lupin beteiligt habe, gegen Art. 101 AEUV verstoßen habe. Der Vergleich Servier/Niche und der Vergleich Servier/Matrix hätten jeweils eine Zuwiderhandlung dargestellt, die sich mit Ausnahme von Italien und Kroatien auf alle Staaten erstreckt habe, die zum Zeitpunkt des Erlasses des streitigen Beschlusses Mitgliedstaaten der Europäischen Union gewesen seien. Die Zuwiderhandlungen hätten – außer im Fall von Lettland, wo sie am 1. Juli 2005 begonnen hätten, Bulgarien und Rumänien, wo sie am 1. Januar 2007 begonnen hätten, und Malta, wo sie am 1. März 2007 begonnen hätten – am 8. Februar 2005 begonnen und – außer im Fall des Vereinigten Königreichs, wo sie am 6. Juli 2007 geendet hätten, und der Niederlande, wo sie am 12. Dezember 2007 geendet hätten – am 15. September 2008 geendet (streitiger Beschluss, Art. 1 und 2).

42      Der Vergleich Servier/Teva habe eine Zuwiderhandlung dargestellt, die sich auf das Vereinigte Königreich erstreckt habe und am 13. Juni 2006 begonnen und am 6. Juli 2007 geendet habe (streitiger Beschluss, Art. 3).

43      Der Vergleich Servier/Lupin habe eine Zuwiderhandlung dargestellt, die sich mit Ausnahme von Kroatien auf alle Staaten erstreckt habe, die zum Zeitpunkt des Erlasses des streitigen Beschlusses Mitgliedstaaten der Union gewesen seien. Die Zuwiderhandlung habe – außer im Fall von Malta, wo sie am 1. März 2007 begonnen habe, und Italien, wo sie am 13. Februar 2009 begonnen habe – am 30. Januar 2007 begonnen und – außer im Fall des Vereinigten Königreichs, wo sie am 6. Juli 2007 geendet habe, der Niederlande, wo sie am 12. Dezember 2007 geendet habe, und Frankreichs, wo sie am 16. September 2008 geendet habe – am 6. Mai 2009 geendet (streitiger Beschluss, Art. 5).

44      Wegen der Zuwiderhandlungen gegen Art. 101 AEUV hat die Kommission gegen Servier Geldbußen in Höhe von insgesamt 289 727 200 Euro verhängt. Davon entfallen 131 532 600 Euro auf die Beteiligung an dem Vergleich Servier/Niche, 79 121 700 Euro auf die Beteiligung an dem Vergleich Servier/Matrix, 4 309 000 Euro auf die Beteiligung an dem Vergleich Servier/Teva, 37 661 800 Euro auf die Beteiligung an den Vereinbarungen Servier/Krka und 37 102 100 Euro auf die Beteiligung an dem Vergleich Servier/Lupin (streitiger Beschluss, Art. 7 Abs. 1 bis 5).

IV.    Verfahren vor dem Gericht und angefochtenes Urteil

45      Mit Klageschrift, die am 21. September 2014 bei der Kanzlei des Gerichts einging, erhob Servier Klage auf Nichtigerklärung des streitigen Beschlusses, hilfsweise auf Herabsetzung der damit gegen sie verhängten Geldbuße.

46      Die European Federation of Pharmaceutical Industries and Associations (EFPIA) beantragte mit einem am 2. Februar 2015 eingereichtem Schriftsatz, sie als Streithelferin zur Unterstützung der Anträge von Servier zuzulassen. Der Präsident der Zweiten Kammer des Gerichts gab diesem Antrag mit Beschluss vom 14. Oktober 2015 statt.

47      Servier stützte ihren Antrag auf Nichtigerklärung des streitigen Beschlusses auf 17 Klagegründe.

48      Was die Zuwiderhandlungen gegen Art. 101 AEUV angeht, hat das Gericht den Klagegründen, mit denen sich Servier gegen die Feststellung wandte, dass die Vereinbarungen Servier/Krka eine Zuwiderhandlung dargestellt hätten, stattgegeben, und die Klagegründe, mit denen sich Servier gegen die Feststellung wandte, dass die Vergleiche Servier/Niche, Servier/Matrix, Servier/Teva und Servier/Lupin (im Folgenden: streitige Vergleiche) Zuwiderhandlungen dargestellt hätten, zurückgewiesen. Die Hilfsanträge von Servier auf Aufhebung oder Herabsetzung der gegen sie wegen der Beteiligung an den Vergleichen Servier/Niche, Servier/Teva und Servier/Lupin verhängten Geldbußen hat das Gericht zurückgewiesen. Hingegen hat es die gegen Servier wegen ihrer Beteiligung an dem Vergleich Servier/Matrix verhängte Geldbuße auf 55 385 190 Euro herabgesetzt.

V.      Verfahren vor dem Gerichtshof und Anträge der Parteien

49      Mit Schriftsatz, der am 28. Februar 2019 bei der Kanzlei des Gerichtshofs eingegangen ist, hat Servier das vorliegende Rechtsmittel eingelegt.

50      Mit Schriftsatz, der am 22. Mai 2019 bei der Kanzlei des Gerichtshofs eingegangen ist, hat das Vereinigte Königreich Großbritannien und Nordirland beantragt, als Streithelfer zur Unterstützung der Anträge der Kommission zugelassen zu werden. Der Präsident des Gerichtshofs hat diesem Antrag mit Entscheidung vom 16. Juni 2019 stattgegeben.

51      Der Gerichtshof hat die Parteien aufgefordert, bis zum 4. Oktober 2021 schriftlich zu den Urteilen vom 30. Januar 2020, Generics (UK) u. a. (C‑307/18, EU:C:2020:52), vom 25. März 2021, Lundbeck/Kommission (C‑591/16 P, EU:C:2021:243), vom 25. März 2021, Sun Pharmaceutical Industries und Ranbaxy (UK)/Kommission (C‑586/16 P, EU:C:2021:241), vom 25. März 2021, Generics (UK)/Kommission (C‑588/16 P, EU:C:2021:242), vom 25. März 2021, Arrow Group und Arrow Generics/Kommission (C‑601/16 P, EU:C:2021:244), und vom 25. März 2021, Xellia Pharmaceuticals und Alpharma/Kommission (C‑611/16 P, EU:C:2021:245), Stellung zu nehmen. Servier, die Kommission und das Vereinigte Königreich haben innerhalb der gesetzten Frist Stellung genommen.

52      Servier beantragt,

–        die Nrn. 4 bis 6 des Tenors des angefochtenen Urteils aufzuheben;

–        Art. 1 Buchst. b, Art. 2 Buchst. b, Art. 3 Buchst. b und Art. 5 Buchst. b und damit auch Art. 7 Abs. 1 Buchst. b, Art. 7 Abs. 2 Buchst. b, Art. 7 Abs. 3 Buchst. b und Art. 7 Abs. 5 Buchst. b des streitigen Beschlusses für nichtig zu erklären; hilfsweise, die Sache zur Entscheidung über die Wirkungen der streitigen Vergleiche an das Gericht zurückzuverweisen;

–        hilfsweise, die Nrn. 4 und 5 des Tenors des angefochtenen Urteils insoweit aufzuheben, als mit ihnen die im streitigen Beschluss enthaltenen Feststellungen zu den Vergleichen Servier/Niche und Servier/Matrix betreffend das Vorliegen gesonderter Zuwiderhandlungen und kumulativer Geldbußen bestätigt werden, und entsprechend Art. 1 Buchst. b, Art. 2 Buchst. b, Art. 7 Abs. 1 Buchst. b, und Art. 7 Abs. 2 Buchst. b des streitigen Beschlusses für nichtig zu erklären;

–        weiter hilfsweise, im Hinblick auf den Rechtsmittelgrund des Verstoßes gegen den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit im Zusammenhang mit Straftaten und Strafen und den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit bei der Festsetzung der Geldbuße die Nrn. 4 und 5 des Tenors des angefochtenen Urteils aufzuheben und Art. 7 Abs. 1 Buchst. b, Art. 7 Abs. 2 Buchst. b, Art. 7 Abs. 3 Buchst. b und Art. 7 Abs. 5 Buchst. b des streitigen Beschlusses für nichtig zu erklären;

–        im Hinblick auf den Rechtsmittelgrund betreffend die Dauer der zur Last gelegten Zuwiderhandlung und die Berechnung der Geldbuße für den Vergleich Servier/Lupin Nr. 5 des Tenors des angefochtenen Urteils aufzuheben und Art. 5 Buchst. b und Art. 7 Abs. 5 Buchst. b des streitigen Beschlusses für nichtig zu erklären und entsprechend die Geldbuße in Ausübung der Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung festzusetzen;

–        der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

53      Die Kommission beantragt,

–        das Rechtsmittel zurückzuweisen;

–        den Rechtsmittelführerinnen sowohl die Kosten des Verfahrens vor dem Gericht als auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens aufzuerlegen.

54      Die EFPIA beantragt,

–        die Nrn. 4 bis 6 des Tenors des angefochtenen Urteils aufzuheben;

–        Art. 1 Buchst. b, Art. 2 Buchst. b, Art. 3 Buchst. b und Art. 5 Buchst. b und damit auch Art. 7 Abs. 1 Buchst. b, Art. 7 Abs. 2 Buchst. b, Art. 7 Abs. 3 Buchst. b und Art. 7 Abs. 5 Buchst. b des streitigen Beschlusses für nichtig zu erklären, hilfsweise, die Sache an das Gericht zurückzuverweisen;

–        der Kommission die Kosten des Rechtsmittelverfahrens und die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens aufzuerlegen.

55      Das Vereinigte Königreich beantragt, den Anträgen der Kommission stattzugeben.

VI.    Zum Rechtsmittel

56      Servier macht sieben Rechtsmittelgründe geltend. Mit dem ersten Rechtsmittelgrund werden Rechtsfehler betreffend den Begriff der bezweckten Einschränkung des Wettbewerbs im Sinne von Art. 101 Abs. 1 AEUV gerügt, mit dem zweiten Rechtsfehler betreffend den potenziellen Wettbewerbsdruck, den die Generikahersteller auf Servier ausgeübt haben. Mit dem dritten, dem vierten und dem fünften Rechtsmittelgrund wendet sich Servier gegen die Feststellungen, die das Gericht zu den Vergleichen Servier/Niche, Servier/Matrix, Servier/Teva bzw. Servier/Lupin getroffen hat. Mit dem sechsten Rechtsmittelgrund werden hilfsweise Rechtsfehler bei der Einstufung der Vergleiche Servier/Niche und Servier/Matrix als gesonderte Zuwiderhandlungen gerügt, mit dem siebten Rechtsmittelgrund weiter hilfsweise ein Verstoß gegen den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit im Zusammenhang mit Straftaten und Strafen und gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, was die gemäß Art. 101 AEUV verhängten Geldbußen angeht.

A.      Vorbemerkungen zur Zulässigkeit

57      Soweit die Kommission geltend macht, dass bestimmte Gründe und Argumente, die Servier in ihrem Rechtsmittel vorgebracht habe, unzulässig seien, insbesondere, weil die Punkte der Begründung des angefochtenen Urteils, auf die sie sich bezögen, nicht bezeichnet würden, allgemeine Überlegungen angestellt würden, die mit den Beanstandungen und den Ausführungen im streitigen Beschluss und im angefochtenen Urteil nichts zu tun hätten, bestimmte erstinstanzliche Argumente wiederholt würden, ohne dass dargelegt werde, inwieweit sich daraus ergebe, dass dem Gericht Rechtsfehler unterlaufen seien, und Tatsachenfeststellungen des Gerichts in Zweifel gezogen würden, ist zunächst auf die Grenzen der gerichtlichen Überprüfung, die der Gerichtshof auf ein Rechtsmittel hin durchführt, hinzuweisen.

58      Es ergibt sich aus Art. 256 Abs. 1 AEUV und Art. 58 Abs. 1 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union, dass das Rechtsmittel auf Rechtsfragen beschränkt ist und dass daher allein das Gericht für die Feststellung und Beurteilung der relevanten Tatsachen sowie für die Beweiswürdigung zuständig ist (Urteil vom 10. Juli 2019, VG/Kommission, C‑19/18 P, EU:C:2019:578, Rn. 47 und die dort angeführte Rechtsprechung).

59      Dagegen ist, wenn das Gericht die Tatsachen festgestellt oder gewürdigt hat, der Gerichtshof befugt, seine Kontrolle auszuüben, sofern das Gericht diese Tatsachen rechtlich qualifiziert und aus ihnen rechtliche Folgen abgeleitet hat. Die Kontrollbefugnis des Gerichtshofs erstreckt sich insbesondere darauf, ob das Gericht bei seiner Tatsachen- und Beweiswürdigung die richtigen rechtlichen Kriterien angewandt hat (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 2. März 2021, Kommission/Italien u. a., C‑425/19 P, EU:C:2021:154, Rn. 53 und die dort angeführte Rechtsprechung).

60      Weiter ist festzustellen, dass mit einem Rechtsmittel die Feststellung und die Würdigung von Tatsachen in der angefochtenen Entscheidung angegriffen werden können, soweit geltend gemacht wird, dass das Gericht Feststellungen getroffen habe, deren Unrichtigkeit sich aus den Akten ergebe, oder die ihm vorgelegten Beweise verfälscht habe (Urteil vom 18. Januar 2007, PKK und KNK/Rat, C‑229/05 P, EU:C:2007:32, Rn. 35).

61      Eine solche Verfälschung muss sich in offensichtlicher Weise aus den Akten ergeben, ohne dass es einer neuen Tatsachen- und Beweiswürdigung bedarf (Urteil vom 28. Januar 2021, Qualcomm und Qualcomm Europe/Kommission, C‑466/19 P, EU:C:2021:76, Rn. 43). Sie kann zwar in der Auslegung eines Dokuments entgegen seinem Inhalt bestehen, muss aber offensichtlich aus den Akten hervorgehen und setzt voraus, dass das Gericht die Grenzen einer vernünftigen Beurteilung der betreffenden Beweise offensichtlich überschritten hat. Insoweit genügt es nicht, darzutun, dass ein Dokument anders ausgelegt werden könnte als durch das Gericht (Urteil vom 17. Oktober 2019, Alcogroup und Alcodis/Kommission, C‑403/18 P, EU:C:2019:870, Rn. 64 die dort angeführte Rechtsprechung).

62      Aus Art. 256 AEUV, Art. 58 Abs. 1 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union sowie Art. 168 Abs. 1 Buchst. d und Art. 169 Abs. 2 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs folgt, dass ein Rechtsmittel die beanstandeten Teile des Urteils oder des Beschlusses, dessen Aufhebung beantragt wird, sowie die rechtlichen Argumente, die diesen Antrag speziell stützen, genau bezeichnen muss (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 20. September 2016, Mallis u. a./Kommission und EZB, C‑105/15 P bis C‑109/15 P, EU:C:2016:702, Rn. 33 und 34). Nach ständiger Rechtsprechung entspricht ein Rechtsmittel, das sich darauf beschränkt, die bereits vor dem Gericht dargelegten Klagegründe und Argumente wiederzugeben, nicht diesem Erfordernis. Ein solches Rechtsmittel zielt nämlich in Wirklichkeit nur auf eine erneute Prüfung der beim Gericht eingereichten Klage ab, was nicht in die Zuständigkeit des Gerichtshofs fällt (Urteil vom 24. März 2022, Hermann Albers/Kommission, C‑656/20 P, EU:C:2022:222, Rn. 35 und die dort angeführte Rechtsprechung).

63      Jedoch können im ersten Rechtszug geprüfte Rechtsfragen im Rechtsmittelverfahren erneut aufgeworfen werden, wenn der Rechtsmittelführer die Auslegung oder Anwendung des Unionsrechts durch das Gericht beanstandet. Könnte ein Rechtsmittelführer sein Rechtsmittel nämlich nicht in dieser Weise auf bereits vor dem Gericht geltend gemachte Gründe und Argumente stützen, würde dies dem Rechtsmittelverfahren einen Teil seiner Bedeutung nehmen (Urteil vom 24. März 2022, Hermann Albers/Kommission, C‑656/20 P, EU:C:2022:222, Rn. 36 und die dort angeführte Rechtsprechung).

B.      Zum ersten und zum zweiten Rechtsmittelgrund (Kriterien für die Beurteilung der Begriffe der bezweckten Einschränkung des Wettbewerbs und des potenziellen Wettbewerbs)

64      Mit dem ersten und dem zweiten Rechtsmittelgrund macht Servier geltend, dass das Gericht die Begriffe der bezweckten Einschränkung des Wettbewerbs und des potenziellen Wettbewerbs rechtsfehlerhaft ausgelegt und angewandt habe.

1.      Zur Zulässigkeit

65      Die Kommission meint, der erste und der zweite Rechtsmittelgrund seien teilweise unzulässig. Das Vorbringen von Servier sei zum Teil allgemein und abstrakt. Servier habe die Punkte der Begründung des angefochtenen Urteils, gegen die sie sich wende, und die Rechtsfehler, die sie beanstande, nicht mit der erforderlichen Bestimmtheit bezeichnet. Außerdem habe Servier sich darauf beschränkt, Argumente zu wiederholen, die sie bereits im ersten Rechtszug vorgebracht habe, ohne darzulegen, welche Rechtsfehler dem Gericht bei der Zurückweisung dieser Argumente unterlaufen wären. Der erste und der zweite Rechtsmittelgrund seien daher nur insoweit zulässig, als sich das Vorbringen von Servier auf eine Rüge beziehe, die speziell in Bezug auf den Vergleich Servier/Niche, Servier/Matrix, Servier/Teva oder Servier/Lupin erhoben werde, der Punkt der Begründung des angefochtenen Urteils, der beanstandet werde, genau bezeichnet werde und dargelegt werde, welcher Rechtsfehler dem Gericht unterlaufen sei.

66      Hierzu ist festzustellen, dass Servier mit dem ersten und dem zweiten Rechtsmittelgrund in der Tat allgemein und abstrakt geltend macht, dass das Gericht bei der Einstufung der streitigen Vergleiche als bezweckte Einschränkung des Wettbewerbs nicht auf die richtigen rechtlichen Kriterien abgestellt habe. Es trifft auch zu, dass bei diesen Rechtsmittelgründen in der Rechtsmittelschrift nicht stets genau bezeichnet wird, welche Punkte des angefochtenen Urteils beanstandet werden und mit welchen rechtlichen Argumenten dargetan wird, dass Rechtsfehler vorliegen, und dass hin und wieder lediglich erstinstanzliches Vorbringen wiederholt wird.

67      Wie die Kommission ausdrücklich einräumt, überschneidet sich dieses Vorbringen aber, auch wenn es allgemein gehalten ist, mit den Argumenten, die Servier im Rahmen des dritten, vierten, fünften und sechsten Rechtsmittelgrundes speziell zu den einzelnen streitigen Vergleichen vorbringt, und vervollständigt diese. Das rechtliche Vorbringen von Servier zu der Frage, ob die streitigen Vergleiche eine Zuwiderhandlung darstellen, ist nach den oben in den Rn. 58 bis 63 dargestellten Grundsätzen nicht deshalb unzulässig, weil sich Servier dafür entschieden hat, es in zwei Teile aufzugliedern, nämlich einen allgemeinen Teil, der für die Prüfung sämtlicher streitigen Vergleiche relevant ist, und einen Teil, in dem speziell eigens auf die einzelnen streitigen Vergleiche eingegangen wird. Eine Gesamtschau der genannten Rechtsmittelgründe ergibt nämlich, dass sich anhand der Rechtsmittelschrift sowohl hinreichend genau bestimmen lässt, welche Punkte des angefochtenen Urteils von Servier beanstandet werden, als auch welche rechtlichen Argumente Servier insoweit vorbringt.

68      Die Kommission kann sich in Bezug auf den ersten und den zweiten Rechtsmittelgrund verteidigen, und der Gerichtshof kann insoweit seine Kontrolle ausüben. Die beiden Rechtsmittelgründe sind hierfür eindeutig und genau genug. Sie sind daher zulässig. Auf die übrigen Einreden der Unzulässigkeit, die die Kommission im Einzelnen erhebt, wird im Rahmen der Prüfung des dritten, des vierten, des fünften und sechsten Rechtsmittelgrundes eingegangen werden.

2.      Zur Begründetheit

a)      Vorbemerkungen

69      Nach Art. 101 Abs. 1 AEUV sind mit dem Binnenmarkt unvereinbar und verboten alle Vereinbarungen zwischen Unternehmen, Beschlüsse von Unternehmensvereinigungen und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen, welche den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen geeignet sind und eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs innerhalb des Binnenmarkts bezwecken oder bewirken.

70      Danach fällt das Verhalten von Unternehmen nur dann unter das generelle Verbot des Art. 101 Abs. 1 AEUV, wenn eine Vereinbarung zwischen Unternehmen, ein Beschluss einer Unternehmensvereinigung oder eine aufeinander abgestimmte Verhaltensweise, also eine Absprache, vorliegt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 30. Januar 2020, Generics [UK] u. a., C‑307/18, EU:C:2020:52, Rn. 31 und die dort angeführte Rechtsprechung).

71      Letzteres setzt bei Vereinbarungen über horizontale Zusammenarbeit zwischen Unternehmen, die auf derselben Ebene der Produktions- oder Vertriebskette tätig sind, voraus, dass die Absprache zwischen Unternehmen erfolgt, die tatsächliche oder zumindest potenzielle Wettbewerber sind (Urteil vom 30. Januar 2020, Generics [UK] u. a., C‑307/18, EU:C:2020:52, Rn. 32).

72      Weiter muss – wie sich bereits aus dem Wortlaut von Art. 101 Abs. 1 AEUV ergibt – nachgewiesen werden, dass das Verhalten entweder eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs bezweckt oder eine solche Wirkung hat (Urteil vom 21. Dezember 2023, European Superleague Company, C‑333/21, EU:C:2023:1011, Rn. 158). So wie sie vom Gerichtshof ausgelegt wird, unterscheidet diese Vorschrift also klar zwischen dem Begriff der bezweckten und dem der bewirkten Einschränkung des Wettbewerbs, für die jeweils verschiedene Beweisregeln gelten (Urteil vom 30. Januar 2020, Generics [UK] u. a., C‑307/18, EU:C:2020:52, Rn. 63).

73      Bei Verhaltensweisen, die als bezweckte Einschränkung des Wettbewerbs eingestuft werden, ist daher nicht zu prüfen und schon gar nicht nachzuweisen, welche Wirkungen sie auf den Wettbewerb haben. Die Erfahrung zeigt nämlich, dass solche Verhaltensweisen Minderungen der Produktion und Preiserhöhungen nach sich ziehen, die zu einer schlechten Verteilung der Ressourcen zulasten insbesondere der Verbraucher führen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 19. März 2015, Dole Food und Dole Fresh Fruit Europe/Kommission, C‑286/13 P, EU:C:2015:184, Rn. 115, und vom 21. Dezember 2023, European Superleague Company, C‑333/21, EU:C:2023:1011, Rn. 159).

74      Steht hingegen nicht fest, dass eine Vereinbarung, ein Beschluss einer Unternehmensvereinigung oder eine abgestimmte Verhaltensweise einen wettbewerbswidrigen Zweck hatte, muss, um nachzuweisen, dass der Wettbewerb tatsächlich spürbar verhindert, eingeschränkt oder verfälscht worden ist, geprüft werden, welche Wirkungen die Vereinbarung, der Beschluss oder die Verhaltensweise gehabt hat (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 26. November 2015, Maxima Latvija, C‑345/14, EU:C:2015:784, Rn. 17).

75      Diese Unterscheidung liegt darin begründet, dass bestimmte Formen der Kollusion zwischen Unternehmen schon ihrer Natur nach als schädlich für das gute Funktionieren des normalen Wettbewerbs angesehen werden können (Urteile vom 20. November 2008, Beef Industry Development Society und Barry Brothers, C‑209/07, EU:C:2008:643, Rn. 17, und vom 14. März 2013, Allianz Hungária Biztosító u. a., C‑32/11, EU:C:2013:160, Rn. 35). Der Begriff der bezweckten Einschränkung des Wettbewerbs ist eng auszulegen und kann nur auf bestimmte Arten von Vereinbarungen zwischen Unternehmen angewandt werden, die den Wettbewerb im Hinblick auf ihren Inhalt, die mit ihnen verfolgten Ziele und den wirtschaftlichen und rechtlichen Zusammenhang, in dem sie stehen, selbst hinreichend beeinträchtigen, um annehmen zu können, dass die Prüfung ihrer Wirkungen nicht erforderlich ist (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 26. November 2015, Maxima Latvija, C‑345/14, EU:C:2015:784, Rn. 20, und vom 21. Dezember 2023, European Superleague Company, C‑333/21, EU:C:2023:1011, Rn. 161 und 162 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

76      Insoweit sind in Bezug auf den wirtschaftlichen und rechtlichen Zusammenhang, in dem das betreffende Verhalten steht, die Art der betroffenen Waren oder Dienstleistungen sowie die tatsächlichen Bedingungen zu berücksichtigen, die die Struktur und das Funktionieren des oder der fraglichen Bereiche oder Märkte kennzeichnen. Dagegen ist es nicht erforderlich, die Auswirkungen dieses Verhaltens auf den Wettbewerb, seien sie real oder potenziell und negativ oder positiv, zu prüfen, und sie müssen erst recht nicht nachgewiesen werden (Urteil vom 21. Dezember 2023, European Superleague Company, C‑333/21, EU:C:2023:1011, Rn. 166).

77      Was die mit dem fraglichen Verhalten verfolgten Ziele angeht, sind die objektiven Ziele zu bestimmen, die mit ihm in Bezug auf den Wettbewerb erreicht werden sollen. Dagegen sind der Umstand, dass die beteiligten Unternehmen ohne die Absicht, den Wettbewerb zu verhindern, einzuschränken oder zu verfälschen, gehandelt haben, und die Tatsache, dass sie bestimmte legitime Zwecke verfolgt haben, für die Anwendung von Art. 101 Abs. 1 AEUV nicht entscheidend (Urteil vom 21. Dezember 2023, European Superleague Company, C‑333/21, EU:C:2023:1011, Rn. 167 und die dort angeführte Rechtsprechung).

78      Bei der Anwendung der genannten Grundsätze auf abgestimmte Verhaltensweisen in Form von Vereinbarungen über die horizontale Zusammenarbeit zwischen Unternehmen – wie die streitigen Vergleiche – ist in einem ersten Schritt zu prüfen, ob die Verhaltensweisen als Einschränkung des Wettbewerbs durch Unternehmen, die zumindest potenziell Wettbewerber sind, einzustufen sind. Wenn ja, ist in einem zweiten Schritt zu prüfen, ob sie im Hinblick auf ihre wirtschaftlichen Merkmale als bezweckte Einschränkung des Wettbewerbs einzustufen sind.

79      Was die erste Stufe dieser Prüfung angeht, hat der Gerichtshof bereits entschieden, dass in dem besonderen Zusammenhang der Öffnung des Marktes für ein Arzneimittel für Generikahersteller bei der Prüfung der Frage, ob einer dieser Generikahersteller, auch wenn er auf einem Markt nicht vertreten ist, mit dem dort bereits vertretenen Hersteller des Originalpräparats in einem Verhältnis des potenziellen Wettbewerbs steht, zu bestimmen ist, ob für den Generikahersteller wirkliche und konkrete Möglichkeiten bestehen, in den Markt einzutreten und dem Hersteller des Originalpräparats Konkurrenz zu machen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 30. Januar 2020, Generics [UK] u. a., C‑307/18, EU:C:2020:52, Rn. 36 und die dort angeführte Rechtsprechung).

80      Insoweit ist erstens zu prüfen, ob der Generikahersteller zum Zeitpunkt des Abschlusses solcher Vereinbarungen ausreichende Vorbereitungsmaßnahmen getroffen hatte, um innerhalb einer Frist, die geeignet ist, Wettbewerbsdruck auf den Hersteller des Originalpräparats auszuüben, in den betreffenden Markt eintreten zu können. Auf diese Weise lässt sich bei einem Arzneimittel mit einem gemeinfreien Wirkstoff feststellen, ob der Generikahersteller trotz der Verfahrenspatente des Herstellers des Originalpräparats fest entschlossen und aus eigener Kraft in der Lage ist, in den Markt einzutreten. Zweitens ist zu prüfen, ob der Markteintritt eines solchen Generikaherstellers nicht auf unüberwindliche Marktzutrittsschranken stößt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 30. Januar 2020, Generics [UK] u. a., C‑307/18, EU:C:2020:52, Rn. 43 bis 45).

81      Patente für das Originalpräparat oder ein Verfahren zu dessen Herstellung gehören ohne Frage zum wirtschaftlichen und rechtlichen Umfeld des zwischen ihren Inhabern und den Generikaherstellern bestehenden Wettbewerbsverhältnisses. Bei der Beurteilung der Rechte aus einem Patent ist jedoch nicht zu prüfen, wie stark das Patent ist oder wie hoch die Wahrscheinlichkeit ist, dass in einem Rechtsstreit zwischen dem Patentinhaber und einem Generikahersteller festgestellt wird, dass das Patent gültig ist und verletzt worden ist. Entscheidend ist vielmehr, ob für den Generikahersteller zum maßgeblichen Zeitpunkt trotz des Bestehens des Patents reale und konkrete Möglichkeiten bestehen, in den Markt einzutreten (Urteil vom 30. Januar 2020, Generics [UK] u. a., C‑307/18, EU:C:2020:52, Rn. 50).

82      Die Feststellung, dass ein Generikahersteller und der Hersteller des Originalpräparats potenzielle Wettbewerber sind, kann durch weitere Elemente bestätigt werden, etwa den Abschluss einer Vereinbarung zwischen ihnen, wenn der Generikahersteller auf dem betreffenden Markt nicht vertreten war, oder das Vorliegen von Wertübertragungen an den Generikahersteller als Gegenleistung für die Verschiebung seines Markteintritts (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 30. Januar 2020, Generics [UK] u. a., C‑307/18, EU:C:2020:52, Rn. 54 bis 56).

83      In einer zweiten Stufe ist bei der Prüfung der Frage, ob es sich bei der durch einen Vergleich zur gütlichen Beilegung eines Patentrechtsstreits erfolgten Verschiebung des Markteintritts von Generika als Gegenleistung für Wertübertragungen des Herstellers des Originalpräparats an den Generikahersteller um eine Absprache handelt, die eine bezweckte Einschränkung des Wettbewerbs darstellt, zunächst zu bestimmen, ob sich die Wertübertragungen vollständig durch die Notwendigkeit des Ausgleichs der Kosten oder Unannehmlichkeiten im Zusammenhang mit dem Rechtsstreit – wie etwa die Auslagen und Vergütungen der Rechtsanwälte des Generikaherstellers – oder die Notwendigkeit der Vergütung der nachweislichen tatsächlichen Lieferung von Waren oder Dienstleistungen durch den Generikahersteller an den Hersteller des Originalpräparats erklären lassen. Wenn nein, ist zu bestimmen, ob sich die Wertübertragungen allein durch das geschäftliche Interesse des Herstellers des Originalpräparats und des Generikaherstellers an der Vermeidung von Leistungswettbewerb erklären lassen. Hierzu ist im Einzelfall zu prüfen, ob der positive Nettosaldo der Wertübertragungen hoch genug war, um den Generikahersteller tatsächlich dazu zu bewegen, vom Eintritt in den betreffenden Markt abzusehen und somit mit dem Hersteller des Originalpräparats nicht in Leistungswettbewerb zu treten, wobei er nicht unbedingt höher gewesen sein muss als die Gewinne, die der Generikahersteller erzielt hätte, wenn er im Patentrechtsstreit obsiegt hätte (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 30. Januar 2020, Generics [UK] u. a., C‑307/18, EU:C:2020:52, Rn. 84 bis 94).

84      In Wirtschaftszweigen, in denen ausschließliche Rechte an Technologien bestehen, gehört die Anfechtung der Gültigkeit und Tragweite eines Patents zum normalen Wettbewerb. Vergleiche, mit denen ein Generikahersteller, der in den Markt eintreten will, die Gültigkeit eines Patents des Herstellers eines Originalpräparats zumindest zeitweilig anerkennt und sich deshalb verpflichtet, das Patent nicht anzufechten und nicht in den Markt einzutreten, können den Wettbewerb daher einschränken (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 30. Januar 2020, Generics [UK] u. a., C‑307/18, EU:C:2020:52, Rn. 81 und die dort angeführte Rechtsprechung).

85      Nach Maßgabe der vorstehenden Erwägungen ist zu prüfen, ob das Gericht über das Vorbringen von Servier insbesondere im Rahmen des vierten Klagegrundes, dass der Kommission bei der Bestimmung der für die Prüfung des Zwecks und der Wirkungen der streitigen Vergleiche nach Art. 101 AEUV maßgeblichen rechtlichen Kriterien Rechtsfehler unterlaufen seien, und über das speziellere Vorbringen zur Anwendung dieser Kriterien auf die einzelnen Vergleiche rechtsfehlerfrei entschieden hat.

86      Steht fest, dass die Umstände betreffend den potenziellen Wettbewerb, gegen die sich die im Rahmen des zweiten Rechtsmittelgrundes vorgebrachte allgemeine Kritik richtet, vorliegen, ist somit in dieser zweiten Stufe zu prüfen, ob das Gericht rechtsfehlerhaft festgestellt hat, dass die streitigen Vergleiche im Sinne von Art. 101 Abs. 1 AEUV eine Einschränkung des Wettbewerbs bezweckt hätten. Weiter ist zu prüfen, ob das Gericht in diesem Zusammenhang geprüft hat, welche Ziele mit den Vergleichen verfolgt wurden, insbesondere, ob die Wertübertragungen von Servier an die Generikahersteller hoch genug waren, um diese dazu bewegen zu können, wenn auch nur zeitweilig davon abzusehen, in den Markt für Perindopril einzutreten.

87      Außerdem ist zu prüfen, ob das Gericht, soweit erforderlich, die Absichten der beteiligten Unternehmen berücksichtigt hat, um zu prüfen, ob seine im Hinblick auf die in der vorstehenden Randnummer angesprochenen Umstände getroffenen Feststellungen zu den objektiven Zielen, die die Unternehmen hinsichtlich des Wettbewerbs erreichen wollten, damit in Einklang stehen. Dabei ist zu beachten, dass der Umstand, dass die Unternehmen ohne die Absicht, den Wettbewerb zu verhindern, einzuschränken oder zu verfälschen, gehandelt haben, und der Umstand, dass sie bestimmte legitime Ziele verfolgt haben, nach der oben in Rn. 77 dargestellten Rechtsprechung für die Anwendung von Art. 101 Abs. 1 AEUV nicht entscheidend sind. Maßgeblich ist allein, inwieweit die Verhaltensweise den Wettbewerb auf dem betreffenden Markt wirtschaftlich beeinträchtigt. Dies ist objektiv zu beurteilen, wozu eine eingehende Untersuchung der Verhaltensweise, ihrer Ziele sowie ihres wirtschaftlichen und rechtlichen Zusammenhangs erforderlich sein kann (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 30. Januar 2020, Generics [UK] u. a., C‑307/18, EU:C:2020:52, Rn. 84 und 85, und vom 25. März 2021, Lundbeck/Kommission, C‑591/16 P, EU:C:2021:243, Rn. 131).

88      Bei der Prüfung der Frage, ob eine geheime Absprache als bezweckte Einschränkung des Wettbewerbs angesehen werden kann, sind demnach ihr Inhalt, ihre Entstehungsgeschichte und ihr wirtschaftlicher und rechtlicher Zusammenhang, insbesondere die besonderen Merkmale des Marktes, auf dem sie konkret ihre Wirkungen entfaltet, zu untersuchen. Dass aus dem Wortlaut einer Vereinbarung, die dazu dient, die Verhaltensweise umzusetzen, nicht hervorgeht, dass ein wettbewerbswidriger Zweck verfolgt wird, ist allein nicht ausschlaggebend (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 8. November 1983, IAZ International Belgium u. a./Kommission, 96/82 bis 102/82, 104/82, 105/82, 108/82 und 110/82, EU:C:1983:310, Rn. 23 bis 25, und vom 28. März 1984, Compagnie royale asturienne des mines und Rheinzink/Kommission, 29/83 und 30/83, EU:C:1984:130, Rn. 26).

89      Im vorliegenden Fall ist festzustellen, dass das Gericht in einem Abschnitt des angefochtenen Urteils, in dem es um die Rechtsfehler geht, die der Kommission bei dem Begriff der bezweckten Einschränkung des Wettbewerbs unterlaufen sein sollen, zunächst in den Rn. 219 bis 307 des angefochtenen Urteils allgemein auf die Kriterien, anhand deren festgestellt werden könne, dass Vergleiche zur gütlichen Beilegung von Patentrechtsstreitigkeiten unter diesen Begriff fielen, eingeht und dann in den Rn. 316 bis 386 des angefochtenen Urteils die Kriterien nennt, die für die Beurteilung der Frage, ob potenzieller Wettbewerb vorliegt, maßgeblich sind. Damit hat das Gericht die Reihenfolge, in der diese beiden Gesichtspunkte (siehe oben, Rn. 78) grundsätzlich zu prüfen sind, umgekehrt. Denn, wenn die betreffenden Unternehmen keine Wettbewerber sind, braucht nicht geprüft zu werden, ob eine Vereinbarung eine Einschränkung des Wettbewerbs bezweckt. Diese Umkehrung der Prüfungsreihenfolge hat auf die Richtigkeit der vom Gericht im vorliegenden Fall vorgenommenen Prüfung dieser beiden Gesichtspunkte an sich aber keinen Einfluss. Als es dann im Einzelnen über die Klagegründe befunden hat, die die Frage betrafen, ob die streitigen Vergleiche eine Zuwiderhandlung gegen Art. 101 AEUV dargestellt haben, hat das Gericht die gebotene Prüfungsreihenfolge nämlich eingehalten. Bevor es geprüft hat, ob die Vergleiche als bezweckte Einschränkung des Wettbewerbs einzustufen sind, hat es stets geprüft, ob die betreffenden Vertragsparteien potenzielle Wettbewerber waren.

90      Da sich der zweite Rechtsmittelgrund auf die Kriterien für den potenziellen Wettbewerb bezieht, ist daher zunächst auf diesen Rechtsmittelgrund einzugehen und dann auf den ersten Rechtsmittelgrund betreffend die Kriterien für die Einstufung als bezweckte Einschränkung des Wettbewerbs.

b)      Zu den Kriterien für den potenziellen Wettbewerb (zweiter Rechtsmittelgrund)

1)      Vorbringen der Parteien

91      Mit dem zweiten Rechtsmittelgrund, der aus drei Teilen besteht, macht Servier geltend, dass das Gericht den Begriff des potenziellen Wettbewerbs im angefochtenen Urteil extensiv verstanden habe und die der Kommission obliegende Beweislast umgekehrt habe. Aus dem Abschluss eines Vergleichs zur gütlichen Beilegung von Patentstreitigkeiten könne nicht bereits gefolgert werden, dass die Vertragsparteien potenzielle Wettbewerber gewesen wären. In Rn. 386 des angefochtenen Urteils habe das Gericht angenommen, dass es für den Nachweis potenziellen Wettbewerbs genüge, dass die Kommission in Ermangelung gegenteiliger Beweise für technische, rechtliche, geschäftliche oder finanzielle Schwierigkeiten ein Bündel übereinstimmender Indizien anführe, die Schritte zur Herstellung und zur Vermarktung des betreffenden Erzeugnisses in so naher Zukunft belegten, dass davon Druck auf den auf dem betreffenden Markt tätigen Wirtschaftsteilnehmer ausgehe. Aufgrund dieser Annahme seien dem Gericht drei Rechtsfehler unterlaufen.

92      Mit dem ersten Teil des zweiten Rechtsmittelgrundes macht Servier geltend, dass das Gericht die durch die Patentsituation bedingten Hindernisse außer Acht gelassen habe. Es habe in den Rn. 384, 444 und 728 des angefochtenen Urteils angenommen, dass die Einschätzung der Erfolgsaussichten einer Klage durch die Vertragsparteien, wenn keine endgültige Entscheidung einer öffentlichen Stelle über die Verletzung und die Gültigkeit eines Patents vorliege, lediglich unter dem Gesichtspunkt der Absichten der Vertragsparteien berücksichtigt werden könne. Es habe also angenommen, dass die Einschätzung der Gültigkeit eines Patents durch die Vertragsparteien vor dem Erlass einer endgültigen Entscheidung einer öffentlichen Stelle über die Verletzung und die Gültigkeit eines Patents bei der Prüfung der Frage, ob die Generikahersteller in der Lage gewesen seien, in den betreffenden Markt einzutreten, nicht berücksichtigt werden könne. Ein Vergleich zur gütlichen Beilegung eines Rechtsstreits könne begriffsnotwendig aber nur vor dem Erlass einer solchen Entscheidung geschlossen werden. Das Gericht habe mithin eine Voraussetzung aufgestellt, die überhaupt nicht erfüllt werden könne und dem Kontext der Rechtsstreitigkeiten über Arzneimittelpatente nicht gerecht werde. Außerdem habe das Gericht es in den Rn. 366, 367, 591 und 592 des angefochtenen Urteils zu Unrecht abgelehnt, in diesem Zusammenhang die gerichtlichen Anordnungen zu berücksichtigen, weil diese vorläufig ergangen seien.

93      Auch wenn keine endgültige Entscheidung einer öffentlichen Stelle über die Verletzung und die Gültigkeit eines Patents vorliege, könne durch das Bestehen eines Patents in Frage gestellt werden, dass ein Generikahersteller in der Lage sei, in den Markt einzutreten, wenn das Patent als stark genug angesehen werde, um den Generikahersteller von einem sogenannten „launch at risk“ (Markteintritt auf Risiko) abzuhalten, weil für ihn die Gefahr bestehe, dass der Hersteller des Originalpräparats gegen ihn eine Patentverletzungsklage erhebe. Das Gericht habe ausdrücklich festgestellt, dass die Einschätzung der Gültigkeit des Patents EP1296947 durch Krka eine solche abschreckende Wirkung gehabt habe. Es habe somit einen Rechtsfehler begangen, wegen dessen die Einstufung von Niche, Matrix, Teva und Lupin als potenzielle Wettbewerber von Servier rechtswidrig sei.

94      Mit dem zweiten Teil des zweiten Rechtsmittelgrundes macht Servier geltend, dass das Gericht in Rn. 386 des angefochtenen Urteils rechtsfehlerhaft angenommen habe, dass ein Bündel von Indizien für bloße Schritte zur Herstellung und zur Vermarktung eines Generikums, deren Erfolgsaussichten ungewiss seien, für den Beweis tatsächlicher und konkreter Möglichkeiten des Markteintritts genüge. Solche Schritte zeigten allenfalls, dass die Absicht bestehe, in den Markt einzutreten, genügten, wenn hohe Marktzutrittsschranken bestünden, aber nicht für den Nachweis der konkreten Wahrscheinlichkeit eines hinreichend schnellen Markteintritts, die von dem Entwicklungsstadium abhänge, in dem sich das Generikum befinde, und davon, ob dessen Hersteller in der Lage ist, eine Genehmigung für das Inverkehrbringen zu erlangen. Das Gericht habe in Rn. 340 des angefochtenen Urteils deshalb zu Unrecht angenommen, dass Verzögerungen im Prozess des Markteintritts, zu denen es bei den Generikaherstellern komme, deren Fähigkeit, in den Markt einzutreten, nicht beeinträchtigen könnten. Servier macht ferner mehrere Fehler betreffend die Beurteilung des potenziellen Wettbewerbs bei den streitigen Vergleichen geltend.

95      Mit dem dritten Teil des zweiten Rechtsmittelgrundes macht Servier, unterstützt durch die EFPIA, geltend, dass das Gericht zu Unrecht angenommen habe, dass die Unternehmen, die für die mit dem streitigen Beschluss festgestellten Zuwiderhandlungen verantwortlich seien, um die von der Kommission angeführten Indizien für das Vorliegen potenziellen Wettbewerbs zu widerlegen, hätten nachweisen müssen, dass dem Markteintritt neuer Unternehmen unüberwindliche Hindernisse entgegengestanden hätten. Auf diese Weise habe das Gericht die die Kommission treffende Beweislast umgekehrt und von den betreffenden Unternehmen einen Beweis verlangt, der überhaupt nicht erbracht werden könne (probatio diabolica). Zur Widerlegung der Indizien für das Vorliegen potenziellen Wettbewerbs genüge es, darzutun, dass die Behauptungen der Kommission zweifelhaft oder falsch seien.

96      Außerdem habe das Gericht ihr in Rn. 386 des angefochtenen Urteils unter Verstoß gegen den Grundsatz der guten Verwaltung zu Unrecht die Beweislast dafür auferlegt, dass es für die Generikahersteller unüberwindliche Hindernisse gegeben habe. Über die Informationen, die insoweit relevant seien, verfügten allein die Generikahersteller. Indem sie es abgelehnt habe, von ihren Untersuchungsbefugnissen Gebrauch zu machen, um an diese Informationen zu gelangen, habe die Kommission gegen den Grundsatz der guten Verwaltung verstoßen.

97      Die Kommission tritt diesem Vorbringen entgegen. Sie wird hierbei vom Vereinigten Königreich unterstützt.

2)      Würdigung durch den Gerichtshof

98      Zu den Kriterien, anhand deren sich feststellen lässt, ob zwei Unternehmen potenzielle Wettbewerber sind, hat das Gericht im Wesentlichen festgestellt, dass potenzieller Wettbewerber sei, wer tatsächliche und konkrete Möglichkeiten habe, in den betreffenden Markt einzutreten. Eine solche Feststellung müsse auf zwei Kriterien beruhen, nämlich zum einen der Fähigkeit und zum anderen der Absicht, in den Markt einzutreten, wobei das erste Kriterium das wesentliche Kriterium sei (angefochtenes Urteil, Rn. 318 bis 321). Die Einstufung eines Unternehmens als potenzieller Wettbewerber setze voraus, dass dessen Markteintritt so schnell erfolgen könne, dass er disziplinierend auf die auf dem Markt vertretenen Unternehmen wirke und so einen Wettbewerbsdruck auf sie ausübe (angefochtenes Urteil, Rn. 334 bis 341).

99      Der Nachweis des Vorliegens potenziellen Wettbewerbs könne bestätigt werden durch die Wahrnehmung des von der Möglichkeit des Markteintritts eines neuen Unternehmens ausgehenden Wettbewerbsdrucks durch die auf dem Markt vertretenen Unternehmen. Nach seiner Rechtsprechung könne der Abschluss einer Vereinbarung zwischen diesen Unternehmen ein Indiz für eine solche Wahrnehmung darstellen, das das Vorliegen potenziellen Wettbewerbs bestätigen könne (angefochtenes Urteil, Rn. 342 bis 348).

100    Könne anhand dieser Kriterien festgestellt werden, dass Generikahersteller wirkliche und konkrete Möglichkeiten hätten, in den Markt einzutreten, könne diese Feststellung durch das Vorliegen von Hindernissen für den Markteintritt wie Patenten oder der Verpflichtung, eine Genehmigung für das Inverkehrbringen zu erlangen, nur dann in Frage gestellt werden, wenn es sich dabei um unüberwindliche Hindernisse handele (angefochtenes Urteil, Rn. 319 bis 324).

101    Solange keine endgültige gerichtliche Entscheidung vorliege, mit der eine Patentverletzung festgestellt werde, stehe das Bestehen eines gültigen Patents der Entfaltung von potenziellem Wettbewerb nicht entgegen. Generikahersteller seien durch das ausschließliche Recht, das ein Patent gewähre, nämlich nicht daran gehindert, Schritte zu unternehmen, um in der Lage zu sein, nach dem Ablauf des Patents in den Markt für das Originalpräparat einzutreten, und damit vor dem Ablauf des Patents Wettbewerbsdruck auf den Inhaber des Patents auszuüben (angefochtenes Urteil, Rn. 355 bis 368 und 384).

102    Auch wenn bei einem Patent ab der Eintragung vermutet werde, dass es gültig sei, werde eine Rechtsverletzung nicht vermutet, sondern müsse gerichtlich festgestellt werden. Solange dies nicht geschehen sei, schließe auch die Feststellung der Gültigkeit eines Patents, wie sie etwa durch die Entscheidung des EPA vom 27. Juli 2006 erfolgt sei, potenziellen Wettbewerb nicht aus (angefochtenes Urteil, Rn. 359 bis 361).

103    Auch die Rechtsvorschriften über die Erteilung von Genehmigungen für das Inverkehrbringen von Arzneimitteln stellten kein unüberwindliches Hindernis für die Entfaltung potenziellen Wettbewerbs dar. Sie erlaubten es den zuständigen Behörden nämlich, für ein Generikum eine Genehmigung für das Inverkehrbringen zu erteilen, obwohl das Originalpräparat durch ein Patent geschützt sei (angefochtenes Urteil, Rn. 358).

104    Demnach ist dem Gericht bei der Darlegung der Kriterien, anhand deren sich feststellen lässt, ob der Hersteller des Originalpräparats und ein Generikahersteller potenzielle Wettbewerber sind, entgegen dem Vorbringen von Servier kein Rechtsfehler unterlaufen. Das Gericht hat insoweit auch die oben in den Rn. 79 bis 82 dargelegten Grundsätze beachtet. Die Kriterien, die das Gericht angewandt hat, entsprechen nämlich im Wesentlichen denen, die der Gerichtshof in den Rn. 36 bis 57 des Urteils vom 30. Januar 2020, Generics (UK) u. a. (C‑307/18, EU:C:2020:52), angewandt hat.

105    Was insbesondere die beiden Kriterien der Fähigkeit und der Absicht, in den betreffenden Markt einzutreten (angefochtenes Urteil, Rn. 318), angeht, ist festzustellen, dass sie denen entsprechen, die der Gerichtshof insbesondere in Rn. 44 des Urteils vom 30. Januar 2020, Generics (UK) u. a. (C‑307/18, EU:C:2020:52), angewandt hat, indem er darauf abgestellt hat, ob der Generikahersteller bei einem Arzneimittel mit einem gemeinfreien Wirkstoff trotz der Verfahrenspatente des Herstellers des Originalpräparats fest entschlossen und aus eigener Kraft in der Lage ist, in den Markt einzutreten.

106    Zu der Rüge, die im Rahmen des zweiten Rechtsmittelgrundes vorab erhoben wird, ist festzustellen, dass bei zwei Unternehmen, die auf derselben Ebene der Produktionskette tätig sind und von denen eines nicht auf dem Markt vertreten ist, in der Tat, wie Servier im Wesentlichen geltend macht, nicht allein daraus, dass sie einen Vergleich zur gütlichen Beilegung von Rechtsstreitigkeiten geschlossen haben, gefolgert werden kann, dass sie potenzielle Wettbewerber wären. Der Abschluss eines solchen Vergleichs stellt aber ein starkes Indiz dafür dar, dass sie Wettbewerber sind (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 30. Januar 2020, Generics [UK] u. a., C 307/18, EU:C:2020:52, Rn. 55 und die dort angeführte Rechtsprechung). Somit hat das Gericht die Feststellung, dass Servier und die betreffenden Generikahersteller potenzielle Wettbewerber gewesen seien, rechtsfehlerfrei auf die bloße Existenz der streitigen Vergleiche gestützt.

107    Zum ersten Teil des zweiten Rechtsmittelgrundes ist festzustellen, dass Servier zu Unrecht behauptet, dass das Gericht es rechtsfehlerhaft abgelehnt habe, anzuerkennen, dass bei der Prüfung der Frage, ob die Generikahersteller in der Lage gewesen seien, in den Markt einzutreten, berücksichtigt werden könne, wie die Stärke eines Patents, dessen Gültigkeit gerichtlich noch nicht endgültig festgestellt worden sei, durch einen Generikahersteller eingeschätzt worden sei.

108    Im vorliegenden Fall hat das Gericht in den Rn. 384, 444 und 728 des angefochtenen Urteils nicht angenommen, dass die Einschätzung der Stärke eines Patents durch einen Generikahersteller, dessen Gültigkeit gerichtlich noch nicht endgültig festgestellt worden ist, für die Beurteilung der Frage, ob Servier und die Generikahersteller potenzielle Wettbewerber waren, völlig irrelevant wäre, sondern dass dieser Gesichtspunkt zwar für die Frage, ob ein Generikahersteller die Absicht gehabt habe, in den betreffenden Markt einzutreten, relevant sein könne, bei der Prüfung der Frage, ob er in der Lage sei, dies zu tun, aber keine Rolle spiele.

109    Hierzu ist festzustellen, dass ein Patent für ein Verfahren zur Herstellung eines gemeinfreien Wirkstoffs für sich genommen keine unüberwindliche Schranke darstellt. Ist ein Generikahersteller tatsächlich fest entschlossen und aus eigener Kraft in der Lage, in den Markt einzutreten, und, wie seine Maßnahmen zeigen, bereit, das Patent anzufechten und sich beim Eintritt in den Markt einer Verletzungsklage des Patentinhabers auszusetzen, steht das Verfahrenspatent der Einstufung des Generikaherstellers als potenzieller Wettbewerber des Herstellers des Originalpräparats nicht entgegen (Urteil vom 30. Januar 2020, Generics [UK] u. a., C‑307/18, EU:C:2020:52, Rn. 46).

110    Nach dieser Rechtsprechung und nach der oben in Rn. 81 dargestellten Rechtsprechung leiden die oben in Rn. 108 zusammengefassten Ausführungen des Gerichts unter keinem Rechtsfehler. Denn aus der oben in Rn. 81 dargestellten Rechtsprechung ergibt sich insbesondere, dass ein Patent, mit dem ein Originalpräparat oder ein Verfahren zu dessen Herstellung geschützt wird und dessen Gültigkeit gerichtlich noch nicht endgültig festgestellt worden ist, auch wenn es zweifellos Teil des relevanten Kontexts ist, für die Frage, ob der Generikahersteller und der Inhaber des Patents potenzielle Wettbewerber sind, für sich genommen nicht maßgeblich ist. Dies gilt erst recht für die Einschätzung der Stärke eines solchen Patents durch einen Generikahersteller.

111    Im Übrigen stellt die Einschätzung der Stärke eines Patents durch einen Generikahersteller, wie sich nicht aus seinen eigenen Aussagen, sondern aus zuverlässigen Beweisen aus der Zeit der Zuwiderhandlung ergibt, zwar einen von mehreren Gesichtspunkten – wie den Maßnahmen zur Vorbereitung des Markteintritts – dar, die für die Beurteilung der Absichten des Generikaherstellers und damit der Frage, ob dieser fest entschlossen war, in den Markt einzutreten, relevant sind. Da sie begriffsnotwendig subjektiv ist, ist sie aber grundsätzlich weder für die Frage relevant, ob der Generikahersteller aus eigener Kraft in der Lage war, tatsächlich in den Markt einzutreten, noch für die Frage, ob es objektiv unüberwindliche Hindernisse für den Markteintritt gab.

112    Zu dem Vorbringen von Servier, das Gericht habe die einstweiligen Verfügungen eines nationalen Gerichts, mit dem einem Generikahersteller verboten worden sei, in den Markt für ein Arzneimittel mit einem gemeinfreien Wirkstoff einzutreten, zu Unrecht für nicht relevant erachtet, ist festzustellen, dass der Gerichtshof bereits darauf hingewiesen hat, dass solche Anordnungen für die Beurteilung der Frage, ob der Generikahersteller und der Inhaber des Patents potenzielle Wettbewerber sind, nur bedingt relevant sind, da es sich um eine Maßnahme des vorläufigen Rechtsschutzes handelt, die der Entscheidung über eine Patentverletzungsklage in keiner Weise vorgreift (Urteil vom 30. Januar 2020, Generics [UK] u. a., C‑307/18, EU:C:2020:52, Rn. 53). Im Übrigen hat das Gericht in den Rn. 366, 367, 591 und 592 des angefochtenen Urteils entgegen dem Vorbringen von Servier nicht angenommen, dass solche einstweiligen Verfügungen überhaupt nicht zu berücksichtigen seien. Es hat – im Einklang mit dieser Rechtsprechung – lediglich festgestellt, dass nicht bereits wegen des Erlasses solcher Verfügungen und schon gar nicht wegen der bloßen Möglichkeit des Erlasses solcher Verfügungen angenommen werden könne, dass der Generikahersteller kein potenzieller Wettbewerber sei.

113    Servier macht geltend, dass die Ausführungen des Gerichts zu der Bedeutung, die der Einschätzung der Stärke des Patents durch den Generikahersteller beizumessen sei, widersprüchlich seien. Das Gericht habe im Wesentlichen anerkannt, dass die Vereinbarungen Servier/Krka wegen der Anerkennung der Gültigkeit des Patents EP1296947 durch Krka nicht als bezweckte Einschränkungen des Wettbewerbs eingestuft werden könnten, bei den streitigen Vergleichen aber das Gegenteil angenommen (siehe oben, Rn. 93).

114    Wie sich aus Rn. 304 des Urteils ergibt, das heute in der Rechtssache Kommission/Servier u. a. (C‑176/19 P) ergeht, schlagen die Rechtsfehler, die dem Gericht unterlaufen sind, aber auf die gesamten Ausführungen des Gerichts betreffend die Einstufung des Vergleichs und der Lizenzvereinbarung Servier/Krka als bezweckte Einschränkung des Wettbewerbs (angefochtenes Urteil, Rn. 943 bis 1032) durch. Insbesondere ergibt sich aus den Rn. 294 und 295 des Urteils, das heute in der Rechtssache Kommission/Servier u. a. (C‑176/19 P) ergeht, dass das Gericht die Einstufung der Servier und Krka zur Last gelegten Zuwiderhandlung als bezweckte Einschränkung des Wettbewerbs anhand von unrichtigen Kriterien überprüft hat, mit denen es maßgeblich auf die Anerkennung der Gültigkeit des Patents EP1296947 durch Krka abgestellt hat, obwohl dieser Gesichtspunkt als solcher nicht entscheidend war.

115    Der Gerichtshof hat dem Rechtsmittel der Kommission in der Rechtssache C‑176/19 P teilweise stattgegeben und Nr. 1 des Tenors des angefochtenen Urteils, mit dem das Gericht Art. 4 des streitigen Beschlusses, mit dem festgestellt wird, dass die Vereinbarungen Servier/Krka eine Zuwiderhandlung gegen Art. 101 AEUV darstellten, für nichtig erklärt hatte, aufgehoben. Er hat gemäß Art. 61 Abs. 1 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union u. a. über den ersten Teil des neunten Klagegrundes, den Servier in der Rechtssache T‑691/14 geltend gemacht hatte, endgültig entschieden.

116    Der Gerichtshof hat das Vorbringen von Servier, dass von Krka kein potenzieller Wettbewerb ausgegangen sei, aus den Gründen, die in den Rn. 427 bis 440 des Urteils genannt werden, das heute in der Rechtssache Kommission/Servier u. a. (C‑176/19 P) ergeht, zurückgewiesen. In Rn. 441 dieses Urteils hat er das Vorbringen von Servier zurückgewiesen, dass Krka insbesondere wegen der Entscheidung des EPA vom 27. Juli 2006 nicht mehr in der Lage und nicht mehr fest dazu entschlossen gewesen sei, in ihre Hauptmärkte einzutreten, und somit kein potenzieller Wettbewerber mehr gewesen sei. Er hat endgültig entschieden, dass dieses Vorbringen im Hinblick insbesondere auf die oben in den Rn. 81 und 109 dargestellte Rechtsprechung nicht begründet ist.

117    Der Widerspruch in den Ausführungen des Gerichts, den Servier im Rahmen des ersten Teils des zweiten Rechtsmittelgrundes geltend macht, beruht mithin auf Ausführungen des angefochtenen Urteils, die vom Gerichtshof endgültig für ungültig erklärt worden sind. Da der behauptete Widerspruch nicht vorliegt, ist das entsprechende Vorbringen von Servier und damit der erste Teil des zweiten Rechtsmittelgrundes zurückzuweisen.

118    Zum zweiten Teil des zweiten Rechtsmittelgrundes ist festzustellen, dass der Umstand, dass Schritte bei den Behörden unternommen worden sind, um eine Genehmigung für das Inverkehrbringen eines Generikums zu erlangen, entgegen dem Vorbringen von Servier berücksichtigt werden kann, um nachzuweisen, dass der betreffende Generikahersteller wirkliche und konkrete Möglichkeiten hatte, in den Markt für das Originalpräparat einzutreten. Solche Schritte sind nämlich sowohl relevant, um nachzuweisen, dass der Generikahersteller fest entschlossen war, in diesen Markt einzutreten, als auch, um nachzuweisen, dass er hierzu aus eigener Kraft in der Lage war (siehe oben, Rn. 80).

119    Servier macht weiter geltend, dass das Gericht es rechtsfehlerhaft abgelehnt habe, in Rn. 340 des angefochtenen Urteils festzustellen, dass Verzögerungen in dem Verfahren des Markteintritts eines Generikaherstellers dessen Fähigkeit zum Markteintritt beeinträchtigen könnten.

120    Wie sich im Wesentlichen aus Rn. 340 des angefochtenen Urteils ergibt, ändert eine durch solche Verzögerungen bedingte Verschiebung des Markteintritts, wie die Generalanwältin im Wesentlichen in Nr. 103 ihrer Schlussanträge ausgeführt hat, für sich genommen aber nichts daran, dass der Generikahersteller potenzieller Wettbewerber ist, insbesondere wenn er Schritte unternimmt, um die Schwierigkeiten, wegen deren es zu den Verzögerungen gekommen ist, aus dem Weg zu räumen. Insoweit ist nämlich maßgeblich, ob der Generikahersteller, weil er fest entschlossen und aus eigener Kraft in der Lage ist, in den Markt einzutreten, weiter Wettbewerbsdruck auf den Hersteller des Originalpräparats ausübt. Um festzustellen, ob diese Voraussetzungen erfüllt sind, ist zu prüfen, ob der Generikahersteller ausreichende Vorbereitungsmaßnahmen getroffen hat, um innerhalb einer Frist, die geeignet ist, Wettbewerbsdruck auf den Hersteller des Originalpräparats auszuüben, in den betreffenden Markt eintreten zu können (siehe oben, Rn. 80). Der Gerichtshof hat bereits entschieden, dass es insoweit nicht darauf ankommt, ob die Vorbereitungsmaßnahmen wie geplant abgeschlossen werden oder erfolgreich sind (Urteil vom 25. März 2021, Lundbeck/Kommission, C‑591/16 P, EU:C:2021:243, Rn. 84).

121    Das Gericht hat in Rn. 340 des angefochtenen Urteils mithin rechtsfehlerfrei entschieden, dass die Annahme der Kommission im streitigen Beschluss, dass „die von den Generikaherstellern eventuell verzeichneten Verzögerungen beim Markteintritt allein nicht ausreichten, um ihre Eigenschaft als potenzielle Wettbewerber auszuschließen, wenn sie aufgrund ihrer Fähigkeit zum Markteintritt weiter einen solchen Druck ausübten“, nicht zu beanstanden sei.

122    Der zweite Teil des zweiten Rechtsmittelgrundes ist daher zurückzuweisen.

123    Zum dritten Teil des zweiten Rechtsmittelgrundes ist festzustellen, dass das Gericht die Beweislast in Rn. 386 des angefochtenen Urteils entgegen dem Vorbringen von Servier nicht umgekehrt hat. Es hat dort lediglich angenommen, dass die Kommission in Ermangelung gegenteiliger Beweise für technische, rechtliche, geschäftliche oder finanzielle Schwierigkeiten die Fähigkeit und die Absicht der Generikahersteller, in den Markt einzutreten, und damit ihre wirklichen und konkreten Möglichkeiten, dies zu tun, nachweisen könne, wenn sie ein Bündel von übereinstimmenden Indizien angeführt habe, die zumindest Schritte zur Herstellung und zur Vermarktung des betreffenden Erzeugnisses in so naher Zukunft belegten, dass davon Druck auf den Hersteller des Originalpräparats ausgehe. Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs können im Bereich der Verantwortlichkeit für eine Zuwiderhandlung gegen die Wettbewerbsregeln die tatsächlichen Gesichtspunkte, auf die sich eine Partei beruft, die andere Partei aber zu einer Erläuterung oder Rechtfertigung zwingen, da sonst der Schluss zulässig ist, dass den Anforderungen an die Beweislast genügt wurde (Urteile vom 1. Juli 2010, Knauf Gips/Kommission, C‑407/08 P, EU:C:2010:389, Rn. 80, und vom 25. März 2021, Lundbeck/Kommission, C‑591/16 P, EU:C:2021:243, Rn. 79).

124    Demnach obliegt es, wenn die Kommission anhand eines Bündels übereinstimmender Indizien nachweist, dass zwei Unternehmen potenzielle Wettbewerber sind, ohne etwaige Beweise des Gegenteils außer Acht zu lassen, von denen sie im Rahmen ihrer Ermittlungen, bei denen sie nicht nur die zur Belastung, sondern auch die zur Entlastung dienenden Umstände ermittelt hat, tatsächlich Kenntnis erlangt hat, insbesondere Beweise für etwaige Hindernisse für einen Markteintritt, diesen Unternehmen, zu widerlegen, dass sie potenzielle Wettbewerber sind, indem sie den Gegenbeweis erbringen, was sie im Verwaltungsverfahren oder auch erstmals im Rahmen der Klage tun können (vgl. zu diesem letzten Punkt Urteil vom 21. Januar 2016, Galp Energía España u. a./Kommission, C‑603/13 P, EU:C:2016:38, Rn. 72). Eine solche Beweislast stellt weder eine ungerechtfertigte Umkehrung der Beweislast noch eine probatio diabolica dar. Denn die Unternehmen brauchen nur Beweise für eine positive Tatsache beizubringen, nämlich für technische, rechtliche, geschäftliche oder finanzielle Schwierigkeiten, die ihrer Auffassung nach unüberwindliche Hindernisse für einen Markteintritt eines von ihnen darstellen. Ist dieser Beweis erbracht, hat die Kommission zu prüfen, ob ihre Feststellungen zum Vorliegen von potenziellem Wettbewerb dadurch entkräftet werden.

125    Hätte hingegen die Kommission – negativ – nachzuweisen, dass es keine solchen Schwierigkeiten und damit auch keine – irgendwie gearteten – unüberwindlichen Schranken für den Eintritt eines der Unternehmen in den Markt gibt, würde eine solche Beweislast für sie eine probatio diabolica darstellen. Im Übrigen hat das Gericht in Rn. 386 des angefochtenen Urteils zu Recht darauf hingewiesen, dass es sich bei den Beweisen für potenziellen Wettbewerb oft um interne Daten der betreffenden Unternehmen handelt, die für diese am besten zugänglich sind.

126    Ebenso kann nicht angenommen werden, dass die oben in Rn. 124 dargestellte Beweislast deshalb gegen den Grundsatz der guten Verwaltung verstieße, weil sie darauf hinausliefe, vom Hersteller des Originalpräparats zu verlangen, dass er zu seiner Verteidigung Beweise vorlegt, die sich nicht in seinem Besitz, sondern im Besitz der Generikahersteller befinden. Dabei wird nämlich das Recht auf Akteneinsicht in Wettbewerbssachen außer Acht gelassen, das dazu dient, es den Adressaten der Mitteilung der Beschwerdepunkte, damit sie sich verteidigen können, zu ermöglichen, bereits im Verwaltungsverfahren Kenntnis von den Beweisen zu erlangen, die sich in den Akten der Kommission befinden. Das Recht auf Akteneinsicht bedeutet, dass die Kommission dem betroffenen Unternehmen die Möglichkeit geben muss, alle Schriftstücke in den Ermittlungsakten zu prüfen, die möglicherweise für seine Verteidigung erheblich sind. Dazu gehören sowohl belastende als auch entlastende Schriftstücke mit Ausnahme von Geschäftsgeheimnissen anderer Unternehmen, internen Schriftstücken der Kommission und anderen vertraulichen Informationen (Urteil vom 14. Mai 2020, NKT Verwaltungs und NKT/Kommission, C‑607/18 P, EU:C:2020:385, Rn. 261 und 262 sowie die dort angeführte Rechtsprechung). Die Beweise, von denen die Kommission im Verwaltungsverfahren Kenntnis hat – auch die von den Generikaherstellern vorgelegten, die möglicherweise entlastend sind –, müssen sich also allesamt in den Akten befinden, zu denen der Hersteller des Originalpräparats grundsätzlich Zugang hat, so dass er die Möglichkeit hat, eventuelle unüberwindliche Hindernisse auf Seiten der Generikahersteller, wenn es solche gibt, festzustellen und sich darauf im Verwaltungsverfahren oder im Verfahren vor dem Gericht zu berufen.

127    Der dritte Teil des zweiten Rechtsmittelgrundes ist daher zurückzuweisen, und damit der zweite Rechtsmittelgrund insgesamt.

c)      Zu den Kriterien für die Einstufung als bezweckte Einschränkung des Wettbewerbs (erster Rechtsmittelgrund)

1)      Vorbringen der Parteien

128    Mit dem ersten Rechtsmittelgrund wendet sich Servier gegen die Kriterien, anhand deren das Gericht angenommen hat, dass die streitigen Vergleiche bezweckte Einschränkungen des Wettbewerbs dargestellt hätten. Der erste Rechtsmittelgrund besteht aus drei Teilen.

129    Mit dem ersten Teil des ersten Rechtsmittelgrundes macht Servier geltend, dass nach den Schlussanträgen des Generalanwalts Wahl in der Rechtssache CB/Kommission (C‑67/13 P, EU:C:2014:1958, Rn. 56) unter den Begriff der bezweckten Einschränkung des Wettbewerbs, der eng auszulegen sei, nur Verhaltensweisen fielen, bei denen aufgrund gesicherter Erfahrung und wirtschaftswissenschaftlicher Erkenntnisse feststehe und leicht erkennbar sei, dass sie den Wettbewerb beeinträchtigten.

130    Zum Zeitpunkt des Erlasses des streitigen Beschlusses habe es eine solche gesicherte Erfahrung aber nicht gegeben. Es habe sich bei der vorliegenden Sache nämlich um einen bislang nicht da gewesenen Fall gehandelt. Es habe keine früheren Entscheidungen der Kommission oder der Unionsgerichte gegeben. Das Urteil vom 20. November 2008, Beef Industry Development Society und Barry Brothers (C‑209/07, EU:C:2008:643), sei, da es keinen Vergleich zur gütlichen Beilegung von Rechtsstreitigkeiten über Arzneimittelpatente betreffe, nicht einschlägig. Das Vorabentscheidungsersuchen, auf das hin das Urteil vom 30. Januar 2020, Generics (UK) u. a. (C‑307/18, EU:C:2020:52), ergangen sei, zeige, dass bei solchen Vergleichen die Einstufung als bezweckte Einschränkung des Wettbewerbs nach wie vor ungewiss und umstritten sei. Die vorliegende Rechtssache unterscheide sich auch von der einen späteren Sachverhalt betreffenden Rechtssache, in der das Urteil vom 25. März 2021, Lundbeck/Kommission (C‑591/16 P, EU:C:2021:243), ergangen sei und in der die betreffenden Vereinbarungen nicht wirklich dazu gedient hätten, einen Rechtsstreit beizulegen.

131    Servier macht außerdem geltend, dass die ihr zur Last gelegten Zuwiderhandlungen gegen Art. 101 Abs. 1 AEUV nicht leicht erkennbar gewesen seien. Die Kommission, das Gericht, die Rechtsprechung der Gerichte der Vereinigten Staaten von Amerika und die Lehre vor dem Erlass des streitigen Beschlusses würden anerkennen, dass ein Vergleich zur gütlichen Beilegung von Rechtsstreitigkeiten über Arzneimittelpatente an sich nicht wettbewerbswidrig sei. Die Kommission habe für ihre entsprechenden Erwägungen Hunderte von Seiten gebraucht.

132    Mit dem zweiten Teil des ersten Rechtsmittelgrundes macht Servier, unterstützt durch die EFPIA, geltend, dass das Gericht zu Unrecht keine Konsequenzen aus dem in Rn. 304 des angefochtenen Urteils und in Nr. 56 der Schlussanträge des Generalanwalts Wahl in der Rechtssache CB/Kommission (C‑67/13 P, EU:C:2014:1958) genannten Grundsatz gezogen habe, dass Vereinbarungen, die ambivalente potenzielle Wirkungen auf den Markt hätten oder für die Verfolgung eines nicht wettbewerbsbeschränkenden Hauptziels notwendig seien, nicht unter den Begriff der bezweckten Einschränkung des Wettbewerbs fielen.

133    Vereinbarungen, mit denen ein Patentrechtsstreit beigelegt werde, ohne dass über den Geltungsbereich des Patents hinausgegangen werde, seien legitim und entsprächen dem öffentlichen Interesse. Zwar hätten drei der zehn Unternehmen, die beim EPA Widerspruch gegen das Patent EP1296947 eingelegt hätten, ihren Widerspruch, nachdem sie mit ihr einen Vergleich geschlossen hätten, zurückgenommen. Da das Verfahren fortgesetzt worden sei, habe dies aber keine Auswirkungen gehabt. Im Übrigen hätten von den streitigen Vergleichen der Vergleich Servier/Teva und der Vergleich Servier/Lupin die wettbewerbsfördernde Wirkung haben können, dass nicht Patent verletzende Generika früher in den Markt eintreten würden.

134    Mit dem dritten Teil des ersten Rechtsmittelgrundes macht Servier geltend, dass das Gericht den wirtschaftlichen und rechtlichen Zusammenhang der streitigen Vergleiche nicht berücksichtigt habe. Das Gericht habe sich in Rn. 272 des angefochtenen Urteils auf die Feststellung beschränkt, dass eine Vereinbarung als bezweckte Einschränkung des Wettbewerbs einzustufen sei, wenn sie zum einen eine Zahlung oder einen Vorteil, der für den Generikahersteller einen Anreiz darstelle, vorsehe und Bestimmungen über die Nichtanfechtung und das Nichtinverkehrbringen enthalte und zum anderen von Unternehmen geschlossen werde, die potenzielle Wettbewerber seien, wobei der Begriff des potenziellen Wettbewerbs weit gefasst worden sei.

135    Servier weist vorab darauf hin, dass nicht jede Vereinbarung, mit der die geschäftliche Freiheit eines Wettbewerbers eingeschränkt werde, unbedingt den Wettbewerb einschränke. Die Einstufung als bezweckte Einschränkung des Wettbewerbs sei ausgeschlossen, wenn die Einschränkung ein Nebeneffekt einer legitimen Vereinbarung sei, insbesondere wenn es sich um Bestimmungen über die Nichtanfechtung handele, die in einem Vergleich zur gütlichen Beilegung von Patentrechtsstreitigkeiten vorgesehen seien. Servier beruft sich insoweit auf Rn. 209 der Leitlinien zu Technologietransfer-Vereinbarungen von 2004.

136    Als Erstes macht Servier geltend, dass das Gericht in den Rn. 269 bis 271 des angefochtenen Urteils rechtsfehlerhaft angenommen habe, dass ein Vergleich bei Vorliegen einer sogenannten „umgekehrten“ Zahlung, d. h. einer Zahlung des Herstellers des Originalpräparats an den Generikahersteller, mit der dieser dazu bewogen werden solle, den Vergleich zu schließen, als bezweckte Einschränkung des Wettbewerbs eingestuft werden könne. Wegen der allzu hohen Abstraktheit dieser Erwägung habe das Gericht die Besonderheiten und die tatsächlichen, konkreten Wirkungen der streitigen Vergleiche außer Acht gelassen.

137    Im vorliegenden Fall zeigten die relevanten Gesichtspunkte des Kontexts, dass der Eintritt von Generikaherstellern in den Markt für Perindopril nicht durch die streitigen Vergleiche, sondern durch das Patent EP1296947 verzögert worden sei. Alle Generikahersteller, die Widerspruch gegen das Patent eingelegt hätten, seien gezwungen gewesen, mit dem Markteintritt bis zum Ablauf des Patents zu warten.

138    Das Gericht habe, nachdem es die Wirkungen der Vereinbarungen Servier/Krka und die Anerkennung der Gültigkeit des Patents EP1296947 durch Krka berücksichtigt habe, entschieden, dass diese Vereinbarungen keine Zuwiderhandlung gegen Art. 101 Abs. 1 AEUV dargestellt hätten. Es habe somit bestätigt, dass die Bestimmungen über die Nichtanfechtung und das Nichtinverkehrbringen den Wettbewerb an sich nicht beeinträchtigten.

139    Als Zweites macht Servier geltend, dass eine umgekehrte Zahlung, anders als das Gericht in Rn. 267 des angefochtenen Urteils angenommen habe, an sich nicht wettbewerbswidrig sei. Sie lasse sich unter Umständen durch die Stärke des betreffenden Patents erklären. Denn ein starkes Patent stelle für die Generikahersteller einen Anreiz dar, einen Vergleich zu schließen. Nach der durch das Urteil vom 25. Februar 1986, Windsurfing International/Kommission (193/83, EU:C:1986:75, Rn. 26), begründeten Rechtsprechung hätte das Gericht einen solchen objektiven Umstand berücksichtigen müssen. Im vorliegenden Fall sei die Stärke des Patents EP1296947 in der Entscheidung des EPA vom 27. Juli 2006 anerkannt worden. Sie sei auch vom High Court of Justice (England & Wales), Chancery Division (patents court) (Hoher Gerichtshof [England und Wales], Chancery-Abteilung [Patentkammer]), anerkannt worden, der gegen Apotex und Krka einstweilige Verfügungen erlassen habe. Indem es entschieden habe, dass diese „einer der Faktoren“ gewesen seien, die zu den Vereinbarungen Servier/Krka geführt hätten, habe das Gericht dies in Rn. 971 des angefochtenen Urteils auch berücksichtigt.

140    Indem es in Rn. 280 des angefochtenen Urteils angenommen habe, dass vermutet werden könne, dass mit einem Vergleich ein wettbewerbswidriger Zweck verfolgt werde, wenn die Zahlung die Kosten, die dem Vergleich zur gütlichen Beilegung von Patentrechtsstreitigkeiten inhärent seien, übersteige, ohne dass die Kommission nachweisen müsse, dass diese Kosten zumindest den vom Generikahersteller erwarteten Gewinnen entsprächen, habe das Gericht den Begriff der bezweckten Einschränkung des Wettbewerbs zu weit ausgelegt. Eine derart weite Auslegung sei nicht nur nicht mit den von der Rechtsprechung anerkannten Grundsätzen zu vereinbaren. Sie laufe auch darauf hinaus, die Kommission von der Pflicht zum Nachweis der behaupteten Zuwiderhandlung zu befreien.

141    Die Kommission tritt diesem Vorbringen entgegen. Sie wird hierbei vom Vereinigten Königreich unterstützt.

2)      Würdigung durch den Gerichtshof

142    Was die Kriterien für die Einstufung eines Vergleichs zur gütlichen Beilegung von Patentrechtsstreitigkeiten als bezweckte Einschränkung des Wettbewerbs angeht, macht Servier mit den drei Teilen ihres ersten Rechtsmittelgrundes – es bietet sich an, diese drei Teile zusammen zu prüfen – im Wesentlichen geltend, dass nur Vereinbarungen, bei denen feststehe und leicht erkennbar sei, dass sie den Wettbewerb beeinträchtigten, als bezweckte Einschränkung des Wettbewerbs eingestuft werden könnten. Vereinbarungen, bei denen die potenziellen Auswirkungen auf den Markt ambivalent seien oder die für die Verfolgung eines den Wettbewerb nicht einschränkenden Hauptziels notwendig seien, könnten hingegen nicht als bezweckte Einschränkung des Wettbewerbs eingestuft werden. Servier meint, das Gericht habe diese Kriterien rechtsfehlerhaft nicht angewandt.

143    Nach den oben in den Rn. 69 bis 77 dargestellten Kriterien für die Einstufung einer Vereinbarung zwischen Unternehmen als bezweckte Einschränkung des Wettbewerbs im Sinne von Art. 101 Abs. 1 AEUV ist dieses Vorbringen zurückzuweisen.

144    Servier macht zu Unrecht geltend, dass Vergleiche zur gütlichen Beilegung von Patentrechtsstreitigkeiten insbesondere deshalb nicht als bezweckte Einschränkung des Wettbewerbs im Sinne von Art. 101 Abs. 1 AEUV eingestuft werden könnten, weil es insoweit keine frühere Entscheidungspraxis der Kommission gebe. Für die Einstufung einer Vereinbarung als bezweckte Wettbewerbsbeschränkung ist es nämlich nicht erforderlich, dass gleichartige Vereinbarungen bereits von der Kommission geahndet worden sind, selbst wenn die Vereinbarungen in einem spezifischen Kontext wie dem der Rechte des geistigen Eigentums geschlossen wurden. Es kommt allein auf die Wesensmerkmale der Vereinbarung an, aus denen auf eine etwaige besondere Beeinträchtigung des Wettbewerbs zu schließen ist, gegebenenfalls nach eingehender Prüfung der Vereinbarung, ihrer Ziele sowie ihres wirtschaftlichen und rechtlichen Zusammenhangs (Urteile vom 25. März 2021, Sun Pharmaceutical Industries und Ranbaxy [UK]/Kommission, C‑586/16 P, EU:C:2021:241, Rn. 85 bis 87, und vom 25. März 2021, Lundbeck/Kommission, C‑591/16 P, EU:C:2021:243, Rn. 130 und 131).

145    Ebenso macht Servier zu Unrecht geltend, dass das Gericht nicht berücksichtigt habe, welche positiven oder zumindest ambivalenten Wirkungen auf den Wettbewerb die streitigen Vergleiche hätten haben können. Nach der oben in den Rn. 76 und 77 dargestellten Rechtsprechung ist es für die Beurteilung der Frage, ob die streitigen Vergleiche als bezweckte Einschränkung des Wettbewerbs eingestuft werden können, nicht erforderlich, zu prüfen, welche Wirkungen sie hatten. Dieser Gesichtspunkt ist nicht einmal relevant.

146    Außerdem hat das Gericht im vorliegenden Fall in den Rn. 219 bis 222 des angefochtenen Urteils Regeln und Grundsätze dargestellt, die im Wesentlichen denen entsprechen, die oben in den Rn. 69 bis 77 dargestellt sind. Diese Randnummern des angefochtenen Urteils leiden daher nicht unter einem Rechtsfehler.

147    Soweit sich Servier auf die Rechtsprechung des Gerichtshofs zu akzessorischen Einschränkungen von legitimen Vereinbarungen beruft, ist festzustellen, dass das Gericht in den Rn. 282 bis 291 des angefochtenen Urteils angenommen hat, dass es nicht zu beanstanden sei, dass die Kommission nicht geprüft habe, ob diese Rechtsprechung heranzuziehen sei.

148    Fällt eine bestimmte Maßnahme oder Tätigkeit wegen ihrer Neutralität – in dem Sinne, dass sie den Wettbewerb nicht einschränkt – nicht unter das grundsätzliche Verbot des Art. 101 Abs. 1 AEUV, fällt auch eine akzessorische Einschränkung der geschäftlichen Selbständigkeit eines oder mehrerer an der Maßnahme oder Tätigkeit Beteiligten nicht darunter, wenn sie für die Durchführung der Maßnahme oder Tätigkeit objektiv notwendig ist und zu den Zielen der Maßnahme oder Tätigkeit in einem angemessenen Verhältnis steht (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 11. September 2014, MasterCard u. a./Kommission, C‑382/12 P, EU:C:2014:2201, Rn. 89 und die dort angeführte Rechtsprechung).

149    Kann eine solche Beschränkung nämlich nicht von der Hauptmaßnahme oder Haupttätigkeit unterschieden werden, ohne deren Bestehen oder Ziele zu gefährden, muss die Vereinbarkeit dieser Beschränkung mit Art. 101 AEUV zusammen mit der Vereinbarkeit der Hauptmaßnahme oder Haupttätigkeit, zu der sie eine Nebenabrede bildet, untersucht werden, und dies auch dann, wenn die Beschränkung als solche auf den ersten Blick unter das grundsätzliche Verbot des Art. 101 Abs. 1 AEUV zu fallen scheint (Urteil vom 23. Januar 2018, F. Hoffmann-La Roche u. a., C‑179/16, EU:C:2018:25, Rn. 70).

150    Bei der Prüfung, ob eine Einschränkung dem Verbot des Art. 101 Abs. 1 AEUV entgehen kann, weil sie eine Nebenabrede zu einer Hauptmaßnahme bildet, die keinen wettbewerbswidrigen Charakter hat, muss ermittelt werden, ob die Durchführung dieser Maßnahme ohne die fragliche Beschränkung unmöglich wäre. Der Umstand, dass die Maßnahme ohne die Einschränkung nur schwerer durchführbar oder weniger rentabel wäre, verleiht dieser Einschränkung nicht den für ihre Qualifizierung als Nebenabrede erforderlichen Charakter einer objektiv notwendigen Einschränkung. Eine solche Auslegung würde nämlich darauf hinauslaufen, diesen Begriff auf Einschränkungen auszudehnen, die für die Durchführung der Hauptmaßnahme nicht strikt unerlässlich sind. Dieses Ergebnis würde die praktische Wirksamkeit des in Art. 101 Abs. 1 AEUV ausgesprochenen Verbots beeinträchtigen (Urteil vom 23. Januar 2018, F. Hoffmann-La Roche u. a., C‑179/16, EU:C:2018:25, Rn. 71).

151    Im vorliegenden Fall hat das Gericht in Rn. 291 des angefochtenen Urteils angenommen, dass die durch die in den streitigen Vergleichen enthaltenen Bestimmungen über die Nichtanfechtung und das Nichtinverkehrbringen bedingten Einschränkungen des Wettbewerbs nicht auf der Anerkennung der Gültigkeit der Patente von Servier beruht hätten, sondern auf einer von Servier vorgenommenen Wertübertragung an den betreffenden Generikahersteller, die diesen dazu bewogen habe, auf Servier keinen Wettbewerbsdruck mehr auszuüben. Entsprechend hat es die Anwendung der oben in Rn. 148 dargestellten Rechtsprechung mit der Begründung abgelehnt, dass die streitigen Vergleiche bezweckte Einschränkungen des Wettbewerbs dargestellt hätten, die nicht als Maßnahmen angesehen werden könnten, die wegen ihrer Neutralität im Hinblick auf den Wettbewerb „nicht wettbewerbswidrig“ wären. Außerdem hat es angenommen, dass die Bestimmungen über die Nichtanfechtung und das Nichtinverkehrbringen notwendige Nebenabreden nur eines auf der Anerkennung der Gültigkeit des betreffenden Patents durch die Vertragsparteien beruhenden Vergleichs sein könnten, was im vorliegenden Fall nicht der Fall sei. Das Gericht hat in Rn. 291 des angefochtenen Urteils mithin zu Recht festgestellt, dass nicht zu beanstanden sei, dass die Kommission nicht geprüft habe, ob die genannte Rechtsprechung über akzessorische Einschränkungen anwendbar sei.

152    In den Rn. 296 bis 307 des angefochtenen Urteils geht das Gericht auf das Vorbringen von Servier ein, dass die streitigen Vergleiche nicht als bezweckte Einschränkungen des Wettbewerbs eingestuft werden könnten, weil ihre Wirkungen auf den Wettbewerb wesensbedingt ambivalent seien.

153    Insoweit hat das Gericht in Rn. 304 des angefochtenen Urteils angenommen, dass die Kommission und die Gerichte bei der Prüfung der Frage, ob eine Vereinbarung eine Einschränkung des Wettbewerbs bezweckt, insbesondere im Rahmen der Berücksichtigung von deren wirtschaftlichem und rechtlichem Kontext die potenziellen Wirkungen der Vereinbarung nicht völlig außer Betracht lassen dürften, so dass Vereinbarungen, die angesichts ihres Kontexts ambivalente potenzielle Auswirkungen auf den Markt hätten, nicht als bezweckte Einschränkungen des Wettbewerbs angesehen werden könnten.

154    Diese Ausführungen des Gerichts sind nicht mit der oben in den Rn. 73, 76 und 77 dargestellten Rechtsprechung zu vereinbaren, wonach bei als bezweckte Einschränkungen des Wettbewerbs eingestuften Verhaltensweisen nicht zu prüfen und schon gar nicht nachzuweisen ist, welche Wirkungen sie auf den Wettbewerb haben, unabhängig davon, ob es sich um tatsächliche oder potenzielle, negative oder positive handelt.

155    Aufgrund dieses Rechtsfehlers hat das Gericht in den Rn. 305 und 306 des angefochtenen Urteils entschieden, über das Vorbringen von Servier zu den ambivalenten Wirkungen der streitigen Vergleiche im Rahmen der Prüfung der zu den einzelnen Vergleichen geltend gemachten Klagegründe zu entscheiden. Ohne der noch folgenden Prüfung des Vorbringens von Servier zu den einzelnen Vergleichen im Rahmen des dritten, vierten und fünften Rechtsmittelgrundes vorzugreifen, ist aber festzustellen, dass sich dieser Rechtsfehler im Prinzip nicht auf die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Urteils ausgewirkt hat. Denn das Gericht hat die Argumente, die Servier im ersten Rechtszug zu den angeblichen wettbewerbsfördernden oder ambivalenten Wirkungen der streitigen Vergleiche vorgebracht hat, jedenfalls allesamt aus anderen Gründen zurückgewiesen.

156    Servier macht insoweit im Wesentlichen geltend, dass das Gericht es abgelehnt habe, zu berücksichtigen, dass mit den streitigen Vergleichen nicht das Ziel verfolgt worden sei, den Wettbewerb zu beeinträchtigen, sondern die Rechtsstreitigkeiten zwischen ihr und den Generikaherstellern, da diese die Stärke des Patents EP1296947 anerkannt hätten, beizulegen. Mit dem Vergleich Servier/Lupin sei darüber hinaus das Ziel eines vorzeitigen Markteintritts von Lupin verfolgt worden, und mit dem Vergleich Servier/Teva sei im Wesentlichen das Ziel verfolgt worden, Teva mit Perindopril zu beliefern. Das Gericht habe aber berücksichtigt, dass Krka die Gültigkeit des Patents EP1296947 anerkannt habe, und angenommen, dass die Vereinbarungen Servier/Krka keine Zuwiderhandlung gegen Art. 101 AEUV dargestellt hätten.

157    Wie bereits ausgeführt, sind für die Frage, ob mit Vereinbarungen ein wettbewerbswidriges Ziel verfolgt wird, die objektiven Ziele, die mit den Vereinbarungen in Bezug auf den Wettbewerb erreicht werden sollen, durchaus relevant. Der Umstand, dass die beteiligten Unternehmen ohne die subjektive Absicht, den Wettbewerb zu verhindern, einzuschränken oder zu verfälschen, gehandelt haben, und der Umstand, dass sie bestimmte legitime Zwecke verfolgt haben, sind für die Anwendung von Art. 101 Abs. 1 AEUV aber nicht entscheidend (Urteil vom 21. Dezember 2023, European Superleague Company, C‑333/21, EU:C:2023:1011, Rn. 167 und die dort angeführte Rechtsprechung). Die Verfolgung einer Geschäftsstrategie, die darin besteht, dass Unternehmen, die auf derselben Stufe der Produktionskette tätig sind, solche Vereinbarungen untereinander aushandeln, um einen Rechtsstreit über die Gültigkeit eines Patents beizulegen, ist nicht bereits deshalb wettbewerbsrechtlich zulässig, weil sie aus Sicht dieser Unternehmen wirtschaftlich vernünftig ist.

158    Das Vorbringen von Servier, dass zwischen den Ausführungen des Gerichts zu den streitigen Vergleichen und denen zu den Vereinbarungen Servier/Krka ein Widerspruch bestehe, ist aus den oben in den Rn. 114 bis 117 genannten Gründen zurückzuweisen. In den Rn. 442 bis 474 des Urteils, das heute in der Rechtssache Kommission/Servier u. a. (C‑176/19 P) ergeht, hat der Gerichtshof, nachdem er dem Rechtsmittel der Kommission teilweise stattgegeben hat, das Vorbringen von Servier, dass die Kommission den Vergleich und die Lizenzvereinbarung Servier/Krka zu Unrecht als bezweckte Einschränkungen des Wettbewerbs eingestuft habe, nämlich endgültig zurückgewiesen. Da der behauptete Widerspruch nicht besteht, ist die entsprechende Rüge zurückzuweisen.

159    Zu der Bedeutung, die den umgekehrten Zahlungen bei der Einstufung von Vergleichen zur gütlichen Beilegung von Patentrechtsstreitigkeiten als bezweckte Einschränkung des Wettbewerbs beizumessen ist, hat das Gericht im Wesentlichen ausgeführt, dass solche Vergleiche wegen den Wettbewerb einschränkender Bestimmungen wie Bestimmungen über die Nichtanfechtung und das Nichtinverkehrbringen, wenn damit eine umgekehrte Zahlung einhergehe, als bezweckte Einschränkungen des Wettbewerbs eingestuft werden könnten, wenn die umgekehrte Zahlung nicht durch eine andere Gegenleistung gerechtfertigt sei als die, dass sich der Generikahersteller dazu verpflichte, darauf zu verzichten, mit dem Hersteller des Originalpräparats, der Inhaber des oder der betreffenden Patente sei, in Wettbewerb zu treten (angefochtenes Urteil, Rn. 256 bis 273).

160    Um festzustellen, ob diese Voraussetzung erfüllt sei, sei zu prüfen, ob die umgekehrte Zahlung dazu diene, die dem Vergleich inhärenten Kosten des Generikaherstellers zu decken. Zu diesen Kosten gehörten insbesondere die Kosten, die im Rahmen der Rechtsstreitigkeiten entstanden seien, auf die sich der Vergleich beziehe, sofern sie von den Vertragsparteien nachgewiesen seien und nicht außer Verhältnis zu den Kosten stünden, die objektiv für das Gerichtsverfahren unerlässlich seien. Nicht zu diesen Kosten gehörten hingegen der Wert des Bestands an Patent verletzenden Arzneimitteln und die entsprechenden Aufwendungen für Forschung und Entwicklung. Dasselbe gelte grundsätzlich für insbesondere wegen der Kündigung von Verträgen, die der Generikahersteller mit Dritten geschlossen habe, als Schadensersatz geschuldete Beträge (angefochtenes Urteil, Rn. 277 bis 280).

161    Mit dem oben in den Rn. 139 und 140 zusammengefassten Vorbringen wendet sich Servier gegen diese Ausführungen des Gerichts. Servier meint, das Gericht gehe letztlich davon aus, dass jede Zahlung, die über die dem Vergleich inhärenten Kosten hinausgehe, eine umgekehrte Zahlung darstelle, und zwar auch dann, wenn sie niedriger sei als die Gewinne, die der Generikahersteller mit seinem Markteintritt voraussichtlich hätte erzielen können.

162    Außerdem habe das Gericht in Rn. 280 des angefochtenen Urteils rechtsfehlerhaft angenommen, dass die Beträge, die der Generikahersteller möglicherweise wegen des Schadens, der Dritten dadurch entstanden sei, dass er sich dafür entschieden habe, von dem Inverkehrbringen des Generikums, das Gegenstand des betreffenden Rechtsstreits war, abzusehen, an diese Dritten zu zahlen habe, grundsätzlich nicht zu den dem Vergleich zur gütlichen Beilegung von Patentrechtsstreitigkeiten inhärenten Kosten gehörten.

163    Nach der Rechtsprechung kann ein Generikahersteller nach Einschätzung seiner Erfolgsaussichten in dem Rechtsstreit zwischen ihm und dem Hersteller des betreffenden Originalpräparats durchaus beschließen, vom Eintritt in den betreffenden Markt abzusehen und mit dem Hersteller des Originalpräparats einen Vergleich zu schließen. Eine solche Vereinbarung kann nicht generell als bezweckte Einschränkung des Wettbewerbs im Sinne von Art. 101 Abs. 1 AEUV angesehen werden. Dass im Rahmen der Vereinbarung Werte vom Hersteller des Originalpräparats auf den Generikahersteller übertragen werden, genügt nicht, um die Vereinbarung als bezweckte Einschränkung des Wettbewerbs einzustufen. Solche Wertübertragungen können nämlich durchaus gerechtfertigt sein. Dies kann dann der Fall sein, wenn der Generikahersteller vom Hersteller des Originalpräparats Beträge erhält, mit denen tatsächlich Kosten oder Unannehmlichkeiten im Zusammenhang mit dem Rechtsstreit zwischen ihnen ausgeglichen werden oder mit denen die tatsächliche Lieferung von Waren oder Dienstleistungen an den Hersteller des Originalpräparats vergütet wird (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 30. Januar 2020, Generics [UK] u. a., C‑307/18, EU:C:2020:52, Rn. 84 bis 86).

164    Gehen mit einem zwischen einem Generikahersteller und dem Hersteller des Originalpräparats und Inhaber eines Patents geschlossenen Vergleich zur gütlichen Beilegung eines Rechtsstreits über die Gültigkeit des Patents Wertübertragungen durch den Hersteller des Originalpräparats an den Generikahersteller einher, ist demnach in einem ersten Schritt zu prüfen, ob der positive Nettosaldo der Wertübertragungen in vollem Umfang durch die Erforderlichkeit des Ausgleichs der Kosten oder Unannehmlichkeiten im Zusammenhang mit dem Rechtsstreit – wie etwa die Auslagen und Vergütungen der Rechtsanwälte des Generikaherstellers – oder die Erforderlichkeit der Vergütung von Waren oder Dienstleistungen, die der Generikahersteller nachweislich tatsächlich an den Hersteller des Originalpräparats geliefert bzw. ihm gegenüber erbracht hat, gerechtfertigt sein kann (siehe oben, Rn. 163; vgl. in diesem Sinne Urteil vom 30. Januar 2020, Generics [UK] u. a., C‑307/18, EU:C:2020:52, Rn. 92). Bei einem Vergleich zur gütlichen Beilegung eines Rechtsstreits erkennt der Generikahersteller nämlich zwangsläufig die Gültigkeit des betreffenden Patents an, weil er darauf verzichtet, es anzugreifen. Als sogenannte „umgekehrte“ Zahlung des Herstellers des Originalpräparats an den Generikahersteller kann mithin allein die Übernahme solcher Kosten oder die Vergütung solcher gelieferten Waren oder erbrachten Dienstleistungen als im Hinblick auf die Anerkennung der Gültigkeit des Patents nachvollziehbar und damit wettbewerbsrechtlich gerechtfertigt angesehen werden.

165    Ist der positive Nettosaldo der Wertübertragungen nicht in vollem Umfang durch die Erforderlichkeit des Ausgleichs der Kosten oder Unannehmlichkeiten im Zusammenhang mit dem Rechtsstreit oder die Erforderlichkeit der Vergütung von Waren oder Dienstleistungen, die der Generikahersteller nachweislich tatsächlich an den Hersteller des Originalpräparats geliefert bzw. ihm gegenüber erbracht hat, gerechtfertigt, ist in einem zweiten Schritt zu bestimmen, ob sich die Wertübertragungen, ohne eine solche Rechtfertigung, allein durch das geschäftliche Interesse des Herstellers des Originalpräparats und des Generikaherstellers an der Vermeidung von Leistungswettbewerb erklären lassen. Hierzu ist zu prüfen, ob der positive Nettosaldo – einschließlich etwaiger gerechtfertigter Kosten – hoch genug ist, um den Generikahersteller tatsächlich dazu bewegen zu können, von einem Eintritt in den betreffenden Markt abzusehen, wobei der positive Nettosaldo nicht unbedingt höher sein muss als die Gewinne, die der Generikahersteller erzielt hätte, wenn er im Patentrechtsstreit obsiegt hätte (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 30. Januar 2020, Generics [UK] u. a., C‑307/18, EU:C:2020:52, Rn. 87 bis 94).

166    Die Annahme des Gerichts in den Rn. 277 bis 280 des angefochtenen Urteils, dass es, sofern die Prozesskosten, die einem Generikahersteller in einem durch einen Vergleich gütlich beigelegten Rechtsstreit mit Servier entstanden seien, nicht übermäßig hoch, also unverhältnismäßig gewesen seien, gerechtfertigt gewesen sei, dass Servier diese Kosten übernommen habe, weil sie dem Vergleich „inhärent“ gewesen seien, bei anderen, in Bezug auf den Rechtsstreit und dessen gütliche Beilegung „externen“ Kosten aber nicht davon ausgegangen werden könne, dass sie dem Rechtsstreit und dessen gütlicher Beilegung „inhärent“ gewesen seien, ist daher nicht zu beanstanden. Dem Gericht ist insoweit kein Rechtsfehler unterlaufen. Die Verfolgung eines solchen Ansatzes, bei dem berücksichtigt wird, unter welchen Voraussetzungen die sogenannte umgekehrte Zahlung gerechtfertigt ist und somit festgestellt werden kann, dass keine einen Anreiz darstellende Wertübertragung erfolgt ist, entspricht nämlich im Wesentlichen dem Ansatz der oben in den Rn. 163 und 164 dargestellten Rechtsprechung.

167    Speziell zu der Übernahme durch den Hersteller des Originalpräparats der Beträge, die der Generikahersteller gegebenenfalls an Dritte als Schadensersatz zu zahlen hat, ist festzustellen, dass eine solche Zahlung – wie die Generalanwältin in Nr. 159 ihrer Schlussanträge in dem die Situation von Niche betreffenden Abschnitt ausgeführt hat – nicht die unmittelbare Folge des Willens der Arzneimittelhersteller ist, zwischen ihnen ausgetragene Patentrechtsstreitigkeiten gütlich beizulegen, sondern die unmittelbare Folge des Verzichts des Generikaherstellers auf den Eintritt in den Markt für das betreffende Medikament. Die Feststellung des Gerichts in Rn. 280 des angefochtenen Urteils, dass bei der Erstattung solcher als Schadensersatz gezahlten Beträge nicht davon ausgegangen werden könne, dass sie einem Vergleich wie den streitigen Vergleichen inhärent wären, ist daher nicht zu beanstanden. Dem Gericht ist insoweit kein Rechtsfehler unterlaufen.

168    Entgegen dem Vorbringen von Servier hat das Gericht in Rn. 280 des angefochtenen Urteils somit auch keine Beweislastumkehr vorgenommen. Das Gericht hat in Rn. 280 des angefochtenen Urteils – unabhängig davon, wie diese formuliert ist – im Wesentlichen lediglich angenommen, dass Beträge, die der Generikahersteller wegen seiner Entscheidung, vom Eintritt in den betreffenden Markt abzusehen, gegebenenfalls Dritten als Schadensersatz schulde, wenn sie vom Hersteller des Originalpräparats übernommen würden, zu den Wertübertragungen an den Generikahersteller zählten, deren positiver Nettosaldo zu prüfen sei. Indem es in Rn. 280 des angefochtenen Urteils angenommen hat, dass, „[w]enn die Parteien der Vereinbarung wollen, dass die Zahlung dieser Kosten nicht als Anreiz und als Indiz für das Bestehen einer bezweckten Wettbewerbsbeschränkung eingestuft wird, … es ihre Sache [ist], darzutun, dass diese Kosten dem Rechtsstreit oder seiner Beilegung inhärent sind, und sodann ihre Höhe zu rechtfertigen“, hat das Gericht die Regeln über die Verteilung der Beweislast (siehe oben, Rn. 123) richtig angewandt.

169    Somit ist der erste Rechtsmittelgrund, da sich der Rechtsfehler, unter dem Rn. 304 des angefochtenen Urteils leidet – vorbehaltlich der oben in Rn. 155 im Rahmen des dritten, des vierten und des fünften Rechtsmittelgrundes angestellten Erwägungen –, nicht auf die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Urteils ausgewirkt hat, zurückzuweisen.

C.      Zum dritten und zum sechsten Rechtsmittelgrund (Vergleiche Servier/Niche und Servier/Matrix)

1.      Zum dritten Rechtsmittelgrund

170    Mit dem dritten Rechtsmittelgrund wendet sich Servier gegen die Ausführungen des Gerichts zur Anwendung von Art. 101 Abs. 1 AEUV auf die Vergleiche Servier/Niche und Servier/Matrix. Der dritte Rechtsmittelgrund besteht aus zwei Teilen.

a)      Zum ersten Teil des dritten Rechtsmittelgrundes (potenzieller Wettbewerb)

1)      Vorbringen der Parteien

171    Mit dem ersten Teil des dritten Rechtsmittelgrundes macht Servier geltend, dass die Annahme des Gerichts, dass Niche und Matrix potenzielle Wettbewerber von ihr gewesen seien, in mehrerer Hinsicht rechtsfehlerhaft sei.

172    Mit einer ersten Rüge macht Servier geltend, dass das Gericht die durch die Stärke ihrer Patente bedingten Hindernisse für den Eintritt in den Markt für Perindopril nicht richtig beurteilt habe.

173    Zunächst wiederholt Servier im Wesentlichen ihr Vorbringen im Rahmen des zweiten Rechtsmittelgrundes und macht geltend, dass das Gericht in Rn. 444 des angefochtenen Urteils, indem es entschieden habe, dass allein die gerichtliche Feststellung von Patentverletzungshandlungen ein unüberwindliches Hindernis für den Markteintritt von Niche und Matrix hätte darstellen können, zu Unrecht angenommen habe, dass die Einschätzung dieser durch die Patentsituation bedingten Hindernisse durch Niche und Matrix für die Prüfung der Frage, ob diese Unternehmen in der Lage gewesen seien, in den Markt einzutreten, nicht relevant sei.

174    Außerdem habe das Gericht sowohl den Umstand, dass Kunden von Niche, insbesondere Sandoz, ihre Verträge mit diesem Unternehmen wegen der Gefahr von Patentverletzungen gekündigt hätten, als auch die Versuche von Matrix, eine nicht Patent verletzende Form ihres Perindopril-Generikums zu entwickeln, nicht berücksichtigt. Diese Umstände stellten aber objektive Indizien für durch die Patentsituation bedingte Hindernisse für den Eintritt dieser Unternehmen in den Markt dar.

175    Im Übrigen habe das Gericht nicht geprüft, ob Niche und Matrix wirkliche und konkrete Möglichkeiten gehabt hätten, kurzfristig in den Markt einzutreten. Niche habe die durch die Patentsituation bedingten Hindernisse nicht schnell überwinden können.

176    Ergänzend macht Servier geltend, dass das Gericht in den Rn. 446 und 447 des angefochtenen Urteils mit seiner Feststellung, dass Niche, indem sie an sie herangetreten sei, versucht habe, „den Weg zu ebnen“ und trotz der durch die Patentsituation bedingten Hindernisse in den Markt für Perindopril einzutreten, die Tatsachen verfälscht habe. Niche, die gewusst habe, dass ihr Perindopril Patente verletze, habe in Wirklichkeit einen Rechtsstreit mit ihr verhindern wollen.

177    Mit einer zweiten Rüge macht Servier geltend, dass das Gericht rechtsfehlerhaft festgestellt habe, dass die Schritte, die Niche und Matrix unternommen hätten, für den Nachweis genügten, dass diese Unternehmen kurzfristig in den Markt für Perindopril hätten eintreten können.

178    Erstens habe das Gericht die Fähigkeit, in den Markt einzutreten, mit der entsprechenden Absicht verwechselt. Die Fähigkeit, in den Markt einzutreten hänge davon ab, ob durch die Patentsituation bedingte Hindernisse bestünden. Wie sich aus den Rn. 458 und 476 des angefochtenen Urteils ergebe, genügten Schritte wie Schritte zur Erlangung einer Genehmigung für das Inverkehrbringen für sich genommen hingegen nicht für den Nachweis einer solchen Fähigkeit. Servier verweist insoweit auf ihr Vorbringen im Rahmen des zweiten Teils des zweiten Rechtsmittelgrundes (siehe oben, Rn. 94).

179    Zweitens macht Servier geltend, dass die Kommission, um nachzuweisen, dass Niche und Matrix in der Lage gewesen seien, in den Markt für Perindopril einzutreten, hätte untersuchen müssen, mit welchen technischen, rechtlichen, patentbedingten oder finanziellen Schwierigkeiten diese Unternehmen konfrontiert gewesen seien. Die Umstände, auf die das Gericht in den Rn. 461, 462 und 480 des angefochtenen Urteils abgestellt habe, bestätigten aber, dass die Kommission lediglich geprüft habe, welche Schritte diese Unternehmen unternommen hätten. Indem es nicht beanstandet habe, dass die Kommission nicht untersucht habe, welche wirklichen und konkreten Möglichkeiten Niche und Matrix gehabt hätten, um die technischen und rechtlichen Probleme zu lösen, sei das Gericht seiner Verpflichtung zur gerichtlichen Überprüfung nicht nachgekommen und habe einen Rechtsfehler begangen.

180    Mit einer dritten Rüge macht Servier geltend, dass das Gericht, indem es von ihr in den Rn. 463, 480, 483 bis 486, 489 und 498 des angefochtenen Urteils verlangt habe, nachzuweisen, dass dem Eintritt von Niche und Matrix in den Markt für Perindopril unüberwindliche Hindernisse entgegengestanden hätten, die Beweislast umgekehrt habe, die nach Art. 2 der Verordnung Nr. 1/2003 die Kommission trage. Servier verweist insoweit auf ihr Vorbringen im Rahmen des dritten Teils des zweiten Rechtsmittelgrundes.

181    Mit einer vierten Rüge macht Servier geltend, dass das Gericht nicht geprüft habe, ob die Hindernisse, auf die Niche und Matrix beim Eintritt in den Markt für Perindopril gestoßen seien, insgesamt betrachtet der Annahme entgegenstünden, dass diese Unternehmen potenzielle Wettbewerber von ihr gewesen seien. Dass diese Hindernisse für sich betrachtet jeweils überwindbar gewesen seien, heiße noch lange nicht, dass Niche und Matrix alle diese Hindernisse hätten überwinden können. Auf diese Weise sei das Gericht seiner Verpflichtung zur gerichtlichen Überprüfung und seiner Verpflichtung, die Beweise nicht einzeln, sondern in ihrer Gesamtheit zu prüfen, nicht nachgekommen.

182    Mit einer fünften Rüge macht Servier geltend, dass das Gericht in Rn. 481 des angefochtenen Urteils den Grundsatz der guten Verwaltung nicht richtig ausgelegt habe. Danach sei die Kommission verpflichtet, bei der Analyse einer bestimmten Situation sämtliche relevanten Gesichtspunkte zu untersuchen und, soweit erforderlich, zusätzliche Informationen zu verlangen, um ihre Feststellungen zu überprüfen und zu stützen. Die Kommission habe es aber abgelehnt, ihrem im Verwaltungsverfahren gestellten Antrag auf Vorlage des Schriftwechsels zwischen Niche bzw. ihren Partnern und den nationalen Behörden zu den Anträgen auf Erteilung einer Genehmigung für das Inverkehrbringen eines Perindopril-Generikums stattzugeben. Die Rüge, mit der sie einen Verstoß gegen den Grundsatz der guten Verwaltung geltend gemacht habe, habe das Gericht in Rn. 481 des angefochtenen Urteils insbesondere mit der Begründung zurückgewiesen, dass die beantragten Dokumente nicht von „erheblicher Bedeutung“ seien. Das Abstellen auf ein solches Kriterium, das in der Rechtsprechung des Gerichtshofs keine Stütze finde, stelle einen Rechtsfehler dar.

183    Die Kommission tritt diesem Vorbringen entgegen.

2)      Würdigung durch den Gerichtshof

184    Mit der ersten Rüge des ersten Teils des dritten Rechtsmittelgrundes macht Servier geltend, dass das Gericht die durch die Patentsituation bedingten Hindernisse nicht ausreichend berücksichtigt habe. Die drei Hauptargumente, die Sevier insoweit vorbringt (siehe oben, Rn. 173 bis 175), lassen aber außer Acht, dass das Gericht diese Hindernisse durchaus berücksichtigt hat und beruhen insoweit auf einem unrichtigen Verständnis des angefochtenen Urteils. Wie bereits ausgeführt (siehe oben, Rn. 108), hat das Gericht in Rn. 444 des angefochtenen Urteils nämlich nicht angenommen, dass die Einschätzung der Stärke eines Patents durch einen Generikahersteller für die Frage, ob Servier und Niche und Matrix potenzielle Wettbewerber waren, völlig irrelevant wäre, sondern dass sie nur für die Frage relevant sein könne, ob Niche und Matrix die Absicht gehabt hätten, in den Markt einzutreten, und nicht für die Frage, ob sie in der Lage gewesen seien, dies zu tun. Wie bereits ausgeführt (siehe oben, Rn. 107 bis 111), ist dem Gericht insoweit aber kein Rechtsfehler unterlaufen.

185    Zu dem Vorbringen, das Gericht habe nicht berücksichtigt, dass Kunden von Niche, insbesondere Sandoz, die Zusammenarbeit mit Niche betreffend das Inverkehrbringen von Perindopril wegen der Gefahr von Patentverletzungen eingestellt hätten, ist festzustellen, dass die Begründungspflicht nach ständiger Rechtsprechung nicht verlangt, dass das Gericht bei seinen Ausführungen alle von den Parteien des Rechtsstreits vorgetragenen Argumente nacheinander erschöpfend behandelt, weshalb die Begründung implizit erfolgen kann, sofern sie es den Betroffenen ermöglicht, die Gründe zu erkennen, aus denen das Gericht ihrer Argumentation nicht gefolgt ist, und dem Gerichtshof ausreichende Angaben liefert, damit er seine Kontrollaufgabe wahrnehmen kann (Urteil vom 16. Februar 2017, Tudapetrol Mineralölerzeugnisse Nils Hansen/Kommission, C‑94/15 P, EU:C:2017:124, Rn. 21 und die dort angeführte Rechtsprechung).

186    Das Gericht ist auf das genannte Vorbringen von Servier in der Tat nicht ausdrücklich eingegangen. Wie die Kommission geltend macht und wie sich aus Rn. 465 des streitigen Beschlusses ergibt, hatte Sandoz ihre Entscheidung aber – was von Servier nicht bestritten wird – im Januar 2004 getroffen, also noch bevor Niche und Matrix sich dafür entschieden haben, ihr Verfahren zur Herstellung von Perindopril zu ändern, und damit vor den in den Rn. 433 bis 440 und in den Rn. 446 und 447 des angefochtenen Urteils beschriebenen Vorbereitungsmaßnahmen von Niche und Matrix, auf die das Gericht beim Nachweis der Absicht dieser Unternehmen, in die europäischen Märkte für Perindopril einzutreten, abgestellt hat. Da sich die betreffende Tatsache jedenfalls nicht auf seine Feststellungen auswirken konnte, hat das Gericht seine Verpflichtung zur Begründung seiner Urteile, indem es auf das entsprechende Vorbringen von Servier nicht ausdrücklich eingegangen ist, daher nicht verletzt.

187    Was das Vorbringen angeht, dass Matrix Anstrengungen unternommen habe, um eine nicht Patent verletzende Form ihres Perindopril-Generikums zu entwickeln, kann es mit der Feststellung sein Bewenden haben, dass damit die Tatsachenfeststellung angegriffen wird, die das Gericht in Rn. 447 des angefochtenen Urteils vorgenommen hat. Es ist daher als unzulässig zurückzuweisen.

188    Zu dem Vorbringen, dass das Gericht nicht geprüft habe, ob Niche und Matrix wirkliche und konkrete Möglichkeiten gehabt hätten, kurzfristig in den Markt einzutreten, ist festzustellen, dass es auf einem unzutreffenden rechtlichen Kriterium beruht. Nach der oben in Rn. 80 dargestellten Rechtsprechung müssen die Vorbereitungsmaßnahmen des Generikaherstellers es diesem nämlich ermöglichen, innerhalb einer Frist, die geeignet ist, Wettbewerbsdruck auf den Hersteller des Originalpräparats auszuüben, in den betreffenden Markt einzutreten. Jedenfalls ergibt sich aus den Rn. 442 bis 499 des angefochtenen Urteils, dass das Gericht diese Frage eingehend untersucht hat, bevor es festgestellt hat, dass von Niche und Matrix tatsächlich Wettbewerbsdruck ausgegangen sei.

189    Das Argument, das Servier ergänzend zur Stützung der ersten Rüge des ersten Teils des dritten Rechtsmittelgrundes vorbringt, ist unzulässig. Servier, die geltend macht, dass eine Verfälschung vorliege, greift mit ihrem Vorbringen, dass die Initiative von Niche, für einen Markteintritt „den Weg zu ebnen“, nicht gutgläubig ergriffen worden sei, nämlich in Wirklichkeit die Tatsachenfeststellungen an, die das Gericht in Rn. 446 des angefochtenen Urteils vorgenommen hat. Hierfür ist der Gerichtshof im Rechtsmittelverfahren aber nicht zuständig (siehe oben, Rn. 58).

190    Die erste Rüge des ersten Teils des dritten Rechtsmittelgrundes (siehe oben, Rn. 173) ist daher zurückzuweisen.

191    Mit der zweiten Rüge des ersten Teils des dritten Rechtsmittelgrundes wendet sich Servier mit einem ersten Argument gegen die Annahme des Gerichts, dass die Schritte, die unternommen worden seien, um Genehmigungen für das Inverkehrbringen zu erlangen, zum Nachweis potenziellen Wettbewerbs berücksichtigt werden könnten. Dieses Vorbringen ist aus den oben in Rn. 118 genannten Gründen zurückzuweisen. Schritte wie die zur Erlangung einer Genehmigung für das Inverkehrbringen eines Generikums sind nämlich sowohl für den Nachweis, dass der Hersteller des Arzneimittels in der Lage ist, in den Markt einzutreten, als auch für den Nachweis, dass er die Absicht hat, dies zu tun, relevant (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 30. Januar 2020, Generics [UK] u. a., C‑307/18, EU:C:2020:52, Rn. 44).

192    Mit einem zweiten Argument macht Servier im Wesentlichen geltend, dass das Gericht zu Unrecht nicht geprüft habe, wie wahrscheinlich es gewesen sei, dass es Niche und Matrix gelingen würde, die technischen und rechtlichen Schwierigkeiten, mit denen sie konfrontiert gewesen seien, zu überwinden.

193    Diesem Vorbringen kann nicht gefolgt werden.

194    Zunächst ist festzustellen, dass es auf einer unzutreffenden rechtlichen Annahme beruht. Soll nicht jegliche Unterscheidung zwischen tatsächlichem und potenziellem Wettbewerb geleugnet werden, ist es entgegen dem Vorbringen von Servier für den Nachweis des Bestehens potenziellen Wettbewerbs nämlich nicht erforderlich, dass die Generikahersteller mit Sicherheit in den Markt eingetreten wären und ein solcher Eintritt erfolgreich gewesen wäre, sondern lediglich, dass sie über entsprechende reale und konkrete Möglichkeiten verfügt haben (Urteil vom 25. März 2021, Lundbeck/Kommission, C‑591/16 P, EU:C:2021:243, Rn. 63).

195    Weiter ist festzustellen, dass das Gericht die angeblich unüberwindlichen Hindernisse, die für Niche und Matrix in patentrechtlicher, technischer, rechtlicher und finanzieller Hinsicht bestanden haben sollen, in den Rn. 442 bis 499 des angefochtenen Urteils im Einzelnen und eingehend geprüft hat. Auf der Grundlage dieser Prüfung hat es das Vorbringen von Servier, dass Niche und Matrix nicht in der Lage gewesen seien, in den Markt einzutreten, und auch nicht die Absicht gehabt hätten, dies zu tun, nach Würdigung der vor ihm vorgebrachten Tatsachen und Beweise zurückgewiesen. Servier macht also zu Unrecht geltend, dass das Gericht keine vollständige Prüfung sämtlicher Hindernisse vorgenommen hätte, auf die sie sich berufen habe, um zu bestreiten, dass sie und Niche und Matrix potenzielle Wettbewerber gewesen seien.

196    Soweit Servier die Tatsachenfeststellungen angreift, die das Gericht im Rahmen dieser Prüfung vorgenommen hat, ist festzustellen, dass ein solches Vorbringen im Rechtsmittelverfahren unzulässig ist.

197    Mit der dritten Rüge des ersten Teils des dritten Rechtsmittelgrundes macht Servier geltend, dass das Gericht bei den unüberwindlichen Hindernissen für den Markteintritt die Beweislast umgekehrt habe. Das Vorbringen von Servier zu einer solchen Umkehr der Beweislast und einer insoweit von ihr verlangten probatio diabolica ist aber bereits zurückgewiesen worden (siehe oben, Rn. 123 bis 125). Auch die dritte Rüge des ersten Teils des dritten Rechtsmittelgrundes ist daher zurückzuweisen.

198    Mit der vierten Rüge des ersten Teils des dritten Rechtsmittelgrundes macht Servier geltend, dass das Gericht die Hindernisse, auf die Niche und Matrix gestoßen seien, zu Unrecht nicht in ihrer Gesamtheit, sondern einzeln betrachtet habe.

199    Entgegen dem Vorbringen der Kommission ist diese vierte Rüge des ersten Teils des dritten Rechtsmittelgrundes nicht deshalb unzulässig, weil sie in der Klageschrift nicht vorgebracht worden ist. Da mit ihr die Anwendung der Regeln über die Beweislast und die Beweiswürdigung durch das Gericht beanstandet wird, kann sie im Rechtsmittelverfahren erhoben werden.

200    Zur Begründetheit ist festzustellen, dass der Nachweis einer Zuwiderhandlung in Wettbewerbssachen von der Kommission nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs mittels eines Bündels objektiver und übereinstimmender Indizien erbracht werden kann, die bei einer Gesamtbetrachtung mangels einer anderen schlüssigen Erklärung den Beweis für eine solche Zuwiderhandlung darstellen können, auch wenn das eine oder andere dieser Indizien für sich genommen insoweit nicht ausreicht (Urteil vom 18. März 2021, Pometon/Kommission, C‑440/19 P, EU:C:2021:214, Rn. 101 und die dort angeführte Rechtsprechung).

201    Für den Nachweis des Wettbewerbsdrucks, den ein Generikahersteller auf den Hersteller des Originalpräparats ausübt, gilt nach der in der vorstehenden Randnummer dargestellten Rechtsprechung, dass, wenn die Kommission anhand eines Bündels übereinstimmender Indizien, ohne eventuelle Hindernisse für einen Markteintritt, von denen sie Kenntnis hat, außer Acht zu lassen, potenziellen Wettbewerb nachweist, es den betreffenden Unternehmen obliegt, dies zu widerlegen, indem sie den Gegenbeweis erbringen (siehe oben, Rn. 123 bis 125).

202    Verbleiben dem Richter Zweifel, müssen diese wegen der in Verfahren wegen Verletzung der Wettbewerbsregeln, die zur Verhängung von Geldbußen oder Zwangsgeldern führen können, geltenden Unschuldsvermutung dem Unternehmen zugutekommen, an das der Beschluss, mit dem eine Zuwiderhandlung festgestellt wird, gerichtet ist (Urteil vom 16. Februar 2017, Hansen & Rosenthal und H&R Wax Company Vertrieb/Kommission, C‑90/15 P, EU:C:2017:123, Rn. 18 und die dort angeführte Rechtsprechung).

203    Im vorliegenden Fall hat das Gericht in den Rn. 432 bis 440 des angefochtenen Urteils angenommen, dass die von der Kommission zusammengetragenen Indizien, die im streitigen Beschluss angeführt seien, den Schluss zuließen, dass Niche und Matrix potenzielle Wettbewerber von Servier gewesen seien, und in den Rn. 441 bis 499 des angefochtenen Urteils sämtliche möglichen Hindernisse für deren Markteintritt, von denen es Kenntnis hatte, geprüft. Entsprechend hat es rechtsfehlerfrei angenommen, dass es Servier obliege, den Gegenbeweis zu erbringen und sich dabei gegebenenfalls auf andere Hindernisse für den Markteintritt zu stützen. Wie bereits ausgeführt (siehe oben, Rn. 195), hat das Gericht das Vorbringen von Servier, dass Niche und Matrix nicht in der Lage gewesen seien, in den Markt einzutreten, und auch nicht die Absicht gehabt hätten, dies zu tun, nachdem es es vollständig, im Einzelnen und eingehend geprüft hat, zurückgewiesen.

204    In diesem Zusammenhang ist auch noch darauf hinzuweisen, dass das Gericht die behaupteten Hindernisse für einen Markteintritt von Niche und Matrix rechtsfehlerfrei einzeln untersucht hat, ohne darüber hinaus zu prüfen, ob sie, auch wenn sie für sich genommen nicht unüberwindlich waren, zusammen ein unüberwindliches Hindernis dargestellt haben. Denn eine solche Prüfung ist grundsätzlich nicht erforderlich, und, wie die Generalanwältin in Nr. 91 ihrer Schlussanträge ausgeführt hat, hat Servier weder vor dem Gericht noch in ihrer Rechtsmittelschrift erläutert, worin die Prüfung der Beweise hätte bestehen sollen, die das Gericht insoweit ihrer Auffassung nach zu Unrecht nicht vorgenommen habe.

205    Folglich ist die vierte Rüge des ersten Teils des dritten Rechtsmittelgrundes als unbegründet zurückzuweisen.

206    Mit der fünften Rüge des ersten Teils des dritten Rechtsmittelgrundes macht Servier geltend, dass das Gericht zu Unrecht nicht festgestellt habe, dass die Kommission dadurch gegen den Grundsatz der guten Verwaltung verstoßen habe, dass sie nicht die Vorlage des Schriftwechsels zwischen Niche bzw. ihren Partnern und den nationalen Behörden zu den Genehmigungen für das Inverkehrbringen eines Perindopril-Generikums vorgelegt habe.

207    Nach den in den Rn. 80 und 120 angestellten Ausführungen zur Relevanz der Schritte zur Erlangung von Genehmigungen für das Inverkehrbringen für die Beurteilung des potenziellen Wettbewerbs hat das Gericht in Rn. 479 des angefochtenen Urteils zu Recht darauf hingewiesen, dass sich die Kommission bei der Prüfung der Frage, ob potenzieller Wettbewerb vorliege, auf die Tatsache stützen könne, dass der Generikahersteller eine Genehmigung für das Inverkehrbringen beantragt und sich aktiv an dem entsprechenden Verfahren beteiligt habe. Es obliegt dem Generikahersteller, Beweise für Probleme beizubringen, wegen deren die Genehmigung für das Inverkehrbringen objektiv nicht erteilt werden konnte.

208    Wie die Generalanwältin in Nr. 103 ihrer Schlussanträge ausgeführt hat, hat die Kommission aber – ebenso wie nach der oben in Rn. 81 dargestellten Rechtsprechung der wahrscheinliche Ausgang eines laufenden Rechtsstreits über die Gültigkeit eines Patents für die Beurteilung des Vorliegens potenziellen Wettbewerbs nicht ausschlaggebend ist – bei einem laufenden Verfahren über die Erteilung einer Genehmigung für das Inverkehrbringen, das der Generikahersteller bei den nationalen Behörden eingeleitet hat, nicht zu beurteilen, welche Erfolgsaussichten es hat oder wie es wahrscheinlich ausgeht. Solange keine das Verfahren abschließende Entscheidung vorliegt, können etwaige Probleme, die der Erteilung der begehrten Genehmigung objektiv entgegenstehen, daher nicht anhand von Beweisen für Bedenken nachgewiesen werden, die von den zuständigen nationalen Behörden hinsichtlich der Wahrscheinlichkeit, dass am Ende des Verfahrens eine Genehmigung erteilt werde, unbeschadet ihrer abschließenden Entscheidung geäußert werden.

209    Das Gericht hat in Rn. 480 des angefochtenen Urteils festgestellt, dass Niche mehrere Anträge auf Genehmigungen für das Inverkehrbringen gestellt habe und sich an den entsprechenden Verfahren beteiligt habe, und in Rn. 481 des angefochtenen Urteils angenommen, dass es nicht zu beanstanden sei, dass die Kommission es abgelehnt habe, dem Antrag auf Vorlage des gesamten Schriftwechsels zwischen Niche und den zuständigen Behörden zu diesen Verfahren über die Erteilung von Genehmigungen für das Inverkehrbringen stattzugeben. Das Gericht hat hierzu im Wesentlichen ausgeführt, dass Servier im Verwaltungsverfahren über eine Tabelle dieses Schriftwechsels verfügt habe, in der dessen Inhalt zusammengefasst gewesen sei, so dass die Weigerung der Kommission, die Vorlage der betreffenden Dokumente anzuordnen, gerechtfertigt gewesen sei, weil diese Dokumente für die Verteidigung von Servier keine „erhebliche Bedeutung“ gehabt hätten. Das Gericht hat insoweit insbesondere darauf hingewiesen, dass Niche den betreffenden Schriftwechsel weder im Verwaltungsverfahren noch vor dem Gericht zur Stützung ihres Vorbringens, kein potenzieller Wettbewerber von Servier gewesen zu sein, vorgelegt habe.

210    Im vorliegenden Fall ist im Hinblick auf die Ausführungen oben in Rn. 208 festzustellen, dass der begehrte Zugang zu dem betreffenden Schriftwechsel nicht geeignet war, Servier in die Lage zu versetzen, Beweise für Probleme beizubringen, die der Erlangung der von Niche und Matrix begehrten Genehmigungen für das Inverkehrbringen objektiv entgegengestanden hätten. Die Kommission war daher nicht verpflichtet, die Vorlage dieses Schriftwechsels anzuordnen. Dass das Gericht nicht festgestellt hat, dass die Kommission gegen den Grundsatz der guten Verwaltung verstoßen hätte, ist deshalb nicht zu beanstanden. Dem Gericht ist insoweit kein Rechtsfehler unterlaufen. Die fünfte Rüge des ersten Teils des dritten Rechtsmittelgrundes ist somit als unbegründet zurückzuweisen.

211    Folglich ist der erste Teil des dritten Rechtsmittelgrundes zurückzuweisen.

b)      Zum zweiten Teil des dritten Rechtsmittelgrundes (Einstufung als bezweckte Einschränkung des Wettbewerbs)

1)      Vorbringen der Parteien

212    Mit dem zweiten Teil des dritten Rechtsmittelgrundes macht Servier geltend, dass das Gericht die Einstufung der Vergleiche Servier/Niche und Servier/Matrix als bezweckte Einschränkungen des Wettbewerbs zu Unrecht bestätigt habe.

213    Zunächst verweist Servier auf ihr Vorbringen im Rahmen des ersten Rechtsmittelgrundes (siehe oben, Rn. 129 bis 140), dass das Gericht in den Rn. 526, 552, 555, 557 und 558 des angefochtenen Urteils rechtliche Kriterien angewandt habe, die nicht mit der Rechtsprechung zum Begriff der bezweckten Einschränkung des Wettbewerbs vereinbar seien.

214    Mit einer ersten Rüge macht Servier geltend, dass das Gericht zu Unrecht angenommen habe, dass die 11,8 Mio. GBP an Niche und an Matrix als Gegenleistung dafür gezahlt worden seien, dass sie davon abgesehen hätten, mit ihr in Wettbewerb zu treten. Aus dem Wortlaut des Vergleichs Servier/Niche ergebe sich, dass dieser Betrag die Gegenleistung der Kosten und Schadensersatzzahlungen dargestellt habe, die Niche und Unichem möglicherweise wegen der Einstellung ihres Programms der Entwicklung eines ihre Patente verletzenden Perindopril-Generikums hätten tragen müssen. Das Gericht habe in Rn. 537 des angefochtenen Urteils zu Unrecht angenommen, dass diese Kosten und diese Schadensersatzzahlungen dem Vergleich nicht inhärent gewesen seien, obwohl der Vergleich für Niche und Matrix ein hohes Haftungsrisiko begründet habe. Das Gericht habe in Rn. 539 des angefochtenen Urteils zu Unrecht angenommen, dass die Kosten und die Schadensersatzleistungen, die Niche und Matrix tatsächlich gezahlt hätten, geringer gewesen seien als die 11,8 Mio. GBP, die sie jeweils von ihr erhalten hätten. Es handele sich um Tatsachen, die nach dem Abschluss der Vergleiche Servier/Niche und Servier/Matrix eingetreten seien. Zu diesem Zeitpunkt habe das Risiko, dass diese Unternehmen eingegangen sein, nicht genau bestimmt werden können.

215    Mit einer zweiten Rüge macht Servier im Wesentlichen geltend, dass dem Gericht dadurch, dass es bestätigt habe, dass die 11,8 Mio. GBP, die Niche und Matrix jeweils erhalten hätten, die Gegenleistung für die von ihnen hingenommenen Bestimmungen über die Nichtanfechtung und das Nichtinverkehrbringen dargestellt hätten, drei Fehler unterlaufen seien.

216    Erstens habe das Gericht es in Rn. 541 des angefochtenen Urteils abgelehnt, durch einen Vergleich mit dem Gewinn, den Niche und Matrix jeweils bei einem Markteintritt hätten voraussichtlich erzielen können, zu prüfen, ob die Zahlungen einen Anreiz dargestellt hätten. Anders als das Gericht angenommen habe, sei ein solcher Vergleich nicht unnötig, sondern erforderlich. Die Kommission habe einen solchen Vergleich in Rn. 1338 des streitigen Beschlusses auch vorgenommen. Mit ihrer Klage habe sie geltend gemacht, dass dieser nicht stichhaltig sei. Das Gericht habe die Begründung der Kommission mithin durch seine eigene ersetzt.

217    Zweitens habe das Gericht, indem es angenommen habe, dass sie nicht nachgewiesen habe, dass die 11,8 Mio. GBP als Anreiz für einen Verzicht auf den Markteintritt nicht genügt hätten, die Beweislast umgekehrt und die Unschuldsvermutung nicht beachtet.

218    Drittens habe das Gericht in Rn. 563 des angefochtenen Urteils die durch die Patentsituation bedingten Hindernisse und die rechtlichen, technischen und finanziellen Hindernisse, mit denen Niche und Matrix konfrontiert gewesen seien, nicht unter dem Gesichtspunkt des Kontexts der Vergleiche Servier/Niche, Servier/Matrix und der Vereinbarung Niche/Biogaran berücksichtigt. Es sei auf diesen Kontext lediglich im Rahmen der Prüfung des potenziellen Wettbewerbs eingegangen. Die genannten Hindernisse stellten aber den eigentlichen Grund für die Hinnahme der Bestimmungen über die Nichtanfechtung und das Nichtinverkehrbringen dar.

219    Was speziell die Vereinbarung Niche/Biogaran angeht, bestreitet Servier, dass die 2,5 Mio. GBP, die gemäß dieser Vereinbarung an Niche gezahlt worden seien, den Wert der an Biogaran übertragenen Dossiers betreffend die Genehmigung für das Inverkehrbringen überstiegen hätten, und meint, dass dies ohne die Berücksichtigung des Kontexts der Vereinbarung ohnehin nicht für den Nachweis genügt hätte, dass die Zahlung einen Anreiz dargestellt hätte. Diese Zahlung, die im streitigen Beschluss lediglich als zusätzlicher Anreiz angesehen worden sei, sei zu gering gewesen, um Niche dazu bewegen zu können, einen Vergleich abzuschließen.

220    Die Kommission tritt diesem Vorbringen entgegen.

2)      Würdigung durch den Gerichtshof

221    Mit ihren Vorbemerkungen wiederholt Servier ihr Vorbringen, dass das Gericht bei der Prüfung der Frage, ob eine bezweckte Einschränkung des Wettbewerbs vorliege, nicht die richtigen rechtlichen Kriterien angewandt habe, und verweist insoweit auf ihr Vorbringen zum ersten Rechtsmittelgrund. Das Vorbringen von Servier ist aus den oben in den Rn. 142 bis 169 genannten Gründen zurückzuweisen.

222    Mit der ersten Rüge des zweiten Teils des dritten Rechtsmittelgrundes macht Servier geltend, dass das Gericht zu Unrecht angenommen habe, dass die 11,8 Mio. GBP an Niche und Matrix als Gegenleistung für deren Verzicht auf den Markteintritt gezahlt worden seien. Dieses Vorbringen beruht aber durchweg auf der Annahme, dass die Beträge, die der Generikahersteller möglicherweise wegen des Schadens, der Dritten dadurch entstanden ist, dass er sich dafür entschieden hat, von dem Inverkehrbringen des Generikums, das Gegenstand des betreffenden Rechtsstreits war, abzusehen, an diese Dritten zu zahlen hat, grundsätzlich zu den einem Vergleich zur gütlichen Beilegung von Patentrechtsstreitigkeiten inhärenten Kosten gehören. Diese Annahme trifft aber nicht zu (siehe oben, Rn. 167). Die erste Rüge des zweiten Teils des dritten Rechtsmittelgrundes ist daher zurückzuweisen.

223    Mit der zweiten Rüge des zweiten Teils des dritten Rechtsmittelgrundes macht Servier mit einem ersten Argument geltend, dass das Gericht die Zahlungen an Niche und Matrix in Höhe von 11,8 Mio. GBP mit den Gewinnen hätte vergleichen müssen, die diese Unternehmen voraussichtlich hätten erzielen können, wenn sie in den Markt für Perindopril eingetreten wären. Dieses Argument ist nicht stichhaltig. Wie bereits ausgeführt (siehe oben, Rn. 165), ist, um festzustellen, ob die Wertübertragungen des Herstellers des Originalpräparats an den Generikahersteller die Gegenleistung dafür darstellen, dass dieser davon absieht, in den betreffenden Markt einzutreten, zu prüfen, ob der positive Nettosaldo dieser Wertübertragungen hoch genug ist, um den Generikahersteller tatsächlich dazu zu bewegen, von dem Markteintritt abzusehen, wobei der positive Nettosaldo nicht unbedingt höher sein muss als die Gewinne, die der Generikahersteller erzielt hätte, wenn er im Patentrechtsstreit obsiegt hätte (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 30. Januar 2020, Generics [UK] u. a., C‑307/18, EU:C:2020:52, Rn. 87 bis 94).

224    Mit einem zweiten Argument macht Servier geltend, dass das Gericht bei dem in der vorstehenden Randnummer angesprochenen Vergleich zu Unrecht die Beweislast umgekehrt habe. Wie sich aus der vorstehenden Randnummer ergibt, geht dieses Argument ins Leere. Die angebliche Umkehr der Beweislast bezieht sich nämlich auf einen Vergleich, der überhaupt nicht vorgenommen werden musste.

225    Mit einem dritten Argument macht Servier geltend, dass das Gericht zu Unrecht die Hindernisse, mit denen Niche und Matrix konfrontiert gewesen sein, nicht berücksichtigt habe. Mit diesem Argument bestreitet Servier, dass mit den Vergleichen Servier Niche und Servier Matrix und der Vereinbarung Niche/Biogaran ein wettbewerbswidriger Zweck verfolgt worden ist, indem sie behauptet, dass diese Unternehmen nicht wegen des Anreizes, den eine umgekehrte Zahlung von ihr dargestellt hätte, sondern wegen der Hindernisse, die ihrem Projekt des Eintritts auf den Markt für Perindopril entgegengestanden hätten, hätten Vergleiche abschließen wollen. Servier beruft sich also auf die Absicht dieser Unternehmen und darauf, dass sie kein wettbewerbswidriges Ziel, sondern ein legitimes Ziel verfolgt hätten.

226    Wie bereits ausgeführt (siehe oben, Rn. 159 bis 168), ist dem Gericht in den Rn. 277 bis 280 des angefochtenen Urteils kein Rechtsfehler unterlaufen, wegen dessen seine in den Rn. 527 bis 547 des angefochtenen Urteils enthaltenen Ausführungen zu der Situation von Niche und Matrix, was den Umstand angeht, dass die Wertübertragungen von Servier und ihrer Tochtergesellschaft Biogaran an Niche und Matrix einen Anreiz dargestellt haben, rechtswidrig wären. Soweit Servier die Tatsachenfeststellungen angreift, die die Kommission insoweit vorgenommen hat, sind ihre Rügen unzulässig.

227    Zu dem Vorbringen von Servier, dass es für den Markteintritt von Niche und Matrix durch die Patentsituation bedingte Hindernisse gegeben habe, ist festzustellen, dass sich dieses Vorbringen mit dem Vorbringen im Zusammenhang mit dem potenziellen Wettbewerb deckt, das der Gerichtshof oben in den Rn. 184 bis 211 zurückgewiesen hat. Da der Gerichtshof entschieden hat, dass dem Gericht kein Rechtsfehler unterlaufen ist, wegen dessen seine Feststellung, dass die durch die Patentsituation bedingten Hindernisse keine unüberwindlichen Hindernisse für den Markteintritt dargestellt hätten, rechtswidrig wäre, gibt es – wenn es solche Hindernisse nicht gab – keinen Grund anzunehmen, dass die durch die Patentsituation bedingten Hindernisse, weil sie den eigentlichen Grund für die Entscheidung von Niche und Matrix dargestellt hätten, von einem Eintritt in den Markt für Perindopril in der Union abzusehen, etwas daran ändern könnten, dass die festgestellten Wertübertragungen einen Anreiz dargestellt haben.

228    Soweit Servier geltend macht, dass die Vertragsparteien der Vergleiche Servier/Niche und Servier/Matrix keine wettbewerbswidrige Absicht gehabt hätten, ist festzustellen, dass der Umstand, dass die Unternehmen gehandelt haben, ohne die Absicht zu haben, den Wettbewerb zu verhindern, einzuschränken oder zu verfälschen, und der Umstand, dass sie bestimmte legitime Ziele verfolgt haben, für die Anwendung von Art. 101 Abs. 1 AEUV nicht entscheidend sind (siehe oben, Rn. 157; Urteil vom 21. Dezember 2023, European Superleague Company, C‑333/21, EU:C:2023:1011, Rn. 167 und die dort angeführte Rechtsprechung). Die Verfolgung einer Geschäftsstrategie, die darin besteht, dass Unternehmen, die auf derselben Stufe der Produktionskette tätig sind, solche Vereinbarungen untereinander aushandeln, um einen Rechtsstreit über die Gültigkeit eines Patents beizulegen, ist nicht bereits deshalb wettbewerbsrechtlich zulässig, weil sie aus Sicht dieser Unternehmen wirtschaftlich vernünftig ist. Das dritte Argument von Servier ist daher nicht stichhaltig.

229    Folglich ist der zweite Teil des dritten Rechtsmittelgrundes zurückzuweisen, und damit der dritte Rechtsmittelgrund insgesamt.

2.      Zum sechsten Rechtsmittelgrund (Einstufung der Vergleiche Servier/Niche und Servier/Matrix als gesonderte Zuwiderhandlungen)

230    Mit dem sechsten Rechtsmittelgrund wendet sich Servier gegen die Ausführungen des Gerichts, mit denen dieses es abgelehnt hat, die Vergleiche Servier/Niche und Servier/Matrix als einheitliche Zuwiderhandlung anzusehen.

a)      Vorbringen der Parteien

231    Servier macht geltend, dass das Gericht in Rn. 1302 des angefochtenen Urteils rechtsfehlerhaft bestätigt habe, dass die Vergleiche Serie/Niche und Servier/Matrix zwei gesonderte Zuwiderhandlungen dargestellt hätten, wegen deren die Kommission gegen Niche und Matrix eine gesonderte Geldbuße habe verhängen können.

232    Als Erstes macht Servier geltend, dass ein fortgesetztes Verhalten, das durch mehrere Handlungen gekennzeichnet sei, mit denen ein gemeinsames Ziel verfolgt werde, eine einheitliche Zuwiderhandlung darstelle. Wie sich aus Rn. 1296 des angefochtenen Urteils ergebe, sei mit den Vergleichen Servier/Niche und Servier/Matrix, die am selben Tag und am selben Ort und durch ein und denselben Vertreter von ihr unterzeichnet worden seien, aber ein und dasselbe Ziel verfolgt worden. Anders als das Gericht in Rn. 1280 des angefochtenen Urteils festgestellt habe, hätten diese Vergleiche zu einer Koordinierung des Verhaltens von Niche und Matrix gegenüber ihr geführt. Da sich die Vergleiche gegenseitig ergänzten, hätte das Gericht dem Klagegrund, mit dem sie geltend gemacht habe, dass die Vergleiche eine einheitliche Zuwiderhandlung dargestellt hätten, stattgeben müssen.

233    Als Zweites macht Servier geltend, dass das Gericht bei der Ablehnung der Einstufung als einheitliche Zuwiderhandlung auf unzutreffende rechtliche Kriterien abgestellt habe. In den Rn. 1296, 1297 und 1300 des angefochtenen Urteils habe es die Einstufung als einheitliche Zuwiderhandlung offenbar mit der Begründung abgelehnt, dass Niche und Matrix nicht dieselbe Absicht gehabt hätten. Ein solches subjektives Kriterium finde in der Rechtsprechung des Gerichts aber keine Stütze, nach der die Einstufung als einheitliche Zuwiderhandlung auf objektiven Umständen, und nicht auf der subjektiven Absicht der Vertragsparteien beruhen müsse (Urteil vom 3. März 2011, Siemens/Kommission, T‑110/07, EU:T:2011:68, Rn. 246). Das Gericht habe auf der Grundlage der in Rn. 1296 des angefochtenen Urteils genannten Umstände angenommen, dass mit den Vergleichen Servier/Niche und Servier/Matrix dasselbe Ziel verfolgt worden sei. Trotz gewisser Unterschiede, die zwischen diesen Unternehmen hinsichtlich ihrer Absichten bestanden hätten, hätte es deshalb feststellen müssen, dass eine einheitliche Zuwiderhandlung vorgelegen habe.

234    In Rn. 1298 des angefochtenen Urteils habe das Gericht darauf abgestellt, dass zwischen Niche und Matrix keine „Interessengemeinschaft“ bestanden habe. Ein solches Kriterium sei nach der Rechtsprechung aber weder relevant noch erforderlich. Jedenfalls beruhe diese Annahme des Gerichts auf einer Verfälschung der Tatsachen. Wie sich aus Rn. 1299 des angefochtenen Urteils ergebe, hätten Niche und Matrix nämlich eine mündliche Vereinbarung über die Aufteilung von Gewinnen und eine Vereinbarung über die Teilung der Haftung gegenüber den Vertriebspartnern geschlossen.

235    Als Drittes macht Servier geltend, dass das Gericht nicht mit den geringen Unterschieden zwischen den Vergleichen Servier/Niche und Servier/Matrix, auf die in Rn. 1298 des angefochtenen Urteils hingewiesen werde, habe in Zweifel ziehen können, dass Niche und Matrix ein gemeinsames Ziel verfolgt hätten.

236    Als Viertes macht Servier geltend, dass das Gericht seine Feststellung in Rn. 1299 des angefochtenen Urteils, dass keine einheitliche Zuwiderhandlung vorgelegen habe, nicht auf die Meinungsverschiedenheiten, die zwischen Niche und Matrix bei der Durchführung ihrer mit ihr geschlossenen Vergleiche bestanden hätten, habe stützen können. Zu diesen Meinungsverschiedenheiten sei es nämlich erst nach dem Abschluss dieser Vergleiche gekommen.

237    Als Fünftes macht Servier geltend, dass der Umstand, dass Matrix nicht von Anfang an in die Verhandlungen zwischen Niche und Servier einbezogen worden sei, und der Umstand, dass Matrix von der Vereinbarung Niche/Biogaran nicht gewusst habe, nichts daran änderten, dass eine einheitliche Zuwiderhandlung vorliege.

238    Die Kommission tritt diesem Vorbringen entgegen.

b)      Würdigung durch den Gerichtshof

239    Servier macht geltend, dass das Gericht bei der Prüfung der Frage, ob Niche und Matrix zwei gesonderte Zuwiderhandlungen begangen hätten, nicht das richtige rechtliche Kriterium angewandt habe. Servier rügt, so wie der sechste Rechtsmittelgrund formuliert ist, eine Verfälschung der Tatsachen und meint im Wesentlichen, dass das Gericht den Sachverhalt im angefochtenen Urteil rechtlich nicht richtig qualifiziert habe.

240    Nach einer ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs kann sich ein Verstoß gegen Art. 101 Abs. 1 AEUV nicht nur aus einer isolierten Handlung, sondern auch aus einer Reihe von Handlungen oder einem fortgesetzten Verhalten ergeben, selbst wenn ein oder mehrere Teile dieser Reihe von Handlungen oder dieses fortgesetzten Verhaltens auch für sich genommen und isoliert betrachtet einen Verstoß gegen die genannte Vorschrift darstellen könnten. Somit ist die Kommission, wenn sich die verschiedenen Handlungen wegen ihres identischen Zwecks der Verfälschung des Wettbewerbs innerhalb des Binnenmarkts in einen „Gesamtplan“ einfügen, berechtigt, die Verantwortung für diese Handlungen anhand der Beteiligung an der Zuwiderhandlung als Ganzes aufzuerlegen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 6. Dezember 2012, Kommission/Verhuizingen Coppens, C‑441/11 P, EU:C:2012:778, Rn. 41 die dort angeführte Rechtsprechung).

241    Ein Unternehmen, das sich durch eigene Handlungen, die den Begriff von auf ein wettbewerbswidriges Ziel gerichteten „Vereinbarungen“ oder „aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen“ im Sinne von Art. 101 Abs. 1 AEUV erfüllten und zur Verwirklichung der Zuwiderhandlung in ihrer Gesamtheit beitragen sollten, an einer solchen einheitlichen und fortgesetzten Zuwiderhandlung beteiligt hat, kann somit für die gesamte Zeit seiner Beteiligung an der Zuwiderhandlung auch für das Verhalten anderer Unternehmen im Rahmen der Zuwiderhandlung zur Verantwortung gezogen werden (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 6. Dezember 2012, Kommission/Verhuizingen Coppens, C‑441/11 P, EU:C:2012:778, Rn. 42 die dort angeführte Rechtsprechung).

242    Bei der Qualifizierung verschiedener Verhaltensweisen als einheitliche und fortgesetzte Zuwiderhandlung ist nicht zu prüfen, ob sie insofern in einem Komplementaritätsverhältnis stehen, als jede von ihnen eine oder mehrere Folgen des normalen Wettbewerbs beseitigen soll und durch Interaktion zur Verwirklichung sämtlicher wettbewerbswidriger Wirkungen beiträgt, die ihre Urheber im Rahmen eines auf ein einheitliches Ziel gerichteten Gesamtplans anstreben. Die den Begriff „einheitliches Ziel“ betreffende Voraussetzung bedeutet vielmehr, dass geprüft werden muss, ob es nicht die verschiedenen Verhaltensweisen, die Bestandteil der Zuwiderhandlung sind, kennzeichnende Gesichtspunkte gibt, die darauf hindeuten könnten, dass die von anderen beteiligten Unternehmen vorgenommenen Handlungen nicht das gleiche Ziel oder die gleiche wettbewerbswidrige Wirkung haben und sich daher nicht wegen ihres identischen Zwecks der Verfälschung des Wettbewerbs innerhalb des Binnenmarkts in einen „Gesamtplan“ einfügen (Urteil vom 26. Januar 2017, Villeroy & Boch/Kommission, C‑644/13 P, EU:C:2017:59, Rn. 50 und die dort angeführte Rechtsprechung).

243    Wie die Generalanwältin in den Nrn. 239 und 240 ihrer Schlussanträge im Wesentlichen ausgeführt hat, hat die Kommission bei der Einstufung von Verhaltensweisen als gesonderte Zuwiderhandlungen oder als einheitliche Zuwiderhandlung anhand von in den Akten befindlichen Beweisen objektiv nachzuweisen, dass die entsprechenden Voraussetzungen erfüllt sind, und unterliegt insoweit der Kontrolle durch die Unionsgerichte. Steht fest, dass die Kommission bei einer solchen rechtlichen Qualifizierung der Tatsachen einen Fehler begangen hat, ist der Beschluss, mit dem festgestellt wird, dass eine Zuwiderhandlung vorliegt, für nichtig zu erklären und die Geldbuße neu festzusetzen, wie das Gericht in Rn. 1294 des angefochtenen Urteils ausgeführt hat.

244    Im vorliegenden Fall hat das Gericht mit der Feststellung in Rn. 1295 des angefochtenen Urteils, dass „die Kommission zur Feststellung des Vorliegens einer einheitlichen Zuwiderhandlung nachzuweisen hat, dass sich die fraglichen Vereinbarungen in einen Gesamtplan einfügen, der von den betroffenen Unternehmen bewusst ausgeführt wird, um ein einziges wettbewerbswidriges Ziel zu erreichen, und dass sie insoweit alle tatsächlichen Umstände zu prüfen hat, die den genannten Gesamtplan belegen oder in Frage stellen können“, im Wesentlichen auf die oben in der Rn. 242 dargestellte Rechtsprechung hingewiesen. Ihm ist hinsichtlich des für Qualifizierung als einheitliche Zuwiderhandlung geltenden rechtlichen Kriteriums kein Rechtsfehler unterlaufen.

245    Was die Würdigung der Tatsachen angeht hat das Gericht in den Rn. 1296 und 1297 des angefochtenen Urteils angenommen, dass Servier mit dem Abschluss der Vergleiche Servier/Niche und Servier/Matrix zwar ein und dasselbe Ziel verfolgt habe, dies aber nicht beweise, dass Niche und Matrix zusammen ein Ziel und damit einen gemeinsamen Plan verfolgt hätten, und schon gar nicht, dass sie einen solchen gemeinsamen Plan mit Servier geteilt hätten. Damit hat das Gericht die oben in den Rn. 240 bis 242 genannten Kriterien, wonach die Einstufung als einheitliche Zuwiderhandlung voraussetzt, dass sich die betreffenden wettbewerbswidrigen Verhaltensweisen, weil mit ihnen ein und dasselbe wettbewerbswidrige Ziel verfolgt wird, allesamt in ein und denselben Gesamtplan einfügen, richtig angewandt.

246    In den Rn. 1298 und 1299 des angefochtenen Urteils hat das Gericht angenommen, dass der Umstand, dass die Vergleiche Servier/Niche und Servier/Matrix am selben Tag und am selben Ort und von ein und demselben Vertreter geschlossen worden seien, nicht bereits beweise, dass Niche und Matrix einen gemeinsamen Plan gehabt hätten. Es hat auf verschiedene Unterschiede hingewiesen, die zwischen den Texten der beiden Vergleiche bestünden, und die Indizien für eine zwischen Niche und Matrix geschlossene mündliche Vereinbarung über die Durchführung der Vergleiche zurückgewiesen. Entsprechend ist es zu dem Schluss gelangt, dass Niche und Matrix keinen „gemeinsamen Plan“ gehabt hätten, der die Einstufung ihres Verhaltens als einheitliche Zuwiderhandlung erlaubt hätte.

247    Zu den tatsächlichen Umständen, untern denen die Vergleiche Servier/Niche und Servier/Matrix geschlossen wurden, hat das Gericht in Rn. 1300 des angefochtenen Urteils festgestellt, dass diese zeigten, dass es Matrix eher darum gegangen sei, eine von Servier gebotene Chance zu ergreifen als sich mit Niche im Rahmen eines gemeinsamen Plan zur Beendigung ihres Perindopril-Projekts abzustimmen. Die Beteiligung von Matrix an den Verhandlungen, die zum Abschluss der Vergleiche Servier/Niche und Servier/Matrix geführt hätten und über die Matrix erst sehr spät unterrichtet worden sei, habe lediglich die Aushandlung der Wertübertragung von Servier an sie betroffen. Im Übrigen hat das Gericht in Rn. 1301 des angefochtenen Urteils festgestellt, dass die Vereinbarung Niche/Biogaran ohne Wissen von Matrix geschlossen worden sei.

248    Servier macht geltend, dass das Gericht der Absicht der Vertragsparteien eine zu große Bedeutung beigemessen habe. Nach der Rechtsprechung sei die Frage, ob sich die wettbewerbswidrigen Verhaltensweisen in einen Gesamtplan einfügten, aber objektiv zu beurteilen.

249    Wie die Generalanwältin in Nr. 248 ihrer Schlussanträge ausgeführt hat, setzt die Feststellung einer einheitlichen Zuwiderhandlung aber voraus, dass nachgewiesen wird, dass die Verhaltensweisen von Unternehmen zu einem Gesamtplan gehören, weil sie zur Erreichung eines gemeinsamen objektiven wirtschaftlichen Ziels beitragen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 16. Juni 2022, Toshiba Samsung Storage Technology und Toshiba Samsung Storage Technology Korea/Kommission, C‑700/19 P, EU:C:2022:484, Rn. 107 und die dort angeführte Rechtsprechung). Ein solches gemeinsames Ziel kann insbesondere anhand von Umständen, die die Absicht der Vertragsparteien betreffen, nachgewiesen werden. Der Begriff des Gesamtplans impliziert nämlich, dass die Vertragsparteien die Absicht hatten, zusammenzuarbeiten, um den Plan umzusetzen. Für die Frage, ob ihr Verhalten eine einheitliche Zuwiderhandlung darstellt, sind die Absichten, die sie im Hinblick auf diese Zusammenarbeit hatten, daher – sofern es für sie objektive und zuverlässige Beweise gibt – durchaus relevant.

250    Servier macht daher zu Unrecht geltend, dass das Gericht bei der rechtlichen Qualifizierung der Tatsachen nicht das richtige rechtlich Kriterium angewandt habe. Servier hat auch nicht dargetan, dass das Gericht Tatsachen verfälscht hätte.

251    Der sechste Rechtsmittelgrund ist daher zurückzuweisen.

D.      Zum vierten Rechtsmittelgrund (Vergleich Servier/Teva)

252    Mit dem vierten Rechtsmittelgrund wendet sich Servier gegen die Ausführungen des Gerichts zur Anwendung von Art. 101 Abs. 1 AEUV auf den Vergleich Servier/Teva. Der vierte Rechtsmittelgrund besteht aus zwei Teilen.

1.      Zum ersten Teil des vierten Rechtsmittelgrundes (potenzieller Wettbewerb)

a)      Vorbringen der Parteien

253    Mit dem ersten Teil des vierten Rechtsmittelgrundes macht Servier geltend, dass die Ausführungen des Gerichts zum potenziellen Wettbewerb in mehrerer Hinsicht rechtsfehlerhaft seien. Auf der Grundlage ihres Vorbringens im Rahmen des zweiten Rechtsmittelgrundes macht Servier allgemein geltend, dass das Gericht von ihr in den Rn. 589, 591, 592, 600, 601 und 603 des angefochtenen Urteils zu Unrecht verlangt habe, zum Nachweis des Fehlens von potenziellem Wettbewerb darzutun, dass dem Markteintritt von Teva unüberwindliche Hindernisse entgegengestanden hätten.

254    Mit einer ersten Rüge wendet sich Servier gegen die Annahme des Gerichts in den Rn. 589, 591, 592 und 596 des angefochtenen Urteils, dass ihre Patente und deren Einschätzung durch die Vertragsparteien, insbesondere die Gefahr, dass auf der Grundlage der Patente eine einstweilige Verfügung erlassen werde, keine unüberwindlichen Hindernisse für den Markteintritt dargestellt hätten.

255    Mit einer zweiten Rüge macht Servier geltend, dass das Gericht in Rn. 599 des angefochtenen Urteils zu Unrecht angenommen habe, dass ein Generikahersteller nicht bereits deshalb, weil es in den Verfahren über die Erteilung einer Genehmigung für das Inverkehrbringen zu Verzögerungen komme, kein potenzieller Wettbewerber sei. Obwohl sie dargetan habe, dass das Projekt von Teva wegen solcher Verzögerungen gefährdet gewesen sei, habe das Gericht nicht geprüft, welche Auswirkungen die Verzögerungen gehabt hätten. Außerdem habe das Gericht angenommen, dass es für die Generikahersteller nicht wichtig sei, zu den ersten zu gehören, die in den betreffenden Markt einträten. In Rn. 1126 des streitigen Beschlusses habe die Kommission aber ausdrücklich anerkannt, dass dies für die Generikahersteller wichtig sei.

256    Mit einer dritten Rüge rügt Servier mehrere Verfälschungen.

257    Zum einen habe das Gericht in den Rn. 586 und 609 bis 612 des angefochtenen Urteils die Beweise verfälscht, die sie für die Tatsache beigebracht habe, dass Teva nicht über einen Bestand an Perindopril verfügt habe, für das eine Genehmigung für das Inverkehrbringen erteilt worden sei.

258    Zum anderen habe das Gericht in Rn. 594 des angefochtenen Urteils mit der Annahme, dass sie die Aussage von Teva, dass sie bereit sei, das Risiko einzugehen, dass gegen sie wegen ihres Eintritts in den Markt für Perindopril eine Klage wegen Patentverletzung erhoben werde, nicht bestritten habe, die Klageschrift verfälscht.

259    Mit einer vierten Rüge macht Servier geltend, dass das Gericht es in Rn. 610 des angefochtenen Urteils zu Unrecht abgelehnt habe, Beweise für die Mängel des mit dem von der Hetero Drugs Ltd (im Folgenden: Hetero) gelieferten Wirkstoff hergestellten Perindopril-Generikums zu berücksichtigen, weil sie aus der Zeit nach dem Abschluss des Vergleichs Servier/Teva stammten. Da sie aus der Zeit vor der Untersuchung der Kommission stammten, hätten diese Beweise aber einen hohen Beweiswert. Indem es in Rn. 611 des angefochtenen Urteils angenommen habe, dass die E‑Mail, die Teva am 15. Oktober 2007 an Hetero gesandt habe, „eindeutig“ dazu gedient habe, den Vergleich Servier/Teva „umzusetzen“, habe das Gericht diese E‑Mail verfälscht.

260    Die Kommission tritt diesem Vorbringen entgegen.

b)      Würdigung durch den Gerichtshof

261    Die Vorbemerkungen und die erste Rüge des ersten Teils des vierten Rechtsmittelgrundes (Beweislast für unüberwindliche Hindernisse für den Eintritt in den Markt) beruhen auf einem unrichtigen Verständnis der rechtlichen Kriterien für die Beurteilung der Frage, ob potenzieller Wettbewerb vorliegt, wie oben in den Rn. 81, 107 bis 111 und 123 bis 125 ausgeführt wurde. Sie sind deshalb aus den dort genannten Gründen zurückzuweisen.

262    Soweit sich die erste Rüge des ersten Teils des vierten Rechtsmittelgrundes speziell auf die Gefahr bezieht, dass auf der Grundlage der Patente eine einstweilige Verfügung erlassen wird, ist festzustellen, dass nicht bereits wegen des Erlasses solcher Verfügungen und schon gar nicht wegen der bloßen Möglichkeit, dass solche Verfügungen erlassen werden, angenommen werden kann, dass ein Generikahersteller kein potenzieller Wettbewerber ist (siehe oben, Rn. 112).

263    Zur zweiten Rüge des ersten Teils des vierten Rechtsmittelgrundes ist festzustellen, dass ein Unternehmen nicht bereits deshalb kein potenzieller Wettbewerber ist, weil es in den Verfahren zur Erteilung der Genehmigung für das Inverkehrbringen zu Verzögerungen kommt (siehe oben, Rn. 120). Die zweite Rüge des ersten Teils des vierten Rechtsmittelgrundes ist daher aus den oben in Rn. 120 genannten Gründen zurückzuweisen. Soweit in der Rn. 1126 des streitigen Beschlusses von dem sogenannten „First Mover Advantage“ des Unternehmens, das als Erstes in den Markt eintritt, die Rede ist, den der Generikahersteller habe, der sein Produkt als Erster in Verkehr bringe, ergibt sich daraus in keiner Weise, dass nur ein Hersteller, der in der Lage ist, sein Produkt als Erster in Verkehr zu bringen, als potenzieller Wettbewerber des Herstellers des Originalpräparat angesehen werden könnte. Im Übrigen kann es mit der Feststellung sein Bewenden haben, dass Servier die Tatsachenfeststellungen angreift, die das Gericht in Bezug auf die genannten Verzögerungen getroffen hat, und ihr Vorbringen daher unzulässig ist.

264    Zu der behaupteten Verfälschung der Beweise für das Fehlen von Beständen an Perindopril von Teva, für die es eine Genehmigung für das Inverkehrbringen gebe, ist mit der Kommission festzustellen, dass Servier die Beweise, die verfälscht worden sein sollen, nicht genau bezeichnet hat, so dass die Kommission nicht in der Lage ist, auf diese Rüge einzugehen, und das Gericht sie nicht überprüfen kann. Die Rüge ist deshalb als unzulässig zurückzuweisen.

265    Zu dem Vorbringen, dass das Gericht in Rn. 594 des angefochtenen Urteils die Klageschrift verfälscht habe, indem es angenommen habe, dass Servier die sich aus der Aussage von Teva ergebende Behauptung, dass sie bereit sei, ihr Perindopril trotz drohender Patentverletzungsklagen in Verkehr zu bringen, in tatsächlicher Hinsicht nicht bestritten habe, ist festzustellen, dass das Gericht jedenfalls auf die Begründetheit des Vorbringens von Servier eingegangen ist, indem es in Rn. 591 des angefochtenen Urteils festgestellt hat, dass wegen der für Teva bestehenden Gefahr, dass gegen sie nach ihrem Eintritt in den Markt für Perindopril Patentverletzungsklage erhoben und einstweilige Verfügungen erlassen würden, nicht könne „ausgeschlossen werden, dass Teva wirkliche und konkrete Möglichkeiten gehabt habe, die durch die betreffenden Patente bedingten Hindernisse zu überwinden“. Außerdem geht aus Rn. 594 des angefochtenen Urteils hervor, dass sich Teva seit Februar 2006 der Gefahr von Patentverletzungen und des Erlasses einstweiliger Verfügungen bewusst war, ihre Vorbereitungsmaßnahmen aber dennoch fortgesetzt hat (angefochtenes Urteil, Rn. 598).

266    Wie bereits ausgeführt (siehe oben, Rn. 109), stellt ein Patent für ein Verfahren zur Herstellung eines gemeinfreien Wirkstoffs für sich genommen kein unüberwindliches Hindernis für den Eintritt in den Markt dar. Ist ein Generikahersteller tatsächlich fest entschlossen und aus eigener Kraft in der Lage, in den Markt einzutreten, und, wie seine Maßnahmen zeigen, bereit, das Patent anzufechten und sich beim Eintritt in den Markt einer Verletzungsklage des Patentinhabers auszusetzen, steht das Verfahrenspatent der Einstufung des Generikaherstellers als „potenzieller Wettbewerber“ des Herstellers des Originalpräparats nicht entgegen (Urteil vom 30. Januar 2020, Generics [UK] u. a., C‑307/18, EU:C:2020:52, Rn. 46).

267    Wie oben in Rn. 265 dargelegt, hat das Gericht die Begründetheit des Vorbringens von Servier geprüft. Es brauchte sich dabei nicht auf die Tatsache zu stützen, dass Servier die Absicht von Teva, auf Risiko in den Markt einzutreten, nicht bestritten habe. Nach der oben in Rn. 266 dargestellten Rechtsprechung hat es seine Feststellung, dass die Patente von Servier kein unüberwindliches Hindernis für den potenziellen Markteintritt von Teva dargestellt hätten, rechtlich hinreichend begründet.

268    Da sie sich auf ergänzende Ausführungen des angefochtenen Urteils bezieht, geht die gegen Rn. 594 des angefochtenen Urteils gerichtete Rüge der Verfälschung mithin ins Leere.

269    Mit der vierten Rüge des ersten Teils des vierten Rechtsmittelgrundes macht Servier geltend, dass das Gericht die E‑Mail von Hetero vom 15. Oktober 2007 verfälscht habe, wendet sich in Wirklichkeit aber gegen die Beurteilung dieser E‑Mail. Nach der oben in Rn. 58 dargestellten Rechtsprechung ist der Gerichtshof für eine solche Rüge im Rechtsmittelverfahren aber nicht zuständig.

270    Folglich ist der erste Teil des vierten Rechtsmittelgrundes zurückzuweisen.

2.      Zum zweiten Teil des vierten Rechtsmittelgrundes (Einstufung als bezweckte Einschränkung des Wettbewerbs)

271    Mit dem zweiten Teil des vierten Rechtsmittelgrundes macht Servier geltend, dass das Gericht in den Rn. 698, 700 und 704 des angefochtenen Urteils die Einstufung des Vergleichs Servier/Teva als bezweckte Einschränkung des Wettbewerbs zu Unrecht bestätigt habe. Insoweit wiederholt Servier ihr Vorbringen im Rahmen des ersten Rechtsmittelgrundes und macht geltend, dass der Vergleich Servier/Teva nicht bereits deshalb als bezweckte Einschränkung des Wettbewerbs eingestuft werden könne, weil er den Wettbewerb einschränkende Bestimmungen enthalte und eine Zahlung vorsehe, mit der Teva dazu bewogen worden sei, diese Bestimmungen hinzunehmen. Er habe auch einen vorzeitigen Markteintritt von Teva begünstigt und damit wettbewerbsfördernde Wirkungen gehabt.

272    Bevor auf die einzelnen Rügen eingegangen werden wird, die Servier in diesem Zusammenhang erhebt, ist vorweg darauf hinzuweisen, dass die wettbewerbsfördernden Wirkungen einer Vereinbarung nach der oben in den Rn. 73, 76 und 77 dargestellten Rechtsprechung für die Frage, ob mit der Vereinbarung ein wettbewerbswidriges Ziel verfolgt wird, nicht relevant sind, auch nicht für die Frage, ob sie den Wettbewerb beeinträchtigt. Nach der oben in Rn. 83 dargestellten Rechtsprechung handelt es sich bei der Verschiebung des Markteintritts von Generika als Gegenleistung für Wertübertragungen des Herstellers des Originalpräparats an den Generikahersteller um eine bezweckte Einschränkung des Wettbewerbs, wenn sich die Wertübertragungen allein durch das geschäftliche Interesse des Herstellers des Originalpräparats an der Vermeidung von Leistungswettbewerb erklären lassen.

a)      Zu den Zielen des Vergleichs Servier/Teva

1)      Vorbringen der Parteien

273    Servier macht geltend, dass dem Gericht dadurch, dass es allein mit der Begründung, dass der Vergleich Servier/Teva den Wettbewerb einschränkende Bestimmungen enthalte, nicht berücksichtigt habe, welche Ziele objektiv mit dem Vergleich verfolgt worden seien, ein Rechtsfehler unterlaufen sei. Es habe außer Acht gelassen, dass Hauptziel des Vergleichs die Belieferung von Teva mit Perindopril gewesen sei. Die gütliche Beilegung der Patentrechtsstreitigkeiten mit ihr sei lediglich ein „zweitrangiges“ Ziel gewesen, dessen Tragweite begrenzt gewesen sei, da sich der Vergleich nicht auf das beim EPA anhängige Verfahren über die Gültigkeit des Patents EP1296947 erstreckt habe. Diese Ziele beeinträchtigten den Wettbewerb an sich nicht.

274    Die Analogie, die das Gericht in Rn. 704 des angefochtenen Urteils zwischen dem Vergleich Servier/Teva und dem Sachverhalt, der dem Urteil vom 20. November 2008, Beef Industry Development Society und Barry Brothers (C‑209/07, EU:C:2008:643), zugrunde liege, hergestellt habe, sei nicht begründet. In dem betreffenden Fall sei es nämlich nicht um den Markteintritt eines neuen Wettbewerbes gegangen, sondern um den Austritt von bereits auf dem Markt vertretenen Wettbewerbern.

275    Die Kommission tritt diesem Vorbringen entgegen.

2)      Würdigung durch den Gerichtshof

276    Servier macht geltend, dass keine bezweckte Einschränkung des Wettbewerbs vorliege, weil bestimmte vorgebliche Ziele des Vergleichs Servier/Teva und die entsprechende Absicht der Vertragsparteien legitim gewesen seien. Das Gericht habe diese Ziele und diese Absicht bei der Einstufung des Vergleichs Servier/Teva als bezweckte Einschränkung des Wettbewerbs rechtsfehlerhaft nicht berücksichtigt.

277    Bei der Einstufung einer Verhaltensweise als bezweckte Einschränkung des Wettbewerbs ist zu prüfen, welche objektiven Ziele mit der Verhaltensweise im Hinblick auf den Wettbewerb verfolgt werden. Wie bereits ausgeführt (siehe oben, Rn. 87), sind der Umstand, dass die Unternehmen gehandelt haben, ohne die Absicht zu haben, den Wettbewerb zu verhindern, einzuschränken oder zu verfälschen, und der Umstand, dass sie bestimmte legitime Ziele verfolgt haben, für die Anwendung von Art. 101 Abs. 1 AEUV aber nicht maßgeblich. Maßgeblich ist allein, inwieweit die Verhaltensweise den Wettbewerb auf dem betreffenden Markt wirtschaftlich beeinträchtigt. Dies ist objektiv zu beurteilen, wozu eine eingehende Untersuchung der Verhaltensweise, ihrer Ziele sowie ihres wirtschaftlichen und rechtlichen Zusammenhangs erforderlich sein kann (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 30. Januar 2020, Generics [UK] u. a., C‑307/18, EU:C:2020:52, Rn. 84 und 85, und vom 25. März 2021, Lundbeck/Kommission, C‑591/16 P, EU:C:2021:243, Rn. 131).

278    Soweit sich Servier, indem sie geltend macht, dass mit dem Vergleich Servier/Teva „hauptsächlich“ das Ziel verfolgt worden sei, Teva mit Perindopril zu beliefern, und als „zweitrangiges“ Ziel die gütliche Beilegung von Rechtsstreitigkeiten, auf die Rechtsprechung zu den akzessorischen Einschränkungen beruft, ist festzustellen, dass diese Rechtsprechung in einem Fall wie dem Vergleich Servier/Teva nicht einschlägig ist (siehe oben, Rn. 148 bis 141). Erstens ist die Bestimmung des Vergleichs Servier/Teva, die den Bezug von Perindopril durch Teva vorsieht, wegen der umgekehrten Zahlungen, die Wertübertragungen darstellen, wettbewerbsrechtlich nicht neutral. Zweitens sind die durch die Bestimmungen über die Nichtanfechtung und das Nichtinverkehrbringen bedingten Einschränkungen des Wettbewerbs wegen dieser umgekehrten Zahlungen objektiv weder für die Bestimmung über den Bezug noch für die gütliche Beilegung von Rechtsstreitigkeiten erforderlich, zumal, wenn man die Bestimmungen über die Nichtanfechtung und das Nichtinverkehrbringen vor dem Hintergrund der Ausschließlichkeit der Bestimmung über den Bezug betrachtet.

279    Das Vorbringen von Servier ist daher, ohne dass darüber entschieden zu werden braucht, ob das Urteil vom 20. November 2008, Beef Industry Development Society und Barry Brothers (C‑209/07, EU:C:2008:643), einschlägig ist, zurückzuweisen.

b)      Zur Ambivalenz der Wirkungen des Vergleichs Servier/Teva

1)      Vorbringen der Parteien

280    Servier macht geltend, dass die potenziellen Wirkungen des Vergleichs Servier/Teva zum Zeitpunkt von dessen Abschluss, soweit sie zu diesem Zeitpunkt bestimmbar gewesen seien, insgesamt betrachtet ambivalent gewesen seien, so dass der Vergleich nicht als bezweckte Einschränkung des Wettbewerbs eingestuft werden könne, wie sie im Zusammenhang mit dem ersten Rechtsmittelgrund dargelegt habe. Das Gericht habe insbesondere in den Rn. 644 und 667 des angefochtenen Urteils die Tatsachen betreffend den Kontext des Vergleichs verfälscht und dessen wettbewerbsfördernde Wirkungen außer Acht gelassen.

281    Die Kommission tritt diesem Vorbringen entgegen.

2)      Würdigung durch den Gerichtshof

282    Servier kann sich nicht auf die positiven oder zumindest ambivalenten Wirkungen auf den Wettbewerb berufen, die der Vergleich Servier/Teva möglicherweise gehabt haben soll. Denn nach der oben in den Rn. 73, 76 und 77 dargestellten Rechtsprechung ist bei der Prüfung der Frage, ob der Vergleich als bezweckte Einschränkung des Wettbewerbs gestuft werden kann, nicht zu prüfen, ob der der Vergleich solche Wirkungen hatte, unabhängig davon ob es sich um tatsächliche oder potenzielle, negative oder positive handelt. Abgesehen davon, dass nicht sicher war, dass der vorzeitige Markteintritt von Teva die behaupteten positiven Wirkungen haben würde, da Servier vertraglich das Recht hatte, den Eintritt von Teva durch eine zusätzliche umgekehrte Zahlung zu verhindern, kann Servier mit ihrem Vorbringen somit auf keinen Fall Erfolg haben. Das Vorbringen von Servier ist deshalb zurückzuweisen.

c)      Zur Beeinträchtigung des Wettbewerbs durch die Bestimmungen des Vergleichs Servier/Teva

1)      Vorbringen der Parteien

283    Was die Bestimmung über die Nichtanfechtung angeht, die in dem Vergleich Servier/Teva enthalten ist, wiederholt Servier ihr Vorbringen im Rahmen des ersten Rechtsmittelgrundes, dass eine solche Bestimmung, die durchaus üblich sei, den Wettbewerb an sich nicht beeinträchtige. In den Rn. 648 und 649 des angefochtenen Urteils habe das Gericht die durch das Urteil vom 25. Februar 1986, Windsurfing International/Kommission (193/83, EU:C:1986:75), begründete Rechtsprechung nicht beachtet und rechtsfehlerhaft angenommen, dass es nicht relevant sei, dass die Bestimmung über die Nichtanfechtung nicht für das Verfahren vor dem EPA gelte.

284    Was die in dem Vergleich Servier/Teva enthaltene Bestimmung über das Nichtinverkehrbringen angeht, macht Servier geltend, dass das Gericht in den Rn. 663 und 664 des angefochtenen Urteils außer Acht gelassen habe, dass diese Bestimmung nur für ihre Patente verletzendes Perindopril gegolten habe, so dass es Teva freigestanden habe, ein nicht Patent verletzendes Perindopril zu entwickeln. In Rn. 666 des angefochtenen Urteils habe das Gericht Beweise dafür, dass Teva eine nicht Patent verletzende Version von Perindopril entwickelt habe, zu Unrecht zurückgewiesen. Außerdem habe es zu Unrecht nicht berücksichtigt, dass die Belieferung von Teva mit einem Perindopril-Generikum die eventuellen den Wettbewerb einschränkenden Wirkungen der Bestimmung über das Nichtinverkehrbringen abgeschwächt, wenn nicht sogar neutralisiert habe. Dabei habe das Gericht in Rn. 954 des angefochtenen Urteils eingeräumt, dass die Einschränkung des Wettbewerbs durch den mit Krka geschlossenen Vergleich durch die wettbewerbsfördernden Wirkungen der mit demselben Unternehmen geschlossenen Lizenzvereinbarung ausgeglichen werden könne.

285    Zu der Bestimmung über den Alleinbezug erhebt Servier drei Rügen.

286    Das Gericht habe diese Bestimmung verfälscht. Anders als das Gericht in Rn. 662 des angefochtenen Urteils behauptet habe, sei es Teva durch diese Bestimmung nicht verboten gewesen, Perindopril bei anderen Lieferanten zu beziehen. Es habe Teva also weiterhin freigestanden, Perindopril, das nicht aus der durch das Patent EP1296947 geschützten Kristallform Alpha bestanden habe, bei Dritten zu beziehen, die ein solches Perindopril hergestellt hätten. Das Gericht sei in Rn. 663 des angefochtenen Urteils zu Unrecht zu dem Schluss gelangt, dass sich der Vergleich Servier/Teva nicht nur auf ihre Patente bezogen habe.

287    Weiter habe das Gericht in Rn. 672 des angefochtenen Urteils zu Unrecht und ohne Begründung angenommen, dass es sich bei der Bestimmung über den Alleinbezug um eine ungewöhnliche Bestimmung gehandelt habe. Solche Bestimmungen seien rechtmäßig und würden häufig verwendet, insbesondere auch von Teva.

288    Im Übrigen müsse die Bestimmung über den Alleinbezug in ihrem Kontext betrachtet werden, und zwar im Hinblick auf den Wettbewerb, wie er ohne die Bestimmung gewesen wäre. Da der Vergleich Servier/Teva es Teva ermöglicht habe, in den Markt für Perindopril einzutreten, könne er nicht als bezweckte Einschränkung des Wettbewerbs eingestuft werden.

289    Die Kommission hält das Vorbringen von Servier sowohl für unzulässig als auch für unbegründet.

2)      Würdigung durch den Gerichtshof

290    Servier wendet sich mit ihrem Vorbringen gegen die Ausführungen des Gerichts zur Einstufung des Vergleichs Servier/Teva als bezweckte Einschränkung des Wettbewerbs. Servier macht im Wesentlichen geltend, dass weder die in dem Vergleich enthaltene Bestimmung über die Nichtanfechtung, noch die Bestimmung über das Nichtinverkehrbringen oder die Bestimmung über den Alleinbezug, die in dem Vergleich enthalten gewesen seien, wettbewerbswidrige Wirkungen hätten haben können.

291    Wie bereits ausgeführt (siehe oben, Rn. 88), sind bei der Prüfung der Frage, ob eine geheime Absprache als bezweckte Einschränkung des Wettbewerbs angesehen werden kann, ihr Inhalt, ihre Entstehungsgeschichte und ihr wirtschaftlicher und rechtlicher Zusammenhang, insbesondere die besonderen Merkmale des Marktes, auf dem sie konkret ihre Wirkungen entfaltet, zu untersuchen. Dass aus dem Wortlaut einer Vereinbarung, die dazu dient, die Verhaltensweise umzusetzen, nicht hervorgeht, dass ein wettbewerbswidriger Zweck verfolgt wird, ist allein nicht ausschlaggebend.

292    Für die Einstufung als bezweckte Einschränkung des Wettbewerbs ist nämlich weder die Form der Verträge oder anderen Rechtsinstrumente, mit denen eine solche geheime Absprache umgesetzt wird, maßgeblich noch, wie die Parteien des Rechtsstreits über die Gültigkeit eines Patents dessen Ausgangs subjektiv einschätzen. Maßgeblich ist allein, inwieweit die Verhaltensweise den Wettbewerb auf dem betreffenden Markt wirtschaftlich beeinträchtigt. Dies ist objektiv zu beurteilen, wozu eine eingehende Untersuchung der Verhaltensweise, ihrer Ziele sowie ihres wirtschaftlichen und rechtlichen Zusammenhangs erforderlich sein kann (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 30. Januar 2020, Generics [UK] u. a., C‑307/18, EU:C:2020:52, Rn. 84 und 85) und vom 25. März 2021, Lundbeck/Kommission, C‑591/16 P, EU:C:2021:243, Rn. 131).

293    Vergleiche, mit denen ein Generikahersteller, der in den Markt eintreten will, die Gültigkeit eines Patents des Herstellers eines Originalpräparats zumindest zeitweilig anerkennt und sich deshalb verpflichtet, das Patent nicht anzufechten und nicht in den Markt einzutreten, können daher eine Einschränkung des Wettbewerbs bewirken. In Sektoren, in denen ausschließliche Rechte an Technologien bestehen, gehört die Anfechtung der Gültigkeit und Tragweite eines Patents nämlich zum normalen Wettbewerb (Urteil vom 30. Januar 2020, Generics [UK] u. a., C‑307/18, EU:C:2020:52, Rn. 81)

294    Wie das Gericht im Wesentlichen in Rn. 305 des angefochtenen Urteils ausgeführt hat, sind bei der Prüfung der Frage, ob eine Vereinbarung als bezweckte Einschränkung des Wettbewerbs eingestuft werden kann, die einzelnen Bestimmungen der Vereinbarung also nicht gesondert zu prüfen, sondern es ist zu prüfen, ob die Vereinbarung insgesamt betrachtet das reibungslose Funktionieren des Wettbewerbs auf dem betreffenden Markt in einem Maße wirtschaftlich beeinträchtigt, das die Einstufung als bezweckte Einschränkung des Wettbewerbs rechtfertigt. Da die Bestimmungen über die Nichtanfechtung, das Nichtinverkehrbringen und den Alleinbezug, die in dem Vergleich Servier/Teva enthalten sind, eng miteinander zusammenhängen, war es geboten, sie in ihrer Gesamtheit zu prüfen.

295    Außerdem berücksichtigt Servier bei ihrem Vorbringen nicht die oben in Rn. 83 dargestellte Rechtsprechung, wonach bei der Frage, ob ein Vergleich wie der Vergleich Serie/Teva eine bezweckte Einschränkung des Wettbewerbs darstellt, darauf abzustellen ist, ob die Wertübertragungen des Herstellers des Originalpräparats an den Generikahersteller die Gegenleistung dafür darstellen, dass dieser von einem Eintritt in den betreffenden Markt absieht (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 30. Januar 2020, Generics [UK] u. a., C‑307/18, EU:C:2020:52, Rn. 87 bis 94).

296    Im vorliegenden Fall hat das Gericht in den Rn. 644 und 645 des angefochtenen Urteils angenommen, dass die etwaigen neutralen oder wettbewerbsfördernden Wirkungen des Vergleichs Servier/Teva nicht relevant seien und dass die Rechtsprechung zu den akzessorischen Einschränkungen nicht einschlägig sei. Wie sich aus den Ausführungen oben in den Rn. 76 und 77, 148 bis 151, 272 und 278 ergibt, sind ihm insoweit keine Rechtsfehler unterlaufen, die geeignet wären, das Ergebnis, zu dem es in diesem Randnummern gelangt ist, in Frage zu stellen.

297    Was die Teva hinsichtlich ihres Marktverhaltens auferlegten Einschränkungen angeht, hat das Gericht im Wesentlichen die im streitigen Beschluss getroffenen Feststellungen bestätigt. Aus den in den Rn. 647 bis 678 des angefochtenen Urteils genannten Gründen hat es erstens festgestellt, dass es Teva durch die Bestimmung über die Nichtanfechtung verboten gewesen sei, nachzuweisen, dass ihr Perindopril die Patente von Servier nicht verletze, und diese Patente im Vereinigten Königreich anzufechten. Zweitens hat das Gericht festgestellt, dass Teva nach der Bestimmung über das Nichtinverkehrbringen verpflichtet gewesen sei, es im Vereinigten Königreich zu unterlassen, ihr eigenes, nach Auffassung von Servier Patent verletzendes Perindopril und jede andere, nach Auffassung von Servier Patent verletzende Version von Perindopril herzustellen oder in Verkehr zu bringen. Drittens hat das Gericht festgestellt, dass die Bestimmung über den Alleinbezug, die eng mit der Bestimmung über das Nichtinverkehrbringen zusammenhänge, Teva vor die Alternative gestellt habe, entweder das Perindopril von Servier, das Erbumin in der Kristallform Alpha enthalten habe, in Verkehr zu bringen oder, falls Servier dieses nicht liefern sollte, eine pauschale Entschädigung in Höhe von 500 000 GBP/Monat zu erhalten. Dies habe zusammen mit der Kopplung der beiden Bestimmungen in der Praxis dazu geführt, dass Servier in die Lage versetzt worden sei, Teva daran zu hindern, im Vereinigten Königreich ohne ihre Zustimmung ein Perindopril-Generikum, das Erbumin in der Kristallform Alpha enthalten habe, in Verkehr zu bringen.

298    Servier meint, das Gericht habe die Bestimmung über den Alleinbezug und die Bestimmung über das Nichtinverkehrbringen verfälscht. Anders als aus den Rn. 662 und 663 des angefochtenen Urteils hervorgehe, hätten sich diese Bestimmungen erstens nur auf Perindopril, das Erbumin in der Kristallform Alpha enthalten habe, bezogen, so dass es Teva freigestanden habe, bei Dritten andere Formen von Perindopril zu beziehen und sie in Verkehr zu bringen. Zweitens sei der Geltungsbereich dieser Bestimmungen nicht über den ihrer Patente hinausgegangen.

299    Was diesen Punkt und Rn. 663 des angefochtenen Urteils angeht, ergibt sich aus Rn. 6 des angefochtenen Urteils, dass sich das Patent EP1296947 speziell auf die Version von Perindopril, die Erbumin in der Kristallform Alpha enthält, und die Verfahren zu dessen Herstellung bezieht. Das angefochtene Urteil enthält hierzu keine anderen Ausführungen, die dies in Zweifel zögen. Nach dem Wortlaut des Vergleichs Servier/Teva galten die in ihm enthaltenen Bestimmungen über das Nichtinverkehrbringen und den Alleinbezug aber auch lediglich für Perindopril, das Erbumin in der Kristallform Alpha enthielt und damit zwingend in den Geltungsbereich des genannten Patents fiel. Die Feststellung in Rn. 663 des angefochtenen Urteils, dass der Geltungsbereich dieser Bestimmungen weiter gewesen sei als der Geltungsbereich der Patente von Servier, die Gegenstand des Vergleichs Servier/Teva gewesen seien, beruht mithin auf einer Verfälschung des Vergleichs.

300    In den Rn. 665 und 666 des angefochtenen Urteils hat das Gericht bei der wettbewerbsrechtlichen Prüfung des mit den in dem Vergleich Servier/Teva enthaltenen Bestimmungen über das Nichtinverkehrbringen und den Alleinbezug verfolgten Ziels aber – richtig und eindeutig – berücksichtigt, dass sich diese Bestimmungen lediglich auf Perindopril, das Erbumin in der Kristallform Alpha enthält, beziehen. Die Gesamtschau der Rn. 662, 665 und 666 des angefochtenen Urteils ergibt somit, dass das Gericht insoweit keine Verfälschung vorgenommen hat. Im Übrigen hat das Gericht das Vorbringen von Servier, wie die Generalanwältin in Rn. 175 ihrer Schlussanträge ausgeführt hat, mit der Begründung als irrelevant zurückgewiesen, dass die Form von Perindopril, die Teva zum Zeitpunkt der Unterzeichnung des Vergleichs Servier/Teva habe in Verkehr bringen wollen, gerade die gewesen sei, die Gegenstand der genannten Bestimmungen gewesen sei. Dass diese lediglich für diese Form von Perindopril gegolten haben, ändert daher nichts daran, dass sie, wie das Gericht festgestellt hat, den Wettbewerb eingeschränkt haben. Somit entkräftet die oben in Rn. 299 festgestellte Verfälschung dieser Bestimmungen nicht die Feststellung des Gerichts, dass diese wettbewerbswidrig gewesen seien. Sie betrifft letztlich nicht tragende Ausführungen des angefochtenen Urteils. Ebenso wenig kann Servier mit ihrem Vorbringen, dass es sich um Bestimmungen gehandelt habe, die durchaus üblich seien, durchdringen. Dieser Umstand ändert nämlich nichts an der Wettbewerbswidrigkeit der Bestimmungen.

301    Auch das übrige Vorbringen von Servier zu der fehlenden Beeinträchtigung des Wettbewerbs durch die Bestimmungen über Nichtanfechtung und das Nichtinverkehrbringen ist zurückzuweisen. Wie die Kommission geltend macht, werden damit nämlich in Wirklichkeit die Würdigung der beigebrachten Beweise und der relevanten Tatsachen angegriffen, die das Gericht bei der Auslegung des Vergleichs Servier/Teva vorgenommen hat.

d)      Zur umgekehrten Zahlung

1)      Vorbringen der Parteien

302    Einleitend wiederholt Servier, dass der Umstand, dass in einem Vergleich zur gütlichen Beilegung von Patentrechtsstreitigkeiten eine umgekehrte Zahlung vorgesehen sei, an sich nicht wettbewerbswidrig sei. Dies gelte erst recht, wenn eine umgekehrte Zahlung in einer Liefervereinbarung wie dem Vergleich Servier/Teva vorgesehen sei. Servier verweist insoweit auf ihr Vorbringen im Rahmen des dritten Teils des ersten Rechtsmittelgrundes (siehe oben, Rn. 139 und 140).

303    Zu der in dem Vergleich Servier/Teva enthaltenen Bestimmung über eine pauschale Entschädigung macht Servier geltend, dass dem Gericht in den Rn. 660 und 699 des angefochtenen Urteils bei der Annahme, dass diese Entschädigung zu der umgekehrten Zahlung gehöre, wegen deren der Vergleich als bezweckte Einschränkung des Wettbewerbs eingestuft worden sei, mehrere Rechtsfehler unterlaufen seien. Das Gericht habe in Rn. 685 des angefochtenen Urteils zu Unrecht angenommen, dass solche Bestimmungen nicht üblich seien. Auch wenn die Entschädigung dazu gedient habe, Teva einen Ausgleich dafür zu gewähren, dass sie davon abgesehen habe, in den Markt für Perindopril einzutreten, genüge dies nicht, um sie als umgekehrte Zahlung einstufen zu können. Die pauschale Entschädigung hänge nämlich nicht mit der gütlichen Beilegung von Patentrechtsstreitigkeiten zusammen, sondern mit der Nichterfüllung der Verpflichtung zur ausschließlichen Belieferung, die in dem Vergleich Servier/Teva vorgesehen sei. Es liege in der Natur der Sache, dass ungewiss gewesen sei, ob die Entschädigung gezahlt würde. Diese habe bei dem Vergleich mit den der gütlichen Beilegung von Patentrechtsstreitigkeiten inhärenten Kosten daher nicht berücksichtigt werden dürfen.

304    Was die Zahlung von 5 Mio. GBP an Teva angeht, macht Servier unter Verweis auf ihr Vorbringen im Rahmen des ersten Rechtsmittelgrundes geltend, dass diese Zahlung für die Einstufung als bezweckte Einschränkung des Wettbewerbs nicht relevant gewesen sei. Sie habe dazu gedient, die Kosten auszugleichen, die Teva durch die Kündigung der Vereinbarungen, die sie mit Hetero und der Alembic Pharmaceuticals Ltd geschlossen habe, die Herstellung eines Perindopril-Generikums, die Zerstörung der Bestände und die Verfahren entstanden seien. Diese Kosten seien aber unmittelbar durch den Vergleich Servier/Teva entstanden.

305    Mit der Behauptung in Rn. 697 des angefochtenen Urteils, dass sie geltend gemacht habe, dass diese Zahlung die in dem Vergleich Servier/Teva enthaltene Bestimmung über den Alleinbezug habe „absichern“ sollen, habe das Gericht ihr Vorbringen zum Rechtsgrund der Zahlung von 5 Mio. GBP verfälscht. Sie habe nämlich geltend gemacht, dass der Vergleich Servier/Teva aus ihrer Sicht dazu gedient habe, sich die Dienste von Teva als Vertriebspartner für Generika im Vereinigten Königreich zu sichern. Das Gericht habe diesen Gesichtspunkt aber nicht geprüft.

306    Die Kommission hält das Vorbringen von Servier sowohl für unzulässig als auch für unbegründet.

2)      Würdigung durch den Gerichtshof

307    Dem Vorbringen, dass die Zahlungen von Servier an Teva nicht einer umgekehrten Zahlung gleichgesetzt werden könnten, weil der Vergleich Servier/Teva kein Vergleich sei, sondern eine Vereinbarung über den Alleinbezug kann nicht gefolgt werden. Dieser Umstand ändert nämlich nichts daran, dass der Vergleich Servier/Teva bezweckte Einschränkungen des Wettbewerbs enthielt (siehe oben, Rn. 290 bis 300). Dass Servier dafür Geld gezahlt hat, dass Teva diese Einschränkungen hingenommen hat, kann deshalb eine solche umgekehrte Zahlung darstellen (siehe oben, Rn. 272).

308    Eine geheime Absprache ist nur dann nach Art. 101 Abs. 1 AEUV verboten, wenn sie verschiedene Tatbestandsmerkmale erfüllt, die nicht ihre Rechtsnatur oder die Rechtsinstrumente, mit denen sie umgesetzt wird, betreffen, sondern ihr Verhältnis zum Wettbewerb (siehe oben, Rn. 292). Da seine Anwendung eine Beurteilung der wirtschaftlichen Wirkungen der betreffenden Verhaltensweise voraussetzt, kann Art. 101 AEUV nicht in dem Sinne ausgelegt werden, dass er bestimmte, durch ihre Rechtsnatur gekennzeichnete Arten von Vereinbarungen ausnahmslos erfasste oder nicht erfasste. Jede Vereinbarung ist anhand ihres konkreten Inhalts in ihrem wirtschaftlichen Zusammenhang und insbesondere unter Berücksichtigung der Situation auf dem relevanten Markt zu beurteilen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 30. Juni 1966, LTM, 56/65, EU:C:1966:38, S. 302, und vom 17. November 1987, British American Tobacco und Reynolds Industries/Kommission, 142/84 und 156/84, EU:C:1987:490, Rn. 40). Zudem wäre die Wirksamkeit des Wettbewerbsrechts der Union schwerwiegend beeinträchtigt, wenn die Vertragsparteien wettbewerbswidriger Vereinbarungen sich der Anwendung von Art. 101 AEUV einfach dadurch entziehen könnten, dass sie diesen Vereinbarungen eine bestimmte Form geben.

309    Zurückzuweisen ist auch das Vorbringen von Servier, dass weder die anfängliche Zahlung von 5 Mio. GBP noch die pauschale Entschädigung in Höhe von 5,5 Mio. GBP zu einer umgekehrten Zahlung gehörten. Denn, wie bereits ausgeführt (siehe oben, Rn. 161 bis 167), ist zu prüfen, ob der positive Nettosaldo dieser Wertübertragungen in vollem Umfang durch die Erforderlichkeit, einen Ausgleich für durch den betreffenden Rechtsstreit entstandene Kosten oder Unannehmlichkeiten zu gewähren, gerechtfertigt werden kann, und wenn nein, ob der positive Nettosalto der Wertübertragungen hoch genug war, um den Generikahersteller tatsächlich dazu zu bewegen, von einem Eintritt in den betreffenden Markt abzusehen.

310    Wie sich aus den Rn. 687 bis 699 des angefochtenen Urteils ergibt, hat das Gericht aber eingehend geprüft, ob die beiden Zahlungen im Sinne der oben in den Rn. 161 bis 167 dargestellten Rechtsprechung erforderlich waren und ob sie Teva insbesondere in Anbetracht ihrer Höhe dazu bewogen haben, die in dem Vergleich Servier/Teva vorgesehenen Einschränkungen des Wettbewerbs hinzunehmen. Da Servier nicht dargetan hat, dass die Feststellungen, die die Kommission im streitigen Beschluss getroffen hat, nicht zuträfen, ist das Gericht nach den Ausführungen in den Rn. 687 bis 699 des angefochtenen Urteils rechtsfehlerfrei zu dem Schluss gelangt, dass die 10,5 Mio. GBP, die Servier an Teva gezahlt habe, Teva dazu bewogen hätten, von einem Eintritt in den Markt abzusehen.

311    Folglich ist das Vorbringen von Servier zu der umgekehrten Zahlung zurückzuweisen, und damit auch der vierte Rechtsmittelgrund insgesamt.

E.      Zum fünften Rechtsmittelgrund (Vergleich Servier/Lupin)

312    Mit dem fünften Rechtsmittelgrund wendet sich Servier gegen die Ausführungen des Gerichts zur Anwendung von Art. 101 Abs. 1 AEUV auf den Vergleich Servier/Lupin. Der fünfte Rechtsmittelgrund besteht aus drei Teilen.

1.      Zum ersten Teil des fünften Rechtsmittelgrundes (potenzieller Wettbewerb)

a)      Vorbringen der Parteien

313    Mit dem ersten Teil des fünften Rechtsmittelgrundes macht Servier unter Verweis auf ihr Vorbringen im Rahmen des zweiten Rechtsmittelgrundes geltend, dass dem Gericht bei der Anwendung des rechtlichen Kriteriums für die Einstufung von Lupin als potenzieller Wettbewerber Rechtsfehler unterlaufen seien.

314    Als Erstes macht Servier geltend, dass das angefochtene Urteil unter mehreren Verfälschungen leide.

315    Was den Sachverhalt angehe, habe das Gericht zum einen in den Rn. 729 und 730 des angefochtenen Urteils behauptet, dass in den in den Akten befindlichen Beweisen nicht davon die Rede sei, ja nicht einmal angedeutet werde, dass Lupin nach der Entscheidung des EPA vom 27. Juli 2006 vorgehabt hätte, das Patent EP1296947 nicht weiter anzugreifen. Diese Behauptung treffe aber nicht zu. Das Gericht habe insoweit die Tatsachen verfälscht. Lupin habe gegen die Entscheidung des EPA vom 27. Juli 2006 Beschwerde eingelegt und bei einem Gericht des Vereinigten Königreichs Klage auf Nichtigerklärung des Patents EP1296947 erhoben. Dieses Verfahren sei mit denen von Apotex und Krka verbunden worden. Anders als aus Rn. 1016 des streitigen Beschlusses hervorgehe, habe Lupin hinsichtlich der Erfolgsaussichten aber Zweifel gehabt.

316    Zum anderen habe das Gericht auch mit der Annahme in den Rn. 748 und 749 des angefochtenen Urteils, dass Lupin zum Zeitpunkt des Abschlusses des Vergleichs Servier/Lupin mit ihren Geschäftspartnern in Verhandlungen über den Vertrieb eines Perindopril-Generikum gestanden habe, die schon weit gediehen gewesen seien, die Tatsachen verfälscht. Dieser Verhandlungen seien begrenzt gewesen und seien nie erfolgreich abgeschlossen worden.

317    Das Gericht habe auch die Klageschrift verfälscht, indem es in Rn. 736 des angefochtenen Urteils angenommen habe, dass sie sich, was Lupin angehe, nicht gegen die Beurteilungskriterien gewandt habe, die Kommission beim Nachweis des potenziellen Wettbewerbs angewandt habe.

318    Als Zweites macht Servier geltend, dass das Gericht die Patentsituation und die geschäftliche Situation, mit der Lupin konfrontiert gewesen sei, zu Unrecht nicht hinreichend berücksichtigt habe.

319    Was die Patentsituation angehe, habe das Gericht in Rn. 728 des angefochtenen Urteils zu Unrecht angenommen, dass die Einschätzung der Patentsituation durch Lupin nur für die Frage relevant sei, ob Lupin die Absicht gehabt habe, in den Markt einzutreten.

320    Was die geschäftlichen Schwierigkeiten angehe, habe das Gericht in Rn. 749 des angefochtenen Urteils zu Unrecht angenommen, dass Lupin wirkliche und konkrete Möglichkeiten gehabt habe, ihr Perindopril-Generikum in der gesamten Union in Verkehr zu bringen. Lupin sei lediglich im Vereinigten Königreich präsent gewesen. Insoweit habe das Gericht ihr Vorbringen verfälscht. Es habe behauptet, dass sie lediglich geltend gemacht habe, dass unüberwindliche Handelshindernisse bestanden hätten. Sie habe aber darauf hingewiesen, dass Lupin, da sie keine Handelspartner gehabt habe, kurzfristig nicht in den Markt habe eintreten können. Dies sei dann auch so gewesen.

321    Die Kommission tritt diesem Vorbringen entgegen.

b)      Würdigung durch den Gerichtshof

322    Servier macht geltend, dass bestimmte Tatsachen in Anbetracht der in den Akten befindlichen Beweise nicht zuträfen und Beweise verfälscht worden seien. In Wirklichkeit wendet sich Servier aber gegen die Würdigung dieser Tatsachen und Beweise, die das Gericht in den Rn. 730, 748 und 749 des angefochtenen Urteils vorgenommen hat. Dafür ist der Gerichtshof nach der oben in Rn. 58 dargestellten Rechtsprechung im Rechtsmittelverfahren aber nicht zuständig.

323    Zu dem Vorbringen, dass das Gericht die Klageschrift verfälscht habe, ist festzustellen, dass sich aus dem eindeutigen und bestimmten Wortlaut von Rn. 108 der Klageschrift ergibt, dass Servier die von der Kommission angewandten rechtlichen Kriterien beanstandet hat. Servier hat geltend gemacht, dass die Kommission die Rechtsprechung zur Beurteilung des potenziellen Wettbewerbs nicht richtig angewandt habe. Indem sie im streitigen Beschluss angenommen habe, dass, wenn es für die Generikahersteller keine unüberwindlichen Hindernisse gebe, dies bedeute, dass diese wirkliche und konkrete Möglichkeiten gehabt hätten, in den Markt einzutreten, habe die Kommission die Begriffe „wirkliche und konkrete“ ausgehöhlt und „auf ein rechtliches Kriterium abgestellt, das nicht mit der Rechtsprechung zu vereinbaren sei“.

324    Unabhängig von einer solchen Verfälschung ist allerdings festzustellen, dass sich das Gericht nicht auf die Prüfung der Frage beschränkt hat, ob für einen Markteintritt von Lupin unüberwindliche Hindernisse bestanden. Es hat insbesondere in den Rn. 718 bis 724 des angefochtenen Urteils auch eingehend geprüft, ob Lupin im Hinblick auf den Markteintritt Vorbereitungsmaßnahmen getroffen hat, aus denen sich – nach den Ausführungen oben in den Rn. 79, 80 und 104 bis 111 – schließen lässt, dass Lupin die Absicht, die Fähigkeit und damit wirkliche und konkrete Möglichkeiten hatte, in den Markt einzutreten. Und wie bereits ausgeführt (siehe oben, Rn. 118, 120 und 121), hat das Gericht keinen Rechtsfehler begangen, indem es aus den in den Rn. 736 bis 743 des angefochtenen Urteils angeführten Gründen angenommen hat, dass das Vorbringen von Servier zu den Schwierigkeiten, auf die Lupin in den Verfahren über die Erteilung einer Genehmigung für das Inverkehrbringen gestoßen sei, nichts daran ändere, dass Lupin ein potenzieller Wettbewerber gewesen sei. Die festgestellte Verfälschung wirkt sich somit nicht auf die Gültigkeit des Tenors des angefochtenen Urteils aus.

325    Im Übrigen ist festzustellen, dass Servier bei ihrem Vorbringen zur Beurteilung der Patentsituation im Hinblick auf Lupin außer Acht lässt, dass das Gericht die durch die Patentsituation bedingten Hindernisse durchaus berücksichtigt hat. Ihr Vorbringen beruht insoweit auf einem unrichtigen Verständnis des angefochtenen Urteils. Denn, wie bereits ausgeführt (siehe oben, Rn. 108), hat das Gericht in Rn. 728 des angefochtenen Urteils nicht angenommen, dass die Einschätzung der Stärke eines Patents durch einen Generikahersteller für die Frage, ob Servier und Lupin potenzielle Wettbewerber gewesen seien, überhaupt nicht relevant wäre, sondern dass diese Einschätzung nur für die Frage relevant sein könne, ob Lupin die Absicht gehabt habe, in den Markt einzutreten, und nicht für die Frage, ob Lupin in der Lage gewesen sei, dies zu tun. Wie bereits ausgeführt (siehe oben, Rn. 107 bis 111), ist dem Gericht insoweit aber kein Rechtsfehler unterlaufen. Das Vorbringen vom Servier ist daher zurückzuweisen.

326    Zu dem Vorbringen von Servier zu den rechtlichen und geschäftlichen Hindernissen, mit denen Lupin zu kämpfen gehabt habe, insbesondere denen, die mit der Erforderlichkeit zu tun gehabt hätten, Geschäftspartner zu finden, und zu der behaupteten Verfälschung ihres erstinstanzlichen Vorbringens zu solchen geschäftlichen Schwierigkeiten ist festzustellen, dass es Servier damit in Wirklichkeit darum geht, die Tatsachenfeststellungen anzugreifen, die das Gericht in den Rn. 736 bis 742 und 744 bis 749 des angefochtenen Urteils vorgenommen hat, wofür der Gerichtshof nach der oben in Rn. 58 genannten Rechtsprechung im Rechtsmittelverfahren nicht zuständig ist.

327    Folglich ist der erste Teil des fünften Rechtsmittelgrundes zurückzuweisen.

2.      Zum zweiten Teil des fünften Rechtsmittelgrundes (Einstufung als bezweckte Einschränkung des Wettbewerbs)

328    Mit dem zweiten Teil des fünften Rechtsmittelgrundes Servier wiederholt Servier ihr Vorbringen im Rahmen des ersten Rechtsmittelgrundes und macht geltend, dass das Gericht den Vergleich Servier/Lupin rechtsfehlerhaft als bezweckte Einschränkung des Wettbewerbs eingestuft habe.

a)      Zur umgekehrten Zahlung

1)      Vorbringen der Parteien

329    Servier nimmt insoweit auf ihr Vorbringen im Rahmen des ersten Rechtsmittelgrundes Bezug. Servier wendet sich gegen die Annahme des Gerichts, dass eine Vereinbarung, die gleichzeitig mit einem Vergleich zur gütlichen Beilegung von Patentrechtsstreitigkeiten geschlossen werde, wenn sie nicht zu Marktbedingungen geschlossen worden sei, eine umgekehrte Zahlung darstelle, wegen deren der Vergleich dann eine bezweckte Beschränkung des Wettbewerbs darstelle.

330    Das Gericht habe in Rn. 827 des angefochtenen Urteils zu Unrecht festgestellt, dass die Zahlung von 40 Mio. Euro an Lupin eine umgekehrte Zahlung dargestellt habe. Der Vergleich, den das Gericht in Rn. 816 des angefochtenen Urteils zwischen diesem Betrag und den Gewinnen vorgenommen habe, mit denen Lupin gerechnet habe, sei nicht stichhaltig. Die 40 Mio. Euro hätten nämlich die Gegenleistung für die Nutzung der Patente dargestellt, und Lupin habe noch nicht darauf verzichtet gehabt, in den Markt einzutreten, sondern den Markteintritt von bestimmten Bedingungen abhängig gemacht. Auch wenn der Betrag die Gewinne, die Lupin in den zwei Jahren erzielt habe, überstiegen habe, habe die Kommission nicht nachgewiesen, dass er hoch genug gewesen sei, um Lupin dazu bewegen zu können, uneingeschränkt darauf zu verzichten, in den Markt für Perindopril einzutreten.

331    Die Kommission tritt diesem Vorbringen entgegen.

2)      Würdigung durch den Gerichtshof

332    Servier macht im Wesentlichen geltend, dass die 40 Mio. Euro, die sie für die Übertragung der drei Patentanmeldungen betreffenden Rechte des geistigen Eigentums an Lupin gezahlt habe, anders als das Gericht entschieden habe, keine umgekehrte Zahlung dargestellt hätten, sondern die legitime Gegenleistung für den Erwerb dieser Rechte.

333    Wie bereits ausgeführt (siehe oben, Rn. 163 und 166), können Beträge, die eine Vergütung für die Lieferung von Gütern an den Hersteller des Originalpräparats oder die Erbringung von Dienstleistungen ihm gegenüber darstellen, durchaus gerechtfertigt sein. Dies ist aber nicht der Fall, wenn sie übermäßig hoch und damit hierfür nicht erforderlich sind. In solchen Fällen ist zu prüfen, ob der positive Nettosaldo der betreffenden Beträge – einschließlich etwaiger gerechtfertigter Kosten – hoch genug ist, um den Generikahersteller tatsächlich dazu bewegen zu können, von einem Eintritt in den betreffenden Markt abzusehen, wobei der positive Nettosaldo nicht unbedingt höher sein muss als die Gewinne, die der Generikahersteller erzielt hätte, wenn er in dem Patentrechtsstreit, der gütlich beigelegt wurde, obsiegt hätte (siehe oben, Rn. 165).

334    Im vorliegenden Fall hat das Gericht in den Rn. 814 bis 824 des angefochtenen Urteils im Wesentlichen festgestellt, dass die 40 Mio. Euro, die Servier an Lupin für die Übertragung von drei Patentanmeldungen von Lupin gezahlt habe, als eine der Wertübertragungen zu berücksichtigen seien, anhand deren sich feststellen lasse, ob eine umgekehrte Zahlung vorliege, die die Gegenleistung für den Verzicht von Lupin auf den Markteintritt dargestellt habe. Insoweit hat es in Rn. 825 des angefochtenen Urteils festgestellt, dass Servier nicht dargetan habe, dass diese Zahlung einer zu normalen Marktbedingungen erfolgten Transaktion entsprochen hätte. Es hat also im Wesentlichen angenommen, dass die übertragene Technologie die Höhe dieses Betrags nicht gerechtfertigt habe, und ist deshalb in Rn. 827 des angefochtenen Urteils zu dem Schluss gelangt, dass die Zahlung in dem Kontext des Vergleichs zur gütlichen Beilegung von Patentrechtsstreitigkeiten zwischen Servier und Lupin einen Anreiz dargestellt habe. Nach den in der vorstehenden Randnummer genannten Kriterien sind dem Gericht bei diesen Erwägungen aber keine Rechtsfehler unterlaufen.

335    Da Servier keine Rechtsfehler dargetan hat, wegen deren die Erwägungen des Gerichts nicht gültig wären, ist ihr Vorbringen auch insoweit zurückzuweisen, als es ihr damit eigentlich darum geht, eine neue Würdigung der Tatsachen und Beweise zu erreichen, wofür der Gerichtshof nach der oben in Rn. 58 dargestellten Rechtsprechung im Rechtsmittelverfahren nicht zuständig ist.

336    Das Vorbringen von Servier ist daher zurückzuweisen.

b)      Zur Beeinträchtigung des Wettbewerbs durch die Bestimmungen des Vergleichs Servier/Lupin

1)      Vorbringen der Parteien

337    Was die im Vergleich Servier/Lupin enthaltene Bestimmung über die Nichtanfechtung angeht, macht Servier geltend, dass das Gericht in Rn. 836 des angefochtenen Urteils zu Unrecht angenommen habe, dass diese Bestimmung eine offensichtliche Einschränkung des Wettbewerbs darstelle, ohne den Kontext der Bestimmung zu untersuchen. Der Vergleich Servier/Lupin habe auf die Anfechtung des Patents EP1296947 durch Dritte wie Apotex keine Auswirkungen gehabt, was das Gericht bei den Vereinbarungen Servier/Krka auch festgestellt habe. Was ihre anderen Patente angeht, macht Servier geltend, dass Lupin weder die Absicht gehabt habe noch in der Lage gewesen sei, sie anzufechten, was das Gericht nicht geprüft habe.

338    Was die in dem Vergleich Servier/Lupin enthaltene Bestimmung über das Nichtinverkehrbringen angeht, macht Servier geltend, dass sie den Wettbewerb nicht habe einschränken können. Das Gericht habe in den Rn. 843 und 844 des angefochtenen Urteils den Kontext dieser Bestimmung nicht berücksichtigt, aus dem hervorgehe, dass der Eintritt von Lupin in den Markt des Vereinigten Königreichs durch das Patent EP1296947 und die gerichtlichen Anordnungen, die sie erwirkt habe, und dadurch, dass Lupin in diesem ehemaligen Mitgliedstaat weder über Genehmigungen für das Inverkehrbringen noch über Geschäftspartner verfügt habe, versperrt gewesen sei.

339    Nach dem Vergleich Servier/Lupin habe Lupin aber nach wie vor die Möglichkeit gehabt, in den Markt für das durch ihre Patente geschützte Perindopril einzutreten, wenn sie es einem Dritten vorher durch Erteilung einer Lizenz an ihren Patenten gestattet hätte, in diesen Markt einzutreten. Der Vergleich Servier/Lupin könne wegen dieser Möglichkeit des vorzeitigen Markteintritts nicht als bezweckte Einschränkung des Wettbewerbs eingestuft werden. Das Gericht habe in Rn. 954 des angefochtenen Urteils ausdrücklich anerkannt, dass die wettbewerbswidrigen Wirkungen einer Bestimmung über das Nichtinverkehrbringen durch die Gewährung einer Lizenz an einem Patent neutralisiert werden könnten.

340    In Rn. 852 des angefochtenen Urteils habe das Gericht dies aber wegen der Ungewissheit eines solchen vorzeitigen Markteintritts ausgeschlossen. Dieser Grund sei im streitigen Beschluss nicht genannt. Indem es die Begründung der Kommission durch seine eigene ersetzt habe, habe das Gericht seine Befugnisse überschritten und gegen den Grundsatz des kontradiktorischen Verfahrens verstoßen. Jedenfalls sei die Begründung des Urteils insoweit offensichtlich unzutreffend und verfälsche die Tatsachen.

341    Was die Bestimmung über den Abschluss einer Vereinbarung über den Bezug von Perindopril angeht, macht Servier geltend, dass sie, anders als das Gericht in den Rn. 858 und 859 des angefochtenen Urteils festgestellt habe, wettbewerbsfördernd sei, da sie es Lupin ermöglicht habe, in den Markt für Perindopril einzutreten. Daran ändere weder der Umstand etwas, das die Verpflichtung von Servier, mit Lupin eine Liefervereinbarung zu schließen, an Bedingungen geknüpft gewesen sei, noch der Umstand, dass eine solche Vereinbarung am Ende nicht geschlossen worden sei. Zu dem Fehlen einer ausdrücklichen Sanktion für die Nichterfüllung der Verpflichtung macht Servier geltend, dass eine solche Erwägung im streitigen Beschluss nicht enthalten sei. Es sei allein deshalb am Ende keine Liefervereinbarung geschlossen worden, weil es Lupin gelungen sei, für ihr Perindopril eine Genehmigung für das Inverkehrbringen zu erlangen.

342    Was die in dem Vergleich Servier/Lupin enthaltene Bestimmung über die Übertragung von Rechten und die Erteilung einer Lizenz angeht, macht Servier geltend, dass sie als stillschweigende Erteilung einer Lizenz an ihren eigenen Patenten verstanden werden könne. Die Bestimmung habe wettbewerbsfördernde Wirkungen. Das Gericht habe dieses Vorbringen zu Unrecht mit der Begründung zurückgewiesen, dass der Inhalt der Bestimmung unklar und ungewiss sei. Die erste Erwägung, nämlich, dass der Inhalt der Bestimmung unklar sei, sei unzutreffend und nicht im streitigen Beschluss enthalten. Die zweite Erwägung, nämlich, dass es wegen der oben in Rn. 339 genannten Bedingungen ungewiss gewesen sei, ob Servier Lupin eine Lizenz an ihren Patenten erteilen würde, ändere nichts an den wettbewerbsfördernden Wirkungen der Bestimmung über die Übertragung von Rechten und die Erteilung einer Lizenz.

343    Die Kommission tritt diesem Vorbringen entgegen.

2)      Würdigung durch den Gerichtshof

344    Das Gericht hat in den Rn. 836 und 837 des angefochtenen Urteils angenommen, dass es „offensichtlich“ sei, dass die in dem Vergleich Servier/Lupin enthaltene Bestimmung über die Nichtanfechtung den Wettbewerb einschränke, da sie vorsehe, dass Lupin verpflichtet sei, davon abzusehen, in sämtlichen Mitgliedstaaten des EWR die Patente von Servier, durch die Perindopril geschützt sei, anzufechten.

345    In den Rn. 839 bis 864 des angefochtenen Urteils, hat das Gericht festgestellt, dass die in dem Vergleich Servier/Lupin enthaltene Bestimmung über das Nichtinverkehrbringen es Lupin verboten habe, auf allen nationalen Märkten, für die der Vergleich gegolten habe, ein Perindopril-Generikum in den Verkehr zu bringen. Das Verbot hätte in drei Fällen nicht gegolten, nämlich, erstens, wenn die Patente von Servier ausgelaufen, für nichtig erklärt oder widerrufen worden wären, zweitens, wenn Servier das Inverkehrbringen eines von ihr hergestellten Generikums durch einen Dritten gestattet hätte, oder, drittens, wenn Servier eine Anordnung gegen einen Dritten, der ein nicht von ihr hergestelltes Perindopril-Generikum in Verkehr gebracht hätte, nicht beantragt oder nicht erlangt hätte.

346    Zwar seien bestimmte Bestimmungen des Vergleichs Servier/Lupin, was die Frage angehe, ob der Vergleich auch für andere Formen von Perindopril gegolten habe als die, die Erbumin in der durch das Patent EP1296947 geschützten Kristallform Alpha enthalten hätten, nicht eindeutig. Sie hätten aber praktisch bedeutet, dass Lupin der Eintritt in den Markt für Perindopril so lange verwehrt gewesen sei, als die Patente von Servier gültig gewesen seien, es sei denn, Servier hätte zuvor den Eintritt von Dritten in den Markt zugelassen oder ihre Patente hätten es ihr nicht ermöglicht, sich deren Markteintritt zu widersetzen.

347    In den Rn. 858 bis 860 des angefochtenen Urteils hat das Gericht angenommen, dass der Umstand, dass in dem Vergleich Servier/Lupin vorgesehen sei, dass Servier mit Lupin eine Liefervereinbarung schließen werde, nicht relevant sei, und dies im Wesentlichen damit begründet, dass Servier nicht verpflichtet gewesen sei, eine solche Vereinbarung zu schließen, und der Nichtabschluss einer solchen Vereinbarungen für die Vertragsparteien keine wesentlichen rechtlichen Folgen gehabt hätte.

348    Das Gericht ist aus den in den Rn. 865 bis 887 genannten Gründen zu dem Schluss gelangt, dass die Kommission die auf diese Weise vorgenommenen Einschränkungen des Verhaltens von Lupin zu Recht als bezweckte Einschränkungen des Wettbewerbs eingestuft habe.

349    Servier macht geltend, dass die in dem Vergleich Servier/Lupin enthaltenen Bestimmungen über die Nichtanfechtung, das Nichtinverkehrbringen, die Übertragung einer Lizenz und den Abschluss einer Liefervereinbarung nicht wettbewerbswidrig gewesen seien. Servier lässt dabei die oben in Rn. 83 dargestellte Rechtsprechung außer Acht, wonach bei der Frage, ob ein Vergleich wie der Vergleich Servier/Lupin eine bezweckte Einschränkung des Wettbewerbs darstellt, darauf abzustellen ist, ob die Wertübertragungen des Herstellers des Originalpräparats an den Generikahersteller die Gegenleistung dafür darstellen, dass dieser von einem Eintritt in den betreffenden Markt absieht. Das Gericht hat aber rechtsfehlerfrei festgestellt, dass der Vergleich Servier/Lupin eine umgekehrte Zahlung in Höhe von 40 Mio. Euro vorsehe (siehe oben, Rn. 332 bis 336).

350    Wie bereits ausgeführt (siehe oben, Rn. 293), können Vergleiche, mit denen ein Generikahersteller, der in den Markt eintreten will, die Gültigkeit eines Patents des Herstellers eines Originalpräparats zumindest zeitweilig anerkennt und sich deshalb verpflichtet, das Patent nicht anzufechten und nicht in den Markt einzutreten, eine Einschränkung des Wettbewerbs bewirken. In Sektoren, in denen ausschließliche Rechte an Technologien bestehen, gehört die Anfechtung der Gültigkeit und Tragweite eines Patents nämlich zum normalen Wettbewerb (Urteil vom 30. Januar 2020, Generics [UK] u. a., C‑307/18, EU:C:2020:52, Rn. 81). Dass eine Vereinbarung die Möglichkeiten eines potenziellen Wettbewerbers einschränkt, mit dem Inhaber eines Patents in Wettbewerb zu treten, ohne dass die Möglichkeit, dass der Wettbewerber in Wettbewerb tritt, völlig ausgeschlossen wird, ändert aber nichts daran, dass eine solche Vereinbarung eine bezweckte Einschränkung des Wettbewerbs darstellt.

351    Da die oben in den Rn. 344 bis 348 zusammengefassten Ausführungen des Gerichts somit keine Rechtsfehler aufweisen, ist das Vorbringen von Servier zurückzuweisen.

352    Was das oben in den Rn. 339 bis 342 zusammengefasste Vorbringen von Servier betreffend die angeblich wettbewerbsfördernden Wirkungen des Vergleichs Servier/Lupin angeht, kann es mit der Feststellung sein Bewenden haben, dass solche Wirkungen nach der oben in den Rn. 73, 76 und 77 angeführten Rechtsprechung für die Frage, ob eine bezweckte Einschränkung des Wettbewerbs vorliegt, nicht relevant sind.

c)      Zum Geltungsbereich des Vergleichs Servier/Lupin

1)      Vorbringen der Parteien

353    Servier wendet sich gegen die Annahme des Gerichts in den Rn. 875 bis 877 des angefochtenen Urteils, dass die Kommission zu Recht angenommen habe, dass die den Wettbewerb einschränkenden Bestimmungen, die in dem Vergleich Servier/Lupin enthalten gewesen seien, auch für andere Produkte als das Perindopril gegolten hätten, das Erbumin in der durch das Patent EP1296947, das Gegenstand der Rechtsstreitigkeiten gewesen sei, die durch den Vergleich gütlich beigelegt worden seien, geschützten Kristallform Alpha enthalten habe, weshalb die Einstufung des Vergleichs als bezweckte Einschränkung des Wettbewerbs gerechtfertigt sei.

354    Indem es damit die für sie ungünstigste Auslegung des Vergleichs Servier/Lupin gebilligt habe, habe das Gericht gegen den Grundsatz der Unschuldsvermutung verstoßen und die Rechtsprechung nicht beachtet, wonach Zweifel zugunsten des Unternehmen gingen, an das der Beschluss gerichtet sei, mit dem eine Zuwiderhandlung festgestellt werde.

355    Servier macht weiter geltend, dass das Gericht in Rn. 877 des angefochtenen Urteils rechtsfehlerhaft festgestellt habe, dass Bestimmungen über das Nichtinverkehrbringen und die Nichtanfechtung, die in einem Vergleich zur gütlichen Beilegung von Patentrechtsstreitigkeiten enthalten seien, allein deshalb als bezweckte Einschränkung des Wettbewerbs eingestuft werden könnten, weil sie über den Geltungsbereich eines „genau bezeichneten Patents“ hinausgingen. Denn es sei zulässig, dass sich solche Vergleiche, um zukünftige Rechtsstreitigkeiten zu vermeiden, auf eine Gesamtheit von Patenten bezögen. Im vorliegenden Fall sei Lupin durch den Vergleich Servier/Lupin in keiner Weise daran gehindert gewesen, das Patent EP1296947 nicht verletzende Versionen von Perindopril in Verkehr zu bringen.

356    Die Kommission tritt diesem Vorbringen entgegen.

2)      Würdigung durch den Gerichtshof

357    Das Gericht hat in Rn. 877 des angefochtenen Urteils festgestellt, dass der Umstand, dass ein Vergleich zur gütlichen Beilegung eines Patentrechtsstreits Bestimmungen über die Nichtanfechtung und das Nichtinverkehrbringen enthalte, deren Geltungsbereich weiter sei als der des Patents „… hinreichend schädlich für das gute Funktionieren des normalen Wettbewerbs [ist], um die Aufnahme solcher Klauseln in eine Vergleichsvereinbarung als bezweckte Wettbewerbsbeschränkung einzustufen, ohne dass darüber hinaus das Bestehen eines Anreizes dargetan zu werden braucht“.

358    In Rn. 878 des angefochtenen Urteils hat das Gericht dann festgestellt, dass, selbst unterstellt, die Kommission hätte zu Unrecht angenommen, dass der Geltungsbereich des Vergleichs Servier/Lupin weiter sei als der des Patents EP1296947, ein solcher Fehler nicht geeignet wäre, die Feststellung der Kommission in Frage zu stellen, dass eine bezweckte Einschränkung des Wettbewerbs vorliege, da diese im Wesentlichen auf dem Vorliegen einer umgekehrten Zahlung beruhe, die Lupin dazu bewogen habe, von einem Eintritt in den betreffenden Markt abzusehen. Es ergibt sich somit aus diesen Ausführungen und daraus, dass die Rügen, mit denen Servier geltend gemacht hat, dass im vorliegenden Fall keine umgekehrte Zahlung vorgelegen habe, oben in den Rn. 329 bis 336 zurückgewiesen worden sind, dass es sich bei den in Rn. 877 des angefochtenen Urteils dargestellten Erwägungen um Hilfserwägungen handelt. Die gegen Rn. 877 des angefochtenen Urteils gerichteten Rügen gehen deshalb ins Leere und sind zurückzuweisen.

359    Folglich ist der zweite Teil des fünften Rechtsmittelgrundes zurückzuweisen.

3.      Zum dritten Teil des fünften Rechtsmittelgrundes (Ende der Zuwiderhandlung)

a)      Vorbringen der Parteien

360    Mit dem dritten Teil des fünften Rechtsmittelgrundes macht Servier geltend, dass dem Gericht bei der Bestimmung des Endes der Zuwiderhandlung durch den Vergleich Servier/Lupin Rechtsfehler unterlaufen seien.

361    Servier weist darauf hin, dass sie in ihrer Klage gerügt habe, dass dieser Zeitpunkt nicht richtig bestimmt worden sei. Sie habe vorgebracht, dass der streitige Beschluss insoweit nicht stimmig und nicht begründet sei. Bei Frankreich habe die Kommission das Ende der Zuwiderhandlung auf den Zeitpunkt des Eintritts eines anderen Generikaherstellers, der Sandoz AG, in diesen Markt, der im September 2008 erfolgt sei, festgesetzt. Hingegen habe sie den Zeitpunkt des Markteintritts von Sandoz bei Belgien, der Tschechischen Republik, Irland und Ungarn für nicht relevant erachtet, und angenommen, dass die Zuwiderhandlung dort mit dem Erlass der Entscheidung des EPA vom 6. Mai 2009 geendet habe.

362    Das Gericht habe diese Unstimmigkeit und diesen offensichtlichen Beurteilungsfehler rechtsfehlerhaft nicht beanstandet. Es habe in Rn. 898 des angefochtenen Urteils auf die Mehrdeutigkeit des Wortlauts des Vergleichs Servier/Lupin und in den Rn. 899 und 903 des angefochtenen Urteils auf den Umstand, dass die Vertragsparteien sich auch nach dem Eintritt von Sandoz in den Markt für Perindopril weiter an den Vergleich Servier/Lupin gehalten hätten, abgestellt. Diese Erwägungen seien im streitigen Beschluss aber nicht enthalten. Das Gericht habe die Begründung der Kommission also durch seine eigene ersetzt. Diese sei aber nicht stichhaltig. Lupin sei deshalb nicht in den Markt eingetreten, weil sie nicht über die hierfür erforderlichen Genehmigungen verfügt habe.

363    Wie sich aus Rn. 2127 des streitigen Beschlusses für den Markt in Frankreich ergebe, habe der Markteintritt von Sandoz nach dem Wortlaut des Vergleich Servier/Lupin dazu geführt, dass Lupin von ihrer Verpflichtung zum Nichtinverkehrbringen befreit worden sei. Das Gericht hätte anerkennen müssen, dass der Markteintritt von Sandoz aus demselben Grund auch dazu geführt habe, dass die Zuwiderhandlung durch den Vergleich Servier/Lupin in Belgien im Juli 2008, in der Tschechischen Republik im Januar 2009, in Irland im Juni 2008 und in Ungarn im Dezember 2008 geendet habe.

364    Servier beantragt, Art. 7 Abs. 5 Buchst. b des streitigen Beschlusses für nichtig zu erklären und die gegen sie verhängte Geldbuße in Höhe von 37 102 100 Euro entsprechend auf 34 745 100 Euro herabzusetzen.

365    Die Kommission tritt diesem Vorbringen entgegen.

366    Sie macht geltend, dass die in Rn. 1039 des streitigen Beschlusses vorgenommene Auslegung der im Vergleich Servier/Lupin enthaltenen Bestimmung über das Nichtinverkehrbringen auf den Angaben von Servier beruhe. Nach dieser Auslegung habe die Bestimmung über das Nichtinverkehrbringen nach dem Eintritt eines von Sandoz hergestellten Perindopril-Generikums in die Märkte in Belgien, in der Tschechischen Republik, in Irland und in Ungarn weiter Wirkungen entfaltet.

367    Nachdem Sandoz dieses Arzneimittel, das keines der durch das Patent EP1296947 geschützten Kristalle enthalten habe, am 17. September 2008 in Verkehr gebracht habe, habe Lupin Servier gebeten zu bestätigen, dass sie ihr Generikum nun in Verkehr bringen könne. Servier habe auf diese Frage in ihrer Antwort vom 31. März 2009 nicht mit Ja geantwortet. Der Markteintritt von Lupin sei daher erst ab der Entscheidung des EPA vom 6. Mai 2009 möglich geworden.

b)      Würdigung durch den Gerichtshof

368    Servier macht im Wesentlichen geltend, dass die Kommission, indem sie es abgelehnt habe, festzustellen, dass die Zuwiderhandlung durch den Vergleich Servier/Lupin auf den Märkten in Belgien, in der Tschechischen Republik, in Irland und in Ungarn an dem Tag des Markteintritts eines von Sandoz hergestellten Perindopril-Generikums geendet habe, wie sie es für den französischen Markt festgestellt habe, eine in sich nicht stimmige Begründung gegeben und einen offensichtlichen Beurteilungsfehler begangen habe. Das Gericht habe dies rechtsfehlerhaft nicht beanstandet.

369    Wie sich aus Rn. 3136 des streitigen Beschlusses ergibt, hat die Kommission angenommen, dass die Zuwiderhandlungen gegen Art. 101 AEUV mit den Abschluss der streitigen Vergleiche begonnen und „zu dem Zeitpunkt, zu dem die konkurrierenden Generikahersteller in der Lage gewesen sind, in Wettbewerb zu treten“, geendet hätten. Nach Art. 5 des streitigen Beschlusses hat die Zuwiderhandlung bei dem Vergleich Servier/Lupin am 30. Januar 2007 begonnen und am 6. Mai 2009, dem Tag des Erlasses der Entscheidung des EPA, mit der das Patent EP1296947 widerrufen wurde, geendet, außer bei fünf nationalen Märkten, u. a. dem französischen Markt, bei dem die Kommission angenommen hat, dass die Zuwiderhandlung am 16. September 2008, dem Tag des Markteintritts eines von Sandoz hergestellten Perindopril-Generikums, geendet habe.

370    In Rn. 410 des streitigen Beschlusses hat die Kommission aber festgestellt, dass Sandoz ihr Perindopril-Generikum in Belgien im Juli 2008, in der Tschechischen Republik im Januar 2009, in Irland im Juni 2008 und in Ungarn im Dezember 2008 in Verkehr gebracht hat.

371    Mit einem Klagegrund betreffend die gegen sie gemäß Art. 101 AEUV verhängten Geldbußen hatte Servier geltend gemacht, dass bei dem Vergleich Servier/Lupin die Dauer der Zuwiderhandlung nicht richtig bestimmt worden sei. Die Kommission hätte wie bei dem französischen Markt zu dem Schluss gelangen müssen, dass die Zuwiderhandlung in Belgien, in der Tschechischen Republik, in Irland und in Ungarn zum Zeitpunkt des Markteintritts von Sandoz geendet habe.

372    Das Gericht hat in Rn. 894 des angefochtenen Urteils angenommen, dass der Vergleich Servier/Lupin dahin verstanden werden könne, dass er „einen Markteintritt von Lupin mit ihren eigenen Erzeugnissen erlaubt, wenn ein nicht von Servier hergestelltes generisches ‚Erzeugnis‘, ohne dass eine einstweilige Verfügung verletzt und ein von Servier gestellter Antrag auf einstweilige Verfügung zurückgewiesen worden ist, auf den Markt gelangt ist.“

373    Wegen des nicht eindeutigen Wortlauts der in dem Vergleich Servier/Lupin verwendeten Definition des Begriffs des Erzeugnisses hat das Gericht allerdings angenommen, dass sich die Frage, ob der Eintritt von Sandoz in einen Markt mit einem Produkt, das nicht Erbumin in der durch das Patent EP1296947 geschützten Kristallform Alpha enthalte, dazu führen könne, dass die Bestimmung über das Nichtinverkehrbringen keine Wirkungen mehr entfalte, nicht eindeutig beantworten lasse. Diese Ungewissheiten seien geeignet gewesen, Lupin trotz des Markteintritts des Perindopril-Generikums von Sandoz davon abzuhalten, in die betreffenden Märkte einzutreten.

374    Das Gericht hat in Rn. 902 des angefochtenen Urteils festgestellt, dass „[d]er Umstand, dass die Vermarktungsverbotsklausel … in Kraft blieb, was den Fortbestand einer Willensübereinstimmung der Parteien zeigt – möglicherweise im Widerspruch zu der Auslegung der Voraussetzungen für die Anwendung dieser Klausel, die etwa ein über den Vertrag entscheidendes Gericht später vornehmen könnte –, … zur Rechtfertigung der Feststellung der Kommission [genügt], dass die Willensübereinstimmung zwischen Servier und Lupin und damit die Zuwiderhandlung trotz der Markteintritte von Sandoz fortbestand.“

375    Schließlich hat das Gericht in Rn. 903 des angefochtenen Urteils festgestellt, dass „… jedenfalls … Servier und Lupin die Vermarktungsverbotsklausel nach den sukzessiven Eintritten von Sandoz in die vier in Rede stehenden Märkte weiter angewandt haben“, und das Vorbringen von Servier in den Rn. 905 und 906 des angefochtenen Urteils mit der Begründung zurückgewiesen, dass die Fortsetzung einer Zuwiderhandlung über den Zeitraum hinaus, für den eine Vereinbarung formal gültig sei, festgestellt werden könne, wenn die betreffenden Unternehmen ein verbotenes Verhalten weiter an den Tag gelegt hätten.

376    Wie bereits ausgeführt (siehe oben, Rn. 369), hat die Kommission im streitigen Beschluss bei der Bestimmung des Endes des Zeitraums der Zuwiderhandlung nicht auf den Zeitpunkt abgestellt, ab dem die betreffenden Verhaltensweisen als solche aufgehört haben, sondern auf „de[n] Zeitpunkt, zu dem die konkurrierenden Generikahersteller in der Lage gewesen sind, in Wettbewerb zu treten“. Angesichts der Situation, wie sie sich nach dem Eintritt des von Sandoz hergestellten Perindopril-Generikums in die nationalen Märkte darstellte, stellte sich deshalb in allen betreffenden Märkten die Frage, ob die betreffende Bestimmung über das Nichtinverkehrbringen weiter galt. Die Begründung des angefochtenen Urteils enthält keinen Hinweis darauf, dass dies nicht der Fall gewesen wäre.

377    Das Gericht hat im angefochtenen Urteil aber nicht erläutert, warum der französische Markt in Rn. 2127 des streitigen Beschlusses anders behandelt worden ist als der belgische, der tschechische, der irische und der ungarische Markt. Zwar hat das Gericht in Rn. 900 des angefochtenen Urteils festgestellt, dass auch auf dem französischen Markt hinsichtlich des Zeitpunkts, zu dem es Lupin wegen des Markteintritts von Sandoz freigestanden habe, in den Markt einzutreten, Unsicherheiten bestanden hätten. Es hat daraus hinsichtlich des Zeitpunkts, zu dem die Zuwiderhandlung auf diesem Markt geendet hat, aber keinerlei Konsequenzen gezogen. Daher lässt sich anhand des angefochtenen Urteils nicht nachvollziehen, warum der streitige Beschluss nicht insoweit rechtswidrig sein soll, als die Kommission den französischen Markt anders behandelt hat als die vier anderen genannten Märkte.

378    Die Frage, zu welchem Zeitpunkt es Lupin freigestanden hat, in den Markt einzutreten, stellte sich im Zusammenhang mit der Situation, wie sie sich nach dem Markteintritt von Sandoz darstellte, in Frankreich, in Belgien, in der Tschechischen Republik, in Irland und in Ungarn nämlich in vergleichbarer Weise. Das Gericht hat dem Klagegrund, mit dem Servier geltend gemacht hatte, dass die Begründung des streitigen Beschlusses widersprüchlich sei, aber nicht stattgegeben.

379    Somit ist festzustellen, dass das angefochtene Urteil unter einem Rechtsfehler leidet und dem dritten Teil des fünften Rechtsmittelgrundes stattzugeben ist.

F.      Zum siebten Rechtsmittelgrund (Geldbußen)

380    Mit dem siebten Rechtsmittelgrund wendet sich Servier gegen die Ausführungen des Gerichts zu ihren Anträgen auf Aufhebung der gegen sie verhängten Geldbußen und zur Berechnung von deren Höhe. Der siebte Rechtsmittelgrund besteht aus zwei Teilen.

1.      Zum ersten Teil des siebten Rechtsmittelgrundes (Verstoß gegen den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit im Zusammenhang mit Straftaten und Strafen)

a)      Vorbringen der Parteien

381    Servier macht geltend, dass das Gericht mit seiner Annahme in Rn. 1660 des angefochtenen Urteils, dass sie „nötigenfalls nach Einholung fachkundigen Rates [hätte] davon ausgehen müssen, dass ihr Verhalten für mit den Wettbewerbsregeln des Unionsrechts unvereinbar erklärt werden könnte“, gegen den in Art. 49 Abs. 1 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union verbürgten Grundsatz der Gesetzmäßigkeit im Zusammenhang mit Straftaten und Strafen verstoßen habe, seiner Begründungspflicht nicht nachgekommen sei und aufgrund einer Erwägung entschieden habe, die in Widerspruch stehe zu der in Rn. 1666 des angefochtenen Urteils, dass „die Rechtswidrigkeit [der Vereinbarungen, die Gegenstand des streitigen Beschlusses sind] … für einen außenstehenden Beobachter wie die Kommission oder auf den betroffenen Gebieten spezialisierte Juristen möglicherweise nicht klar war“.

382    Servier ist nämlich der Auffassung, dass die Kommission wegen dieses Grundsatzes in Fällen, die insoweit neu seien, als sie dadurch gekennzeichnet seien, dass es keine früheren Entscheidungen oder Urteile gebe, und die komplex seien, keine Geldbußen verhängen dürfe. Der vorliegende Fall sei aber neu und komplex. Seine Neuheit werde bestätigt durch eine Erklärung des Referatsleiters, der für die Untersuchung der Kommission verantwortlich gewesen sei, auf die hin der streitige Beschluss erlassen worden sei, durch die Rn. 3091, 3092 und 3107 des streitigen Beschlusses und durch die Erwägungen, die das Gericht in Rn. 1660 des angefochtenen Urteils angestellt habe.

383    Die Komplexität der wirtschaftlichen und rechtlichen Fragen, die sich gestellt hätten, zeige sich u. a. an dem außergewöhnlichen Umfang des streitigen Beschlusses und den Äußerungen in diesem Sinne, die die Kommission im erstinstanzlichen Verfahren gegenüber dem Kanzler des Gerichts gemacht habe. Wegen dieser Komplexität habe die Kommission dann 2014 die Leitlinien zu Technologietransfer-Vereinbarungen von 2004 geändert, um klarzustellen, dass Vergleiche zur gütlichen Beilegung von Rechtsstreitigkeiten nach Art. 101 Abs. 1 AEUV verboten sein könnten.

384    Servier macht geltend, dass das Gericht mit dem Hinweis, dass es genügt hätte, fachkundigen Rat einzuholen, um zu erkennen, dass ihr Verhalten eine Zuwiderhandlung gegen Art. 101 AEUV dargestellt habe, die Tatsachen verfälscht habe.

385    Die Kommission tritt diesem Vorbringen entgegen.

b)      Würdigung durch den Gerichtshof

386    Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs folgt aus dem Grundsatz der Gesetzmäßigkeit im Zusammenhang mit Straftaten und Strafen, dass das Gesetz die Straftaten und die für sie angedrohten Strafen klar definieren muss. Diese Voraussetzung ist erfüllt, wenn der Rechtsunterworfene anhand des Wortlauts der einschlägigen Bestimmung und nötigenfalls mit Hilfe ihrer Auslegung durch die Gerichte erkennen kann, welche Handlungen und Unterlassungen seine strafrechtliche Verantwortung begründen (Urteil vom 22. Mai 2008, Evonik Degussa/Kommission, C‑266/06 P, EU:C:2008:295, Rn. 39 und die dort angeführte Rechtsprechung).

387    Der Grundsatz der gesetzlichen Bestimmtheit von strafbaren Handlungen und Strafen darf folglich nicht so verstanden werden, dass er die schrittweise Klärung der Vorschriften über die strafrechtliche Verantwortlichkeit durch richterliche Auslegung von Fall zu Fall untersagt, vorausgesetzt, dass das Ergebnis zum Zeitpunkt der Begehung der Zuwiderhandlung insbesondere unter Berücksichtigung der Auslegung, die zu dieser Zeit in der Rechtsprechung zur fraglichen Rechtsvorschrift vertreten wurde, hinreichend vorhersehbar ist (Urteil vom 22. Oktober 2015, AC‑Treuhand/Kommission, C‑194/14 P, EU:C:2015:717, Rn. 41 und die dort angeführte Rechtsprechung).

388    Die Bedeutung des Begriffs der Vorhersehbarkeit hängt in hohem Maß vom Inhalt der in Rede stehenden Vorschriften, von dem durch sie geregelten Bereich sowie von der Zahl und der Eigenschaft ihrer Adressaten ab. Mit der Vorhersehbarkeit des Gesetzes ist es nicht unvereinbar, dass die betreffende Person gezwungen ist, fachkundigen Rat einzuholen, um unter den Umständen des konkreten Falles angemessen zu beurteilen, welche Folgen sich aus einer bestimmten Handlung ergeben können. Das gilt insbesondere für berufsmäßig tätige Personen, die gewohnt sind, sich bei der Ausübung ihrer Tätigkeit sehr umsichtig verhalten zu müssen. Von ihnen kann daher erwartet werden, dass sie die Risiken ihrer Tätigkeit besonders sorgfältig beurteilen (Urteil vom 22. Oktober 2015, AC‑Treuhand/Kommission, C‑194/14 P, EU:C:2015:717, Rn. 42 und die dort angeführte Rechtsprechung).

389    Im vorliegenden Fall hat das Gericht diese Rechtsprechung des Gerichtshofs in den Rn. 1656 bis 1658 des angefochtenen Urteils dargestellt. Es hat in den Rn. 1659 bis 1665 des angefochtenen Urteils im Wesentlichen darauf hingewiesen, dass Servier wegen des Umfangs des Verbots gemäß Art. 101 Abs. 1 AEUV hätte wissen müssen, dass sie sich, wenn sie die Generikahersteller dafür bezahle, dass sie nicht in den Markt für Perindopril einträten, auf eine Weise verhalte, die durch diese Bestimmung verboten sei. Hierzu ist festzustellen, dass der Umstand, dass die Einstufung der Verhaltensweisen, wegen deren die Zuwiderhandlungen festgestellt wurden, als bezweckte Einschränkungen des Wettbewerbs angeblich neu war, nichts daran ändert, dass diese Verhaltensweisen so einzustufen waren (siehe oben, Rn. 144).

390    Wie das Gericht in den Rn. 1666 und 1667 des angefochtenen Urteils ausgeführt hat, ändert der Umstand, dass die streitigen Vergleiche und ihr Kontext komplex waren und deshalb im Verwaltungsverfahren gewisse Schwierigkeiten bereitet haben, die die lange Dauer des Verwaltungsverfahrens und den großen Umfang des streitigen Beschlusses rechtfertigen, nichts daran, dass die betroffenen Unternehmen hätten wissen müssen, dass diese Vergleiche Zuwiderhandlungen darstellten. Wie sich aus einer Gesamtschau des angefochtenen Urteils ergibt, war es nämlich gerade Ziel dieser Vergleiche, die potenziellen Wettbewerber von Servier, die Generikahersteller, durch umgekehrte Zahlungen – ein Mittel, das nicht mit dem freien Wettbewerb zu vereinbaren ist – vom Markt für Perindopril fernzuhalten.

391    Der erste Teil des siebten Rechtsmittelgrundes ist daher zurückzuweisen.

2.      Zum zweiten Teil des siebten Rechtsmittelgrundes (Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit)

a)      Vorbringen der Parteien

392    Mit dem zweiten Teil des siebten Rechtsmittelgrundes macht Servier geltend, dass das Gericht den Klagegrund, mit dem sie geltend gemacht habe, dass die Kommission dadurch gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstoßen habe, dass sie bei der Zuwiderhandlung gegen Art. 101 AEUV den Grundbetrag der Geldbuße auf 11 % ihres Umsatzes festgesetzt habe, zu Unrecht zurückgewiesen habe.

393    Das Gericht habe die Komplexität und die Neuheit des Falls und mehrere andere Umstände des Kontextes, wegen deren eine Herabsetzung der gegen sie verhängten Geldbuße gerechtfertigt gewesen wäre, außer Acht gelassen.

394    Indem es in Rn. 1797 des angefochtenen Urteils angenommen habe, dass die gerichtlichen Entscheidungen, mit denen die Gültigkeit des Patents EP1296947 anerkannt worden sei, nicht relevant seien, habe das Gericht den durch die Patentsituation bedingten Kontext der Rechtssache nicht berücksichtigt. Es sei absurd, dass gegen sie eine höhere Geldbuße verhängt worden sei, weil ihr mit der Entscheidung des EPA vom 27. Juli 2006 Recht gegeben und die Dauer des Verfahrens über die Gültigkeit des Patents EP1296947 damit verlängert worden sei. Eine derart hohe Geldbuße hätte gegen sie allenfalls verhängt werden dürfen, wenn es sich um ein fiktives Patent gehandelt hätte.

395    Bei der Beurteilung der Schwere der Zuwiderhandlungen habe die Kommission in Rn. 3130 des streitigen Beschlusses auf ihre Marktanteile abgestellt, die sie auf über 90 % geschätzt habe. Das Gericht habe in Rn. 1602 des angefochtenen Urteils festgestellt, dass diese Schätzung, bei der eine unrichtige Definition des relevanten Marktes zugrunde gelegt worden sei, nicht zutreffe. Es habe daraus bei der Berechnung der Geldbuße aber keine Konsequenzen gezogen. Es habe in Rn. 1954 des angefochtenen Urteils lediglich auf die Rn. 1948 bis 1953 des angefochtenen Urteils verwiesen, ohne zu begründen, warum es die Geldbuße nicht herabgesetzt habe. Es habe damit gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstoßen und sei seiner Begründungspflicht nicht nachgekommen.

396    Das Gericht habe auch nicht berücksichtigt, dass die streitigen Vergleiche nicht geheim gewesen seien. In anderen Sachen habe die Kommission in solchen Fällen aber einen niedrigeren Koeffizienten für die Schwere der Zuwiderhandlung angewandt als im vorliegenden Fall.

397    Die streitigen Vergleiche hätten gar nicht zu einer Verzögerung des Markteintritts von Generika geführt. Sie könnten nicht, wie das Gericht es in Rn. 1883 des angefochtenen Urteils getan habe, als eine extreme Form der Aufteilung der Märkte und der Einschränkung der Erzeugung angesehen werden. Diese Erwägung stehe in Widerspruch zu der in Rn. 1666 des angefochtenen Urteils, dass die Rechtswidrigkeit der streitigen Vergleiche möglicherweise nicht klar gewesen sei.

398     Die Kommission tritt diesem Vorbringen entgegen.

b)      Würdigung durch den Gerichtshof

399    Das Vorbringen, dass das Gericht bei der Beurteilung der Schwere der Zuwiderhandlungen nicht berücksichtigt habe, dass diese neu gewesen seien, ist zurückzuweisen. Wie bereits ausgeführt, ändert dies nichts an der Einstufung der streitigen Vergleiche als bezweckte Einschränkung des Wettbewerbs (siehe oben, Rn. 144) und wurde mit den streitigen Vergleichen gerade das Ziel verfolgt, die potenziellen Wettbewerber von Servier vom Markt auszuschließen (siehe oben, Rn. 390).

400    Indem sie sich mit dem Hinweis auf die Bedeutung der Rechte aus dem Patent gegen Rn. 1797 des angefochtenen Urteils wendet, wiederholt Servier lediglich ihr Vorbringen, dass das Gericht nicht berücksichtigt habe, dass die Vertragsparteien die Gültigkeit des Patents EP1296947 anerkannt hätten. Die Annahme der Kommission, dass mit den streitigen Vergleichen neben dem Ziel der gütlichen Beilegung von Patentrechtsstreitigkeiten auch das Ziel des Ausschlusses von Wettbewerbern vom Markt verfolgt worden sei, was eine extreme Form der Aufteilung der Märkte und der Einschränkung der Erzeugung darstelle, ist vom Gericht aber rechtsfehlerfrei bestätigt worden.

401    Entgegen dem Vorbringen von Servier hat das Gericht in den Rn. 1786 bis 1791 des angefochtenen Urteils in Anbetracht des mit den streitigen Vergleichen verfolgten Ziels auch rechtsfehlerfrei entschieden, dass es nicht zu beanstanden sei, dass die Kommission bei der Berechnung der Geldbußen angenommen habe, dass Servier Zuwiderhandlungen gegen Art. 101 AEUV vorsätzlich begangen habe.

402    Zu der Einschätzung der Marktanteile von Servier ist festzustellen, dass das Gericht in Rn. 1951 des angefochtenen Urteils rechtsfehlerfrei festgestellt hat, dass die Kommission den Umstand berücksichtigt habe, dass Servier mehrere Zuwiderhandlungen begangen habe, die dasselbe Erzeugnis betroffen hätten und in denselben Gebieten und denselben Zeiträumen erfolgt seien. Es hat den streitigen Beschluss insoweit auch nicht verfälscht. Um nicht zu einer unverhältnismäßigen Geldbuße zu gelangen, hat sich die Kommission dafür entschieden, den bei der Bestimmung des Grundbetrags der Geldbuße zugrunde gelegten Anteil an den Umsätzen, die Servier erzielt hat, bei den einzelnen Zuwiderhandlungen jeweils zu begrenzen. Auf diese Weise sind sämtliche Anteile an den Umsätzen, die bei den verschiedenen Zuwiderhandlungen gegen Art. 101 AEUV berücksichtigt wurden, im Durchschnitt um 54,5 % herabgesetzt worden.

403    Die Annahme des Gerichts in Rn. 1954 des angefochtenen Urteils, dass die Geldbußen, auch wenn die Kommission auf der Grundlage einer Definition des relevanten Marktes, die nicht zutreffe, angenommen habe, dass Servier sehr große Marktanteile gehabt habe, nicht unverhältnismäßig seien, ist deshalb nicht zu beanstanden.

404    Zu dem Vorbringen von Servier, dass die Geldbußen hätten herabgesetzt werden müssen, weil die streitigen Vergleiche nicht geheim gewesen seien und der Markteintritt von Perindopril-Generika durch sie nicht verzögert worden sei, kann es mit der Feststellung sein Bewenden haben, dass Servier den Gerichtshof in Wirklichkeit darum ersucht, eine neue Würdigung der Elemente des Rechtsstreits im ersten Rechtszug vorzunehmen. Dafür ist der Gerichtshof im Rechtsmittelverfahren aber nicht zuständig. Denn bei seiner Entscheidung über Rechtsfragen im Rahmen eines Rechtsmittelverfahrens darf der Gerichtshof nicht seine eigene Würdigung aus Gründen der Billigkeit an die Stelle der Würdigung des Gerichts setzen, das in Ausübung seiner Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung über die Höhe der gegen Unternehmen wegen Verletzung des Unionsrechts verhängten Geldbußen entscheidet (Urteil vom 22. November 2012, E.ON Energie/Kommission, C‑89/11 P, EU:C:2012:738, Rn. 125 die dort angeführte Rechtsprechung).

405    Folglich ist der zweite Teil des siebten Rechtsmittelgrundes und damit der siebte Rechtsmittelgrund insgesamt zurückzuweisen.

G.      Ergebnis zum Rechtsmittel

406    Da dem dritten Teil des fünften Rechtsmittelgrundes stattgegeben wurde, ist Nr. 5 des Tenors des angefochtenen Urteils, wie von Servier beantragt, insoweit aufzuheben, als die Rügen des von Servier hilfsweise geltend gemachten Klagegrundes betreffend die Dauer der zur Last gelegten Zuwiderhandlung und die Berechnung der Geldbuße für die Zuwiderhandlung durch den Vergleich Servier/Lupin zurückgewiesen wurden. Im Übrigen wird das Rechtsmittel zurückgewiesen.

VII. Zur Klage

407    Hebt er die Entscheidung des Gerichts auf, kann der Gerichtshof den Rechtsstreit, wenn dieser zur Entscheidung reif ist, selbst endgültig entscheiden (Art. 61 Abs. 1 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union).

408    Wie sich aus Rn. 891 des angefochtenen Urteils ergibt, hat Servier mit ihrer Klage im Rahmen eines hilfsweise geltend gemachten Klagegrundes geltend gemacht, dass bei dem Vergleich Servier/Lupin die Dauer der Zuwiderhandlung nicht richtig bestimmt worden sei, weil die Kommission hätte wie bei dem französischen Markt zu dem Schluss gelangen müssen, dass diese Zuwiderhandlung in Belgien, in der Tschechischen Republik, in Irland und in Ungarn zum Zeitpunkt des Eintritts von Sandoz in diese Märkte geendet habe.

409    Dieses Vorbringen ist vor dem Gericht kontradiktorisch erörtert worden, und zu seiner Prüfung ist keine weitere prozessleitende Maßnahme oder Beweiserhebung zu beschließen. Nach Auffassung des Gerichtshofs ist die Klage in der Rechtssache T‑691/14, was dieses Vorbringen angeht, zur Entscheidung reif und ist endgültig über dieses Vorbringen zu entscheiden.

410    Das Vorbringen, dass das Gericht rechtsfehlerhaft nicht festgestellt habe, dass die Begründung zum Ende der Zuwiderhandlung durch den Vergleich Servier/Lupin auf dem französischen Markt einerseits und auf dem belgischen, dem tschechischen, dem irischen und dem ungarischen Markt andererseits widersprüchlich sei, ist aus den oben in den Rn. 369 bis 378 genannten Gründen begründet.

411    Art. 5 des streitigen Beschlusses ist daher insoweit für nichtig zu erklären, als mit ihm festgestellt wird, dass die Zuwiderhandlung durch den Vergleich Servier/Lupin, was Belgien, die Tschechische Republik, Irland und Ungarn angehe, am 6. Mai 2009 geendet habe. Außerdem ist Art. 7 Abs. 5 Buchst. b des streitigen Beschlusses insoweit für nichtig zu erklären, als die Geldbuße von Servier wegen der Beteiligung an dem Vergleich Servier/Lupin auf 37 102 100 Euro festgesetzt wird.

412    Nachdem er die Rechtswidrigkeit der streitigen Entscheidung festgestellt hat, kann der Gerichtshof, die Beurteilung der Kommission im Rahmen der Ausübung seiner Befugnis zur unbeschränkten Nachprüfung durch seine eigene Beurteilung ersetzen und demgemäß die Geldbuße aufheben, herabsetzen oder erhöhen. Diese Befugnis ist unter Berücksichtigung aller tatsächlichen Umstände auszuüben (Urteil vom 12. November 2014, Guardian Industries und Guardian Europe/Kommission, C‑580/12 P, EU:C:2014:2363, Rn. 78 und die dort angeführte Rechtsprechung).

413    Da Art. 5 des streitigen Beschlusses, soweit mit ihm festgestellt wird, dass die Zuwiderhandlung durch den Vergleich Servier/Lupin in Frankreich am 16. September 2008, dem Tag, an dem Sandoz in den Markt dieses Mitgliedstaats eingetreten sei, geendet habe, vor den Unionsgerichten nicht angefochten worden ist, ist festzustellen, dass diese Tatsache endgültig feststeht. Der Widerspruch in der Begründung des streitigen Beschlusses, wegen dessen der Gerichtshof Art. 5 des streitigen Beschlusses insoweit für nichtig erklärt, als mit ihm festgestellt wird, dass die mit ihm festgestellte Zuwiderhandlung, was Belgien, die Tschechische Republik, Irland und Ungarn angehe, am 6. Mai 2009 geendet habe, kann daher nur berichtigt werden, indem bei der Festsetzung der Geldbuße für die Zuwiderhandlung durch den Vergleich Servier/Lupin demselben Ansatz gefolgt wird wie bei Frankreich.

414    Bei der Festsetzung dieser Geldbuße ist daher nach den Angaben in Rn. 410 des streitigen Beschlusses davon auszugehen, dass die Zuwiderhandlung durch den Vergleich Servier/Lupin in Belgien im Juli 2008, in der Tschechischen Republik im Januar 2009, in Irland im Juni 2008 und in Ungarn im Dezember 2008 geendet hat.

415    Entsprechend ist bei der Festsetzung der Geldbuße für Belgien eine Dauer von 1,4 Jahren, für die Tschechische Republik eine Dauer von 1,9 Jahren, für Irland eine Dauer von 1,3 Jahren und für Ungarn eine Dauer von 1,8 Jahren zugrunde zu legen.

416    Im vorliegenden Verfahren hat Servier dem Gerichtshof in Form einer Tabelle eine Berechnung vorgelegt, in der die einzelnen Schritte der Methode dargestellt sind, der die Kommission bei der Festsetzung der Geldbuße für die Zuwiderhandlung durch den Vergleich Servier/Lupin gefolgt ist. Die Berechnung berücksichtigt die berichtigten Dauern der Zuwiderhandlung, wie sie in der vorstehenden Randnummer genannt sind, und beruht auf Daten, die die Kommission im ersten Rechtszug vorgelegt hat. Nach dieser Berechnung ergibt sich ein berichtigter Betrag der Geldbuße von 34 745 100 Euro.

417    Da die Kommission weder diesen Betrag noch diese Berechnungsmethode bestritten hat, die im Übrigen der Methode entspricht, die sie im streitigen Beschluss selbst angewandt hat, ist die gegen Servier in Art. 7 Abs. 5 Buchst. b des streitigen Beschlusses verhängte Geldbuße in Anbetracht sämtlicher tatsächlichen und rechtlichen Umstände des vorliegenden Falles auf 34 745 100 Euro festzusetzen.

 Kosten

418    Wenn das Rechtsmittel begründet ist und der Gerichtshof den Rechtsstreit selbst endgültig entscheidet, so entscheidet er über die Kosten (Art. 184 Abs. 2 der Verfahrensordnung).

419    Die unterliegende Partei ist auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen (Art. 138 Abs. 1 der Verfahrensordnung, nach deren Art. 184 Abs. 1 auf das Rechtsmittelverfahren anwendbar).

420    Wenn jede Partei teils obsiegt, teils unterliegt, trägt jede Partei ihre eigenen Kosten; der Gerichtshof kann jedoch entscheiden, dass eine Partei außer ihren eigenen Kosten einen Teil der Kosten der Gegenpartei trägt, wenn dies in Anbetracht der Umstände des Einzelfalls gerechtfertigt erscheint (Art. 138 Abs. 3 der Verfahrensordnung).

421    Im vorliegenden Fall hat Servier beantragt, der Kommission die Kosten des Rechtsmittelverfahrens aufzuerlegen, und diese ist mit ihren Anträgen im Rechtsmittelverfahren und mit ihren erstinstanzlichen Anträgen jeweils teilweise unterlegen.

422    Da dem Rechtsmittel teilweise stattgegeben wird, sind jeder Partei ihre eigenen Kosten sowohl des erstinstanzlichen Verfahrens als auch des Rechtsmittelverfahrens aufzuerlegen.

423    Hat eine erstinstanzliche Streithilfepartei das Rechtsmittel nicht selbst eingelegt, so können ihr im Rechtsmittelverfahren Kosten nur dann auferlegt werden, wenn sie am schriftlichen oder mündlichen Verfahren vor dem Gerichtshof teilgenommen hat; nimmt eine solche Partei am Verfahren teil, so kann der Gerichtshof ihr ihre eigenen Kosten auferlegen (Art. 184 Abs. 4 der Verfahrensordnung).

424    Da die EFPIA an dem Verfahren vor dem Gerichtshof teilgenommen hat, ist unter den Umständen des vorliegenden Falles zu entscheiden, dass sie ihre eigenen Kosten trägt.

425    Die Mitgliedstaaten, die dem Rechtsstreit als Streithelfer beigetreten sind, tragen ihre eigenen Kosten (Art. 140 Abs. 1 der Verfahrensordnung, nach deren Art. 184 Abs. 1 auf das Rechtsmittelverfahren anwendbar).

426    Im vorliegenden Fall trägt das Vereinigte Königreich seine eigenen Kosten.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Erste Kammer) für Recht erkannt und entschieden:

1.      Nr. 5 des Tenors des Urteils des Gerichts der Europäischen Union vom 12. Dezember 2018, Servier u. a./Kommission (T691/14, EU:T:2018:922), wird insoweit aufgehoben, als mit ihm die Rügen des von der Servier SAS, der Servier Laboratories Ltd und der Les Laboratoires Servier SAS hilfsweise geltend gemachten Klagegrundes betreffend die Dauer der Zuwiderhandlung und die Berechnung der Geldbuße für die in Art. 5 des Beschlusses C(2014) 4955 final der Kommission vom 9. Juli 2014 in einem Verfahren zur Anwendung der Artikel 101 [AEUV] und 102 [AEUV] (Sache AT.39612 – Perindopril [Servier]) genannte Zuwiderhandlung zurückgewiesen werden.

2.      Art. 5 des Beschlusses C(2014) 4955 final wird insoweit für nichtig erklärt, als mit ihm festgestellt wird, dass die mit ihm festgestellte Zuwiderhandlung, was Belgien, die Tschechische Republik, Irland und Ungarn angehe, am 6. Mai 2009 geendet habe.

3.      Art. 7 Abs. 5 Buchst. b des Beschlusses C(2014) 4955 final wird insoweit für nichtig erklärt, als die gesamtschuldnerisch gegen die Servier SAS und die Les Laboratoires Servier SAS verhängte Geldbuße mit ihm auf 37 102 100 Euro festgesetzt wird.

4.      Die gesamtschuldnerisch gegen die Servier SAS und die Les Laboratoires Servier SAS wegen der in Art. 5 des Beschlusses C(2014) 4955 final festgestellten Zuwiderhandlung verhängte Geldbuße wird auf 34 745 100 Euro festgesetzt.

5.      Im Übrigen wird das Rechtsmittel zurückgewiesen.

6.      Die Servier SAS, die Servier Laboratories Ltd und die Les Laboratoires Servier SAS tragen ihre eigenen Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens und des Rechtsmittelverfahrens.

7.      Die Europäische Kommission trägt ihre eigenen Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens und des Rechtsmittelverfahrens.

8.      Die European Federation of Pharmaceutical Industries and Associations (EFPIA) trägt ihre eigenen Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens und des Rechtsmittelverfahrens.

9.      Das Vereinigte Königreich Großbritannien und Nordirland trägt seine eigenen Kosten.

Unterschriften


*      Verfahrenssprache: Französisch.

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