Language of document : ECLI:EU:C:2024:561

Vorläufige Fassung

SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS

MANUEL CAMPOS SÁNCHEZ-BORDONA

vom 27. Juni 2024(1)

Rechtssache C579/23 P

Cunsorziu di i Salamaghji Corsi – Consortium des Charcutiers Corses,

Charcuterie Fontana,

Costa et fils,

L’Aziana,

Charcuterie Passoni,

Orezza – Charcuterie la Castagniccia,

Salaisons réunies,

Salaisons Joseph Pantaloni,

Antoine Semidei,

L’Atelu Corsu

gegen

Europäische Kommission

„Rechtsmittel – Landwirtschaft – Verordnung (EU) Nr. 1151/2012 – Schutz der Ursprungsbezeichnungen (g. U.) und geografischen Angaben (g. g. A.) – Ablehnung der Anträge für ,Jambon sec de l’Île de Beauté‘, ‚Lonzo de l’Île de Beauté‘ und ‚Coppa de l’Île de Beauté‘ – Eintragungsfähigkeit von Namen – Anspielung auf die älteren g. U. ‚Jambon sec de Corse/Prisuttu‘, ‚Lonzo de Corse/Lonzu‘ und ‚Coppa de Corse/Coppa di Corsica‘ – Umfang der Kontrolle des Eintragungsantrags durch die Europäische Kommission“






1.        Das vorliegende Rechtsmittel richtet sich gegen das Urteil des Gerichts vom 12. Juli 2023(2), mit dem die Klage auf Nichtigerklärung des Durchführungsbeschlusses (EU) 2021/1879(3) abgewiesen wurde, mit dem die Eintragung von drei geschützten geografischen Angaben (im Folgenden: g. g. A.) abgelehnt worden war.

2.        Die Europäische Union verfügt über ein hoch entwickeltes System zum Schutz eingetragener Namen von Agrarerzeugnissen und Lebensmitteln(4). Dieses System ist vor Kurzem durch die Verordnung (EU) 2024/114(5) mit Wirkung ab dem 13. Mai 2024 ausgebaut, geändert und vereinheitlicht worden: Diese Verordnung schafft für geografische Angaben für Wein, Spirituosen und landwirtschaftliche Erzeugnisse ein einheitlicheres System und hebt die Verordnung Nr. 1151/2012 auf. Die neue Verordnung ist auf den vorliegenden Rechtsstreit nicht anwendbar. Was die sich im vorliegenden Fall stellenden Fragen anbelangt, weichen ihre Bestimmungen aber fast nicht von denjenigen der Verordnung Nr. 1151/2012 ab.

3.        Die Verordnung Nr. 1151/2012 sieht ein gemeinsames und zentralisiertes Schutzsystem für die gesamte Union vor, und zwar sowohl für geschützte Ursprungsbezeichnungen (im Folgenden: g. U.) als auch für g. g. A.

4.        Die Anträge auf Schutz einer g. g. A. werden in einem mehrteiligen Verwaltungsverfahren bearbeitet, an dem die nationalen Behörden und die Kommission beteiligt sind.

5.        Bislang hat sich der Gerichtshof hauptsächlich mit Rechtsstreitigkeiten befasst, die die „nationale“ Phase dieses Verfahrens betreffen. Im Rahmen des vorliegenden Rechtsmittels wird der Gerichtshof die Gelegenheit zur Klarstellung haben, inwieweit die Kommission in der „europäischen“ Phase des Verfahrens die Eintragung in das Register(6) mehrerer, zuvor von den französischen Behörden gebilligten g. g. A. ablehnen darf.

I.      Rechtlicher Rahmen: Verordnung Nr. 1151/2012

6.        Der 58. Erwägungsgrund lautet:

„Um sicherzustellen, dass die eingetragenen Namen der Ursprungsbezeichnungen und geografischen Angaben und garantiert traditionellen Spezialitäten den Anforderungen dieser Verordnung entsprechen, sollten die Anträge durch die Behörden der betreffenden Mitgliedstaaten geprüft werden, wobei gemeinsame Mindestbestimmungen wie ein nationales Einspruchsverfahren zu beachten sind. Die Kommission sollte die Anträge anschließend prüfen, um sicherzustellen, dass keine offensichtlichen Fehler vorliegen und dass das Unionsrecht sowie die Interessen von Beteiligten außerhalb des Antragsmitgliedstaats berücksichtigt wurden.“

7.        Art. 13 („Schutz“) bestimmt:

„(1)      Eingetragene Namen werden geschützt gegen

b)      jede widerrechtliche Aneignung, Nachahmung oder Anspielung, selbst wenn der tatsächliche Ursprung des Erzeugnisses oder der Dienstleistung angegeben ist oder wenn der geschützte Name in Übersetzung oder zusammen mit Ausdrücken wie ,Art‘, ,Typ‘, ,Verfahren‘, ,Fasson‘, ,Nachahmung‘ oder dergleichen verwendet wird, auch wenn dieses Erzeugnis als Zutat verwendet wird;

(3)      Die Mitgliedstaaten unternehmen die angemessenen administrativen und rechtlichen Schritte, um die widerrechtliche Verwendung von geschützten Ursprungsbezeichnungen und geschützten geografischen Angaben gemäß Absatz 1 für Erzeugnisse zu vermeiden oder zu beenden, die in dem jeweiligen Mitgliedstaat erzeugt oder vermarktet werden.

…“

8.        Art. 49 („Antrag auf Eintragung von Namen“) sieht vor:

„(1)      Anträge auf Eintragung von Namen im Rahmen der Qualitätsregelungen gemäß Artikel 48 können nur von Vereinigungen eingereicht werden, die mit den Erzeugnissen arbeiten, deren Namen eingetragen werden sollen.

(2)      Bezieht sich der Antrag im Rahmen der Regelung nach Titel II auf ein geografisches Gebiet in einem Mitgliedstaat oder wird ein Antrag im Rahmen der Regelung nach Titel III von einer Vereinigung in einem Mitgliedstaat vorbereitet, so wird der Antrag bei den Behörden des betreffenden Mitgliedstaats eingereicht.

Der Mitgliedstaat prüft den Antrag auf geeignete Art und Weise, um sicherzustellen, dass er gerechtfertigt ist und die Anforderungen der jeweiligen Regelungen erfüllt.

(3)      Der Mitgliedstaat eröffnet im Laufe der Prüfung gemäß Absatz 2 Unterabsatz 2 des vorliegenden Artikels die Möglichkeit eines nationalen Einspruchsverfahrens, das eine angemessene Veröffentlichung des Antrags gewährleistet und eine ausreichende Frist setzt, innerhalb derer jede natürliche oder juristische Person mit einem berechtigten Interesse, die in seinem Hoheitsgebiet niedergelassen oder ansässig ist, Einspruch gegen den Antrag einlegen kann.

Der Mitgliedstaat prüft die Zulässigkeit der bei ihm gemäß der Regelung nach Titel II eingegangenen Einsprüche unter Berücksichtigung der Kriterien gemäß Artikel 10 Absatz 1 und der bei ihm gemäß der Regelung nach Titel III eingegangenen Einsprüche unter Berücksichtigung der Kriterien gemäß Artikel 21 Absatz 1.

(4)      Ist der Mitgliedstaat nach Bewertung eines Einspruchs der Ansicht, dass die Anforderungen dieser Verordnung erfüllt sind, so kann er eine positive Entscheidung treffen und bei der Kommission ein Antragsdossier einreichen. In diesem Fall unterrichtet er die Kommission über die eingegangenen zulässigen Einsprüche natürlicher oder juristischer Personen, die die betreffenden Erzeugnisse vor dem Zeitpunkt der Veröffentlichung gemäß Absatz 3 mindestens fünf Jahre lang rechtmäßig unter ständiger Verwendung des betreffenden Namens vermarktet haben.

Der Mitgliedstaat stellt sicher, dass die positive Entscheidung öffentlich zugänglich gemacht wird und jede natürliche oder juristische Person mit einem berechtigten Interesse die Möglichkeit hat, Rechtsmittel einzulegen.

Der Mitgliedstaat stellt sicher, dass die Fassung der Produktspezifikation, auf die sich die positive Entscheidung bezieht, veröffentlicht wird, und stellt den elektronischen Zugang zur Produktspezifikation sicher.

In Bezug auf geschützte Ursprungsbezeichnungen und geschützte geografische Angaben stellt der Mitgliedstaat ferner eine angemessene Veröffentlichung der Fassung der Produktspezifikation sicher, auf die sich die Entscheidung der Kommission gemäß Artikel 50 Absatz 2 bezieht.

(5)      Bezieht sich der Antrag im Rahmen der Regelung nach Titel II auf ein geografisches Gebiet in einem Drittland oder wird ein Antrag im Rahmen der Regelung nach Titel III von einer Vereinigung in einem Drittland vorbereitet, so wird der Antrag entweder direkt oder über die Behörden des betreffenden Drittlands bei der Kommission eingereicht.

…“

9.        Art. 50 („Prüfung durch die Kommission und Veröffentlichung zwecks Einspruch“) legt fest:

„(1)      Die Kommission prüft jeden bei ihr gemäß Artikel 49 eingereichten Antrag auf geeignete Art und Weise, um sicherzustellen, dass er gerechtfertigt ist und die Anforderungen der jeweiligen Regelung erfüllt. Diese Prüfung sollte eine Frist von sechs Monaten nicht überschreiten. Wird diese Frist überschritten, so teilt die Kommission dem Antragsteller schriftlich die Gründe für die Verzögerung mit.

Die Kommission macht das Verzeichnis der Namen, für die ein Eintragungsantrag gestellt wurde, sowie die Zeitpunkte, zu denen diese bei ihr eingereicht wurden, mindestens jeden Monat öffentlich zugänglich.

…“

10.      Art. 52 („Eintragungsentscheidung“) bestimmt:

„(1)      Gelangt die Kommission auf der Grundlage der ihr zur Verfügung stehenden Informationen im Rahmen der Prüfung gemäß Artikel 50 Absatz 1 Unterabsatz 1 zu dem Schluss, dass die Bedingungen für eine Eintragung nicht erfüllt sind, so erlässt sie Durchführungsrechtsakte zur Ablehnung des Antrags. Diese Durchführungsrechtsakte werden nach dem in Artikel 57 Absatz 2 genannten Prüfverfahren erlassen.

(2)      Geht bei der Kommission kein Einspruch bzw. keine zulässige Einspruchsbegründung gemäß Artikel 51 ein, so erlässt sie zur Eintragung des Namens Durchführungsrechtsakte, ohne das Verfahren gemäß Artikel 57 Absatz 2 anzuwenden.

(3)      Liegt der Kommission eine zulässige Einspruchsbegründung vor, so geht sie im Anschluss an die geeigneten Konsultationen gemäß Artikel 51 Absatz 3 und unter Berücksichtigung der Ergebnisse dieser Konsultationen wie folgt vor:

a)      Wurde eine Einigung erzielt, so trägt sie den Namen im Wege von Durchführungsrechtsakten ein, ohne das Verfahren nach Artikel 57 Absatz 2 anzuwenden, und ändert, falls notwendig, die nach Artikel 50 Absatz 2 veröffentlichte Information, sofern diese Änderungen nicht wesentlich sind;

b)      wurde keine Einigung erzielt, so erlässt sie Durchführungsrechtsakte zur Entscheidung über die Eintragung. Diese Durchführungsrechtsakte werden nach dem in Artikel 57 Absatz 2 genannten Prüfverfahren erlassen.

(4)      Die Eintragungsakte und die Ablehnungsentscheidungen werden im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht.“

II.    Vorgeschichte

11.      Die Vorgeschichte des Rechtsstreits wird in den Rn. 4 bis 9 des angefochtenen Urteils ausgeführt und kann wie folgt zusammengefasst werden.

12.      Die Namen „Jambon sec de Corse“/„Jambon sec de Corse – Prisuttu“, „Lonzo de Corse“/„Lonzo de Corse – Lonzu“ und „Coppa de Corse“/„Coppa de Corse – Coppa di Corsica“ wurden am 28. Mai 2014 mit drei Durchführungsverordnungen(7) als g. U. eingetragen.

13.      Im Dezember 2015 reichte das Consortium des Charcutiers Corses sieben Anträge auf Eintragung als g. g. A. gemäß der Verordnung Nr. 1151/2012 bei den französischen Behörden ein. Die sieben Anträge betrafen die folgenden Namen: „Jambon sec de l’Île de Beauté“, „Coppa de l’Île de Beauté“, „Lonzo de l’Île de Beauté“, „Saucisson sec de l’Île de Beauté“, „Pancetta de l’Île de Beauté“, „Figatelli de l’Île de Beauté“ und „Bulagna de l’Île de Beauté“.

14.      Am 20. April 2018 erließen der Ministre de l’Agriculture et de l’Alimentation (Minister für Landwirtschaft und Ernährung, Frankreich) und der Ministre de l’Économie et des Finances (Minister für Wirtschaft und Finanzen, Frankreich) sieben Erlasse zur Billigung der sieben entsprechenden Produktspezifikationen, damit diese der Kommission zur Bewilligung übermittelt werden konnten.

15.      Am 27. Juni 2018 erhob der die Produktspezifikationen der g. U. „Jambon sec de Corse – Prisuttu“, „Coppa de Corse – Coppa di Corsica“ und „Lonzo de Corse – Lonzu“ innehabende Verband(8) Klage beim Conseil d’État (Staatsrat, Frankreich) auf Nichtigerklärung der Erlasse vom 20. April 2018 zur Billigung der Produktspezifikationen der Namen „Jambon sec de l’Île de Beauté“, „Coppa de l’Île de Beauté“ und „Lonzo de l’Île de Beauté“. Der Verband machte geltend, der Begriff „Île de Beauté“ ahme den Begriff „Corse“ (Korsika) nach oder spiele darauf an und führe daher eine Verwechslung mit den bereits als g. U. eingetragenen Namen herbei.

16.      Am 17. August 2018 übermittelten die französischen Behörden die sieben Anträge auf Eintragung der Namen der korsischen Wurstwaren als g. g. A. an die Kommission.

17.      Was die Anträge auf Eintragung der Namen „Jambon sec de l’Île de Beauté“, „Lonzo de l’Île de Beauté“ und „Coppa de l’Île de Beauté“ als g. g. A. anbelangt, so übersandte die Kommission am 12. Februar 2019 und am 24. November 2020 zwei Schreiben mit der Bitte um Klarstellungen, insbesondere in Bezug auf eine eventuell mangelnde Eintragungsfähigkeit, an die französischen Behörden.

18.      Die nationalen Behörden antworteten, sie seien der Ansicht, dass sich die beiden Warengruppen (d. h. die eingetragenen g. U. und die Anträge auf Schutz als g. g. A.) in Bezug auf die Waren deutlich unterschieden und dass ihnen die Namen hinreichend verschieden erschienen.

19.      Mit Urteil vom 19. Dezember 2019 zum Namen „Jambon sec de l’Île de Beauté“ (g. g. A.) und zwei Urteilen vom 13. Februar 2020 zu den Namen „Coppa de l’Île de Beauté“ (g. g. A.) bzw. „Lonzo de l’Île de Beauté“ (g. g. A.) wies der Conseil d’État (Staatsrat) die drei vom Verband der g. U. erhobenen Klagen ab.

20.      Insbesondere vertrat der Conseil d’État (Staatsrat) die Auffassung, „… die Kläger [können] nicht mit Erfolg geltend machen, dass der angefochtene Erlass gegen … Art. 13 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung [Nr. 1151/2012] verstoße“ (jeweils Rn. 5 der drei Urteile des Conseil d’État [Staatsrat]).

21.      Nach der Prüfung der Anträge auf Eintragung der sieben g. g. A. für korsische Wurstwaren lehnte die Kommission mit dem Durchführungsbeschluss 2021/1879 die Eintragung als g. g. A. von drei dieser Angaben ab. Den weiteren vier von den französischen Behörden übermittelten Anträgen entsprach sie hingegen(9).

III. Verfahren vor dem Gericht

22.      Am 20. Januar 2022 erhoben das Consortium des Charcutiers Corses und mehrere beigetretene Erzeuger beim Gericht eine Klage auf Nichtigerklärung des angefochtenen Beschlusses.

23.      Am 12. Juli 2023 hat das Gericht die Klage abgewiesen und den Klägern die Kosten auferlegt.

24.      Die Kläger stützten ihren Antrag auf Nichtigerklärung auf zwei Gründe, nämlich a) dass die Kommission ihre Befugnisse überschritten habe und b) dass die nationalen Behörden und der Conseil d’État (Staatsrat) die Vereinbarkeit der drei Eintragungsanträge mit den Art. 7 und 13 der Verordnung Nr. 1151/2012 hinreichend nachgewiesen hätten.

25.      Das Gericht hat die Klage im Wesentlichen aus folgenden Gründen abgewiesen:

–        Die Kommission, der es nach Art. 52 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1151/2012 obliege, die beantragte Eintragung abzulehnen, könne, wenn sie zu dem Schluss gelange, dass die Bedingungen für eine Eintragung nicht erfüllt seien, nicht verpflichtet sein, die Eintragung eines Namens zu bewilligen, wenn sie dessen Verwendung im Handel für rechtswidrig halte.

–        Die Frage der Anspielung sei ein Kriterium für die Eintragungsfähigkeit nach Art. 7 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 1151/2012. Diese Bestimmung in Verbindung mit Art. 13 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung stelle eine taugliche Rechtsgrundlage für die Ablehnung der Eintragung eines Namens dar(10).

–        Auch wenn die nationalen Behörden bei der Übermittlung eines Eintragungsantrags an die Kommission der Auffassung seien, dass dieser Antrag die in der Verordnung Nr. 1151/2012 aufgestellten Bedingungen erfülle, sei die Kommission nicht an die Beurteilung dieser Behörden gebunden.

–        Die Kommission verfüge hinsichtlich ihrer Entscheidung, einen Namen als g. U. oder g. g. A. einzutragen, über ein eigenständiges Ermessen, da sie gemäß Art. 50 der Verordnung Nr. 1151/2012 sicherzustellen habe, dass die Bedingungen für die Eintragung erfüllt seien.

–        Im Fall der korsischen g. g. A. habe die Kommission die Anträge der Rechtsmittelführer umfassend geprüft.

–        Die Kommission habe mit der Ablehnung der von den französischen Behörden übermittelten Anträge ihre Befugnisse nicht überschritten(11). Die Kommission verfüge nach Maßgabe dessen über ein unterschiedliches Ermessen, ob es sich um die erste Stufe des Verfahrens handele (d. h. um die Zusammenstellung des Antragsdossiers, das die nationalen Behörden der Kommission gegebenenfalls übermittelten) oder um die zweite Stufe dieses Verfahrens (d. h. um ihre eigene Prüfung der Eintragungsanträge).

–        Während die Kommission hinsichtlich der ersten dieser beiden Stufen nur „über ein eingeschränktes oder über gar kein Ermessen“ verfüge, liege der Fall anders, wenn es um die Entscheidung gehe, einen Namen in Anbetracht der in Art. 7 Abs. 1 Buchst. a in Verbindung mit Art. 13 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 1151/2012 vorgesehenen Eintragungsvoraussetzungen als g. U. oder g. g. A. einzutragen. Im letzteren Fall stehe der Kommission ein eigenständiges Ermessen zu.

–        Der Kommission sei bei der Feststellung, dass die drei abgelehnten g. g. A. auf die seit einem früheren Zeitpunkt durch g. U. geschützten Namen anspielten, kein Beurteilungsfehler unterlaufen, da es sich bei den Begriffen „Corse“ und „Île de Beauté“ um anerkannte Synonyme handele, die dasselbe geografische Gebiet bezeichneten. Die begriffliche Nähe der beiden Begriffe sei tatsächlich erwiesen.

IV.    Verfahren vor dem Gerichtshof

26.      Am 19. Januar 2023 haben das Consortium des Charcutiers Corses und mehrere beigetretene Erzeuger das vorliegende Rechtsmittel eingelegt.

27.      Die Rechtsmittelführer beantragen beim Gerichtshof,

–        das angefochtene Urteil aufzuheben,

–        den angefochtenen Beschluss für nichtig zu erklären,

–        der Kommission sowohl die im erstinstanzlichen Verfahren als auch die im Rechtsmittelverfahren entstandenen Kosten aufzuerlegen.

28.      Die Kommission ersucht ihrerseits den Gerichtshof,

–        das Rechtsmittel zurückzuweisen,

–        den Rechtsmittelführern die Kosten aufzuerlegen.

29.      Die Rechtsmittelführer stützen ihr Rechtsmittel auf vier Gründe:

–        Verstoß gegen die Art. 7 und 13 der Verordnung Nr. 1151/2012,

–        Verstoß gegen die Art. 49, 50 und 52 der Verordnung Nr. 1151/2012,

–        Verstoß gegen Art. 50 der Verordnung Nr. 1151/2012 sowie gegen den allgemeinen Grundsatz der guten Verwaltung,

–        Verstoß gegen die Art. 7 und 13 der Verordnung Nr. 1151/2012 und gegen die Begründungspflicht im Rahmen der vom Gericht vorgenommenen Beurteilung.

30.      Der Gerichtshof hält es für erforderlich, dass Schlussanträge in Bezug auf die ersten beiden der vier Rechtsmittelgründe vorgetragen werden. Ich werde bei ihrer Prüfung mit dem zweiten Rechtsmittelgrund beginnen, der mir vom logischen Standpunkt aus vorrangig erscheint, da er zuvörderst die Befugnisse der Kommission und weniger den Inhalt ihres Beschlusses betrifft.

V.      Zweiter Rechtsmittelgrund

A.      Vorbringen der Parteien

31.      Die Rechtsmittelführer werfen dem Gericht vor, gegen die in den Art. 49 und 50 der Verordnung Nr. 1151/2012 geregelte Verteilung der Zuständigkeiten für das Verfahren zur Eintragung einer g. g. A. zwischen den nationalen Behörden und der Kommission verstoßen zu haben(12).

32.      Ihrer Ansicht nach verfügt die Kommission im Eintragungsverfahren über ein eingeschränktes Ermessen und ist lediglich befugt, die formale Richtigkeit des von den nationalen Behörden übermittelten Antrags auf Eintragung der g. g. A. zu untersuchen und zu prüfen, ob den Behörden in der nationalen Phase des Verfahrens ein offensichtlicher Fehler unterlaufen sei.

33.      Die Kommission tritt dieser Auffassung entgegen und bekräftigt, die Würdigung und die Entscheidung des Gerichts im angefochtenen Urteil seien angemessen.

B.      Würdigung

34.      Die Eintragung einer g. g. A. erfolgt in einem mehrteiligen Verwaltungsverfahren, an dem die zuständigen Behörden des Mitgliedstaats und die Kommission mitwirken. So wird es im 58. Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 1151/2012 dargestellt(13).

35.      Das Verfahren zur Eintragung der g. g. A.(14) besteht aus einer ersten nationalen Phase, die in Art. 49 der Verordnung Nr. 1151/2012 geregelt ist. Diese Phase beginnt mit dem Antrag auf Eintragung der g. g. A., der von einer Erzeugergruppe bei den Behörden des Mitgliedstaats eingereicht wird, in dem sich das Herstellungsgebiet geografisch befindet.

36.      Die nationale Behörde hat den Antrag auf geeignete Art und Weise zu prüfen, um sicherzustellen, dass er gerechtfertigt ist und die materiellen Voraussetzungen der Verordnung Nr. 1151/2012 erfüllt(15). Dabei gewährleistet der Mitgliedstaat eine angemessene Veröffentlichung des Antrags und eine ausreichende Frist, innerhalb derer jede natürliche oder juristische Person mit einem berechtigten Interesse, die in seinem Hoheitsgebiet niedergelassen oder ansässig ist, Einspruch einlegen kann(16).

37.      Die nationalen Behörden prüfen die eingegangenen Einsprüche und entscheiden, ob der Antrag die Anforderungen der Verordnung Nr. 1151/2012 erfüllt. Kommen sie bei der Prüfung zu dem Ergebnis, dass dies der Fall ist, so treffen sie eine positive Entscheidung. Dabei müssen sie gewährleisten, dass die Produktspezifikation, auf die sich die positive Entscheidung bezieht, veröffentlicht wird, und den elektronischen Zugang zur Produktspezifikation sicherstellen(17). Außerdem hat der Mitgliedstaat sicherzustellen, dass die positive Entscheidung öffentlich zugänglich gemacht wird und jede natürliche oder juristische Person mit einem berechtigten Interesse die Möglichkeit hat, Rechtsmittel einzulegen(18).

38.      Fällt die Entscheidung der nationalen Behörde zustimmend aus, so endet die nationale Phase mit der Weiterleitung des Antragsdossiers für die g. g. A. sowie der eingegangenen zulässigen Einsprüche(19) an die Kommission.

39.      Bei Anträgen auf Eintragung einer g. g. A. aus Drittländern gibt es folgerichtig keine nationale Phase. Das Verfahren wird von der Kommission durchgeführt, bei der sich die gesamte Entscheidungsbefugnis konzentriert(20).

40.      Die europäische Phase des Verfahrens zur Eintragung einer g. g. A., die in Art. 50 der Verordnung Nr. 1151/2012 geregelt ist, beginnt mit der Prüfung, die die Kommission vorzunehmen hat, nachdem die nationale Entscheidung bei ihr eingegangen ist, und mit der sie untersucht, ob der Antrag gerechtfertigt ist und die vorgegebenen Bedingungen für die g. g. A. erfüllt sind.

41.      Gelangt die Kommission im Rahmen der Prüfung (die nicht länger als sechs Monate dauern darf) zu dem Schluss, dass „die Bedingungen für eine Eintragung nicht erfüllt sind“, lehnt sie den Antrag auf Eintragung der g. g. A. ab(21). Nimmt sie den Antrag hingegen an, veröffentlicht sie im Amtsblatt das einzige Dokument und die Fundstelle der Veröffentlichung der Produktspezifikation(22).

42.      Nach der Veröffentlichung im Amtsblatt können die Behörden eines Mitgliedstaats oder eines Drittlands oder eine natürliche oder juristische Person, die ein berechtigtes Interesse hat und in einem Drittland niedergelassen ist, Einspruch erheben. Die Kommission übermittelt den Einspruch an die Behörde des Mitgliedstaats, die den Antrag eingereicht hat(23). Ist der Einspruch zulässig, so findet ein Einspruchsverfahren statt(24).

43.      Geht kein Einspruch (bzw. keine zulässige Einspruchsbegründung) bei ihr ein, so erlässt die Kommission den Beschluss zur Eintragung der g. g. A. Die Kommission geht in gleicher Weise vor, wenn eine zulässige Einspruchsbegründung bei ihr eingegangen ist und nach den in Art. 51 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1151/2012 vorgesehenen Konsultationen eine Einigung erzielt worden ist. Kommt es zu keiner Einigung, so erlässt sie Durchführungsrechtsakte zur Entscheidung über die Eintragung der g. g. A.(25).

44.      Auf jeden Fall werden die Eintragungsakte und die Entscheidungen über die Ablehnung der Eintragung der g. g. A. im ABl. veröffentlicht(26).

45.      Der Gerichtshof hat Gelegenheit gehabt, in seiner Rechtsprechung die Merkmale dieses mehrteiligen Verwaltungsverfahrens zu präzisieren. Anders als bei den mehrteiligen Verfahren im Rahmen der Bankenunion(27) (bei denen die nationale Phase lediglich die europäische Phase vorbereitet, in der sich die Entscheidungsbefugnis bei der Einrichtung bzw. dem Organ der Union konzentriert) ist die nationale Phase des Verfahrens für die Eintragung einer g. g. A. inhaltlich eigenständig, da die nationalen Behörden Entscheidungen mit Wirkung gegenüber Dritten (und nicht lediglich vorbereitende Entscheidungen) treffen, die der Kontrolle der nationalen Gerichte unterliegen.

46.      Mit dem Urteil in der Rechtssache GAEC Jeanningros(28) hat der Gerichtshof seine Rechtsprechung zur nationalen Phase der Eintragungsverfahren für g. g. A. konsolidiert. Insbesondere hat er hervorgehoben, dass den Behörden des entsprechenden Mitgliedstaats in der nationalen Phase eine spezifische und eigenständige Entscheidungsbefugnis zukommt.

47.      Der Gerichtshof hat festgestellt, dass „die Verordnung Nr. 1151/2012 eine Zuständigkeitsverteilung ein[führt], die insbesondere bedeutet, dass die Kommission die Entscheidung über die Eintragung einer Bezeichnung als geschützte geografische Angabe nur dann treffen kann, wenn der betreffende Mitgliedstaat ihr einen entsprechenden Antrag zugeleitet hat. Ein solcher Antrag kann nur gestellt werden, wenn der Mitgliedstaat geprüft hat, ob er gerechtfertigt war. Diese Zuständigkeitsverteilung findet ihre Erklärung insbesondere darin, dass die Eintragung einer geschützten geografischen Angabe die Prüfung voraussetzt, ob eine Reihe von Anforderungen erfüllt sind; dies erfordert in hohem Maße gründliche Kenntnisse von Besonderheiten dieses Mitgliedstaats, zu deren Feststellung seine zuständigen Behörden am ehesten imstande sind(29).“

48.      Nach dieser Rechtsprechung obliegt die Kontrolle des Verfahrens zur Eintragung einer g. g. A. der nationalen Behörde u. a. aus folgenden Gründen(30):

–        Herstellervereinigungen müssen dieses Verfahren verpflichtend vor der zuständigen nationalen Behörde des Mitgliedstaats einleiten, aus dessen Hoheitsgebiet die g. g. A. stammt. Sie können ihren Antrag nicht direkt bei der Kommission stellen.

–        Die nationale Behörde überprüft die Vereinbarkeit des Vorschlags mit den materiellen Anforderungen der Verordnung Nr. 1151/2012, da sie es ist, die über die solidesten Kenntnisse zur Überprüfung der Besonderheiten der Erzeugnisse, für die der Schutz der g. g. A. beantragt wird, verfügt.

–        Die Behörde des Mitgliedstaats ist zuständig für die Annahme oder Ablehnung des Antrags auf Eintragung der g. g. A. in der nationalen Phase. Folglich hat sie es in der Hand, die nächste Phase des Verfahrens durch die Übermittlung des Antrags an die Kommission zu eröffnen. Ohne eine stattgebende Entscheidung der nationalen Behörde kann die Kommission eine g. g. A. nicht eintragen.

–        Die nationale Behörde hat bis zur Eintragung die Möglichkeit, den der Kommission vorgelegten Antrag auf Eintragung der g. g. A. zurückzuziehen.

49.      Da die Kontrolle der nationalen Phase des mehrteiligen Verfahrens bei der nationalen Behörde liegt, handelt es sich bei ihren Entscheidungen nicht nur um Handlungen zur Vorbereitung der anschließenden Entscheidung der Kommission; vielmehr sind sie inhaltlich eigenständig und entfalten Rechtswirkung für diejenigen, die die Eintragung der g. g. A. beantragt haben. Aus diesem Grund sind nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs die nationalen Gerichte für die Kontrolle der Entscheidungen der nationalen Behörden über die Eintragung einer g. g. A. zuständig(31).

50.      Die Rechtsmittelführer vertreten den Standpunkt, die inhaltliche Eigenständigkeit der nationalen Phase des Verfahrens schwäche die europäische Phase mit der Folge, dass die Kommission sich auf die Prüfung beschränken müsse, ob das von den nationalen Behörden übersandte Antragsdossier vollständig sei und ob der nationalen Behörde kein offensichtlicher Ermessensfehler unterlaufen sei.

51.      Auf dieser Grundlage und da das Gericht im angefochtenen Urteil nicht zu dem Schluss gekommen sei, dass die Kommission in der europäischen Phase des Verfahrens ein solches eingeschränktes Ermessen habe, führen die Rechtsmittelführer an, dem Gericht sei bei der Auslegung der Art. 49 und 50 der Verordnung Nr. 1151/2012 ein Rechtsfehler unterlaufen.

52.      Ich bin hingegen der Ansicht, dass dem Gericht kein Rechtsfehler vorzuwerfen ist.

53.      Die Kommission prüft die von den nationalen Behörden eingereichten Anträge, „um sicherzustellen, dass keine offensichtlichen Fehler vorliegen und dass das Unionsrecht sowie die Interessen von Beteiligten außerhalb des Antragsmitgliedstaats berücksichtigt wurden(32).“

54.      In Art. 50 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1151/2012 wird bekräftigt, dass die Kommission „jeden bei ihr gemäß Artikel 49 eingereichten Antrag auf geeignete Art und Weise [prüft], um sicherzustellen, dass er gerechtfertigt ist und die Anforderungen der jeweiligen Regelung erfüllt“. Als Ergebnis dieser Prüfung kann die Kommission den Antrag ablehnen, wenn sie „zu dem Schluss [gelangt], dass die Bedingungen für eine Eintragung nicht erfüllt sind“ (Art. 52 Abs. 1 der Verordnung).

55.      Zwar ist der Begriff „Prüfung auf geeignete Art und Weise“ in der Verordnung Nr. 1151/2012 nicht definiert, jedoch ergibt sich aus den vorstehend genannten Bestimmungen der Verordnung, dass die Kommission bei der Prüfung nicht an die Beurteilung der nationalen Behörden gebunden ist, sondern über ein eigenständiges Ermessen verfügt. Das Gericht hat dies im angefochtenen Urteil zu Recht festgestellt (Rn. 44).

56.      In der europäischen Phase des Verfahrens hat die Kommission die folgenden drei Elemente zu prüfen, von denen jedes einzelne einer eigenen Logik entspricht:

–        das Nichtvorliegen offensichtlicher Fehler bei der Bearbeitung des Antrags auf Eintragung der g. g. A. durch die Behörden des Mitgliedstaats;

–        die Berücksichtigung der Interessen der beteiligten und betroffenen Kreise außerhalb des Antragsmitgliedstaats(33);

–        die Einhaltung der anwendbaren Vorschriften des Unionsrechts im von den nationalen Behörden übermittelten Antrag auf Eintragung der g. g. A.

57.      Die Kommission hat somit in erster Linie die Befugnis zur Kontrolle, ob den nationalen Behörden in der nationalen Phase des Verfahrens für die Eintragung der g. g. A. offensichtliche Fehler unterlaufen sind. Dies ist folgerichtig, da diesen Behörden in dieser Phase eine materiell-rechtliche Entscheidungsbefugnis zukommt, die der Kontrolle der nationalen Gerichte unterliegt.

58.      Der Hinweis des Gerichtshofs (Urteil GAEC Jeanningros, Rn. 25) darauf, dass die Kommission bei Verfahren zur Änderung der Produktspezifikation und zur Eintragung der g. g. A. „über ein eingeschränktes oder über gar kein Ermessen“ verfügt, bezieht sich, wie das Gericht richtig festgestellt hat, auf die nationale Phase des Verfahrens(34). Die in anderen Urteilen des Gerichtshofs enthaltenen Erwägungen sind ebenfalls in diesem Sinn zu verstehen(35).

59.      In der europäischen Phase hingegen verfügt die Kommission, wie das Gericht feststellt(36), über ein eigenständiges Ermessen und ist nicht an die Beurteilung der nationalen Behörden gebunden. Je nachdem, ob sie feststellt, dass die geforderten Voraussetzungen erfüllt sind oder nicht, kann sie die Eintragung der g. g. A. bewilligen oder ablehnen.

60.      Die eigenständige Entscheidungsbefugnis der Kommission in der europäischen Phase des Verfahrens geht über die reine Überprüfung auf formale und offensichtliche Fehler bei der Bearbeitung des Antrags durch die nationalen Behörden hinaus. Die Kommission muss den von den nationalen Behörden gebilligten Eintragungsantrag umfassend prüfen, um sicherzustellen, dass er die Voraussetzungen aus der Verordnung Nr. 1151/2012 erfüllt.

61.      Diese umfassende Kontrolle kann die Kommission dazu veranlassen, eine andere Entscheidung als die nationalen Behörden zu treffen. Dies war in der vorliegenden Rechtssache teilweise der Fall(37).

62.      Die Befugnis der Kommission zur Bearbeitung und Entscheidung über Einsprüche gegen die Eintragung einer g. g. A., die von in anderen Mitgliedstaaten als dem Antragsmitgliedstaat ansässigen Personen mit berechtigtem Interesse erhoben werden (Art. 51 der Verordnung Nr. 1151/2012), bestätigt ihre eigenständige Zuständigkeit für die Entscheidung über die Eintragungsanträge(38).

63.      Auch hier ist für eine einheitliche Anwendung der durch die Verordnung Nr. 1151/2012 festgelegten Voraussetzungen für die Eintragung der g. g. A. erforderlich, dass die Kommission in der europäischen Phase des Verfahrens über eine eigenständige Befugnis zur Festlegung einer einheitlichen und von den Behörden der Mitgliedstaaten zu befolgenden Praxis verfügt. Würde sie nicht über diese eigenständige Entscheidungsbefugnis verfügen, bestände ein erhebliches Risiko, dass die Bedingungen für die Eintragung der g. g. A. in den Mitgliedstaaten unterschiedlich gehandhabt werden.

64.      Die europäische Phase des Verfahrens wäre nicht inhaltlich eigenständig, wenn die Kommission verpflichtet wäre, der Beurteilung der nationalen Behörden zu folgen, und die von diesen Behörden gebilligten Eintragungsanträge nicht ablehnen könnte. Das in der Verordnung Nr. 1151/2012 festgelegte Verfahren für die Eintragung der g. g. A. wäre kein echtes mehrteiliges Verfahren, wenn seine europäische Phase durch eine drastische Beschneidung der Befugnisse der Kommission verzerrt würde.

65.      Folglich vertrete ich ebenso wie das Gericht den Standpunkt, dass die Kommission befugt ist, zu prüfen, ob der von den nationalen Behörden übermittelte Antrag auf Eintragung der g. g. A. die anwendbaren Vorschriften des Unionsrechts erfüllt. Somit ist der zweite Rechtsmittelgrund zurückzuweisen.

VI.    Erster Rechtsmittelgrund

A.      Vorbringen der Parteien

66.      Die Rechtsmittelführer führen an, das Gericht habe die Voraussetzungen für die Eintragung einer g. g. A. nach den Art. 5, 6 und 7 der Verordnung Nr. 1151/2012 rechtswidrig um die Voraussetzung ergänzt, dass der Name, dessen Eintragung als g. g. A. beantragt werde, nicht gegen den in Art. 13 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung festgelegten Schutz gegen Anspielungen verstoße.

67.      Ihrer Ansicht nach wird im angefochtenen Urteil (Rn. 29 und 30) zu Recht festgestellt, dass sich Art. 13 der Verordnung Nr. 1151/2012 nicht auf die Eintragung, sondern auf den Umfang des Schutzes der eingetragenen Namen beziehe und folglich „für sich allein nicht als Rechtsgrundlage für die Ablehnung eines Eintragungsantrags dienen kann“.

68.      Allerdings sei das Gericht von dieser Feststellung abgewichen, und ihm seien in den Rn. 32 bis 40 des angefochtenen Urteils mehrere Rechtsfehler unterlaufen:

–         Erstens stelle das Gericht fest, dass die Kommission für die Anwendung von Art. 13 der Verordnung Nr. 1151/2012 zuständig sei, obgleich diese Befugnis nach Abs. 3 dieser Bestimmung den Mitgliedstaaten vorbehalten sei.

–        Zweitens setze Art. 7 der Verordnung Nr. 1151/2012 lediglich voraus, dass der Name im Handel oder im allgemeinen Sprachgebrauch verwendet werde, und dabei handele es sich um einen objektiv feststellbaren tatsächlichen Umstand, dessen Rechtmäßigkeit nicht der subjektiven Würdigung durch die Kommission unterliege. Art. 13 der Verordnung sei für das Eintragungsverfahren nicht einschlägig.

–        Drittens verfüge die Kommission, anders als vom Gericht angenommen (Rn. 38 und 39 des angefochtenen Urteils), nicht über die Mittel und die tiefgreifenden Kenntnisse der lokalen Traditionen, der Verbrauchergewohnheiten, der Geschichte und der Kultur sowie des im Antragsdossier dargestellten Sachverhalts, über die die nationalen Behörden verfügten. Letztere hätten in der vorliegenden Rechtssache das Risiko einer Anspielung gerade ausgeschlossen.

69.      Die Kommission tritt diesem Vorbringen entgegen und spricht sich für die kombinierte Anwendung der Art. 7 Abs. 1 Buchst. a und Art. 13 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 1151/2012 aus, die das Gericht bestätigt habe. Eine solche Anwendung erfolge zum ersten Mal, da die Situation, zu der es in Zusammenhang mit den Eintragungsanträgen der streitigen g. g. A. gekommen sei, besondere Merkmale aufweise.

B.      Würdigung

70.      Die besondere Situation, auf die die Kommission anspielt, ergibt sich aus einer Abfolge von Ereignissen, die ich in Erinnerung rufen möchte:

–        Die Namen „Jambon sec de Corse“/„Jambon sec de Corse – Prisuttu“, „Lonzo de Corse“/„Lonzo de Corse – Lonzu“ und „Coppa de Corse“/„Coppa de Corse – Coppa di Corsica“ wurden mit den entsprechenden Verordnungen zum 28. Mai 2014 als g. U. eingetragen.

–        Durch die Verordnungen wurde bestimmten Unternehmen mit Sitz auf Korsika, die solche Namen für Erzeugnisse verwendeten, die andere Merkmale aufwiesen als die in der Produktspezifikation vorgesehenen, eine Übergangsfrist bis zum 27. April 2017 eingeräumt.

–        Den betroffenen Erzeugern wurde so die Möglichkeit gegeben, sich an die Anforderungen der auf Unionsebene festgelegten Produktspezifikation anzupassen oder die verwendete Verkaufsbezeichnung zu ändern.

–        Während der Übergangsfrist haben diese Unternehmen im Jahr 2014 Erzeugnisse mit den Namen „Jambon sec de l’Île de Beauté“, „Lonzo de l’Île de Beauté“ und „Coppa de l’Île de Beauté“ geschaffen und ab 2015 vermarktet.

–        Die französischen Behörden duldeten, dass sich im Zeitraum von 2015 bis April 2017 die drei im Jahr 2014 eingetragenen g. U. und die drei Namen, die sich auf die gleichen korsischen Wurstsorten beziehen, gleichzeitig auf dem Markt befanden.

–        Die Unternehmen, denen die Übergangsfrist gewährt worden war, reichten bei den französischen Behörden Anträge auf Eintragung der Namen „Jambon sec de l’Île de Beauté“, „Lonzo de l’Île de Beauté“ und „Coppa de l’Île de Beauté“ als g. g. A. ein, die der Kommission am 17. August 2018 übermittelt wurden, d. h. zu einem Zeitpunkt, zu dem die Übergangsfrist abgelaufen war und diese Namen nicht mehr rechtmäßig verwendet werden durften.

–        Die französischen Behörden billigten die drei Eintragungsanträge, da sie ihrer Auffassung nach keine Anspielung auf die eingetragenen g. U. darstellten(39). Sie begründeten dies wie folgt: i) Die beiden Erzeugnisgruppen (d. h. die eingetragenen g. U. und die beantragten g. g. A.) unterschieden sich hinsichtlich der Rohstoffe (Tierrassen, Schlachtkörpergewicht), Beschreibungen, Spezifikationen, Produktionsmengen und Verkaufspreise eindeutig; ii) die Namen sowie die entsprechende Aussprache unterschieden sich hinreichend und seien nicht gleichlautend, und es handele sich um unterschiedliche Kennzeichnungen (g. U. und g. g. A.)(40); iii) anhand der Unterschiede zwischen den Erzeugnissen und Namen und angesichts der Präzedenzfälle seien sich die Verbraucher der Qualitätsunterschiede zwischen dem als g. U. eingetragenen Erzeugnis und dem Erzeugnis, das unter dem Namen „Île de Beauté“ in Verkehr gebracht werde, bewusst; iv) zwischen den drei Namen, die die Wörter „Île de Beauté“ enthielten, und den drei entsprechenden eingetragenen Namen, die den Begriff „Korsika“ enthielten und dasselbe geografische Gebiet umfassten, bestehe daher „ausreichende Unterscheidungskraft“.

–        Im angefochtenen Beschluss wies die Kommission die Argumente der französischen Regierung jedoch zurück und lehnte eine Eintragung der drei g. g. A. mit der Begründung ab, es handele sich um Namen, die an bereits eingetragene Namen für ein ähnliches Erzeugnis denken lassen könnten, was zur Folge habe, dass die Voraussetzungen von Art. 7 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 1151/2012 für die Eintragung nicht erfüllt werden könnten.

–        In diesem Sinne vertritt die Kommission den Standpunkt, dass die Namen aus den drei Anträgen auf Eintragung als g. g. A. im Handel oder im allgemeinen Sprachgebrauch unter Verstoß gegen Art. 13 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 1151/2012 verwendet worden seien. Die Anträge erfüllen daher nach ihrer Ansicht nicht die in Art. 7 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung festgelegten Voraussetzungen für die Eintragung.

71.      Die Argumentation der Kommission, die vom Gericht im angefochtenen Urteil bestätigt wurde, ist meines Erachtens korrekt, und ich kann mich dem Vorbringen der Rechtsmittelführer zur Begründung ihres ersten Rechtsmittelgrunds nicht anschließen.

72.      Gemäß Art. 7 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 1151/2012 muss eine g. g. A. einer Produktspezifikation entsprechen, die mindestens folgende Angaben enthält: „den als Ursprungsbezeichnung oder geografische Angabe zu schützenden Namen wie er im Handel oder im allgemeinen Sprachgebrauch verwendet wird, und ausschließlich in den Sprachen, die historisch zur Beschreibung des betreffenden Erzeugnisses in dem abgegrenzten geografischen Gebiet verwendet werden oder wurden“.

73.      Ich habe bereits darauf hingewiesen, dass die Kommission in der europäischen Phase des Verfahrens für die Eintragung einer g. g. A. befugt ist, den Antrag abzuweisen, wenn die erforderlichen Voraussetzungen nicht erfüllt sind. Eine dieser Voraussetzungen besteht darin, dass die Produktspezifikation einen Produktnamen enthält, der im Handel rechtmäßig verwendet werden kann.

74.      Die Verwendung eines Namens ist rechtswidrig, wenn sie gegen den in Art. 13 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 1151/2012 festgelegten Schutz gegen Anspielung verstößt. Nach dieser Bestimmung werden „[e]ingetragene Namen … geschützt gegen … jede widerrechtliche Aneignung, Nachahmung oder Anspielung, selbst wenn der tatsächliche Ursprung des Erzeugnisses oder der Dienstleistung angegeben ist …“.

75.      Wie im angefochtenen Urteil (Rn. 36 und 37) zu Recht festgestellt wird, nähme es dem in Art. 13 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 1151/2012 vorgesehenen Schutz die praktische Wirksamkeit, wenn die Eintragung einer g. g. A. zugelassen würde, obwohl diese auf eine bereits eingetragene g. U. anspielt. Ist der Name erst einmal als g. g. A. eingetragen, kann die zuvor als g. U. eingetragene Bezeichnung ihm gegenüber nicht mehr den in dieser Bestimmung vorgesehenen Schutz genießen. Aus diesem Grund darf die Produktspezifikation eines Antrags auf Eintragung einer g. g. A. keinen Namen enthalten, der auf den Namen einer bereits eingetragenen g. U. anspielt.

76.      Die Rechtsmittelführer vertreten die Auffassung, es sei Sache der nationalen Behörden und nicht der Kommission, einen Verstoß gegen Art. 13 der Verordnung Nr. 1151/2012 festzustellen. Ich teile diesen Standpunkt aus folgenden Gründen nicht:

–        Art. 13 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1151/2012 beschränkt sich auf die Feststellung, dass die Mitgliedstaaten die erforderlichen Schritte unternehmen, um die widerrechtliche Verwendung von g. U. und g. g. A. zu vermeiden oder zu beenden, was das Verbot von Namen umfasst, die auf diese g. U. oder g. g. A. anspielen(41).

–        Aus dieser Bestimmung lässt sich jedoch nicht entnehmen, dass es der Kommission untersagt ist, die Verwendung von Bezeichnungen zu unterbinden, die auf zuvor eingetragene Namen anspielen.

–        Die Kommission muss gegen die Anspielung vorgehen, um eine missbräuchliche Verwendung der geschützten Ursprungsbezeichnungen und der geschützten geografischen Angaben zu verhindern, und zwar nicht nur im Interesse der Käufer, sondern auch im Interesse der Erzeuger, die sich zu Anstrengungen bereit erklärt haben, um die von den Erzeugnissen, die solche Angaben rechtmäßig tragen, erwarteten Eigenschaften zu gewährleisten(42).

–        Diese Auslegung steht im Einklang mit dem 19. Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 1151/2012: Es ist vorrangiges Ziel, dass die Rechte des geistigen Eigentums an geschützten Namen in der gesamten Union einheitlich geachtet werden.

77.      Aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs ergibt sich, dass „das System der geschützten Ursprungsbezeichnungen und der geschützten geografischen Angaben im Wesentlichen darauf abzielt, dem Verbraucher Gewähr dafür zu bieten, dass die landwirtschaftlichen Erzeugnisse, deren Name eingetragen ist, aufgrund ihrer Herkunft aus einem bestimmten geografischen Gebiet bestimmte besondere Eigenschaften aufweisen und damit eine auf ihrer geografischen Herkunft beruhende Qualitätsgarantie bieten; damit soll es den Landwirten, die sich zu echten Qualitätsanstrengungen bereit erklärt haben, ermöglicht werden, als Gegenleistung ein höheres Einkommen zu erzielen, und verhindert werden, dass Dritte missbräuchlich Vorteile aus dem Ruf ziehen, der sich aus der Qualität dieser Erzeugnisse ergibt“(43).

78.      Mit dem in Art. 13 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 1151/2012 enthaltenen Verbot einer Anspielung soll vermieden werden, dass andere Erzeuger unrechtmäßig vom Ansehen der bereits eingetragenen g. U. und g. g. A. profitieren.

79.      Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs „erfasst der Begriff ‚Anspielung‛ eine Fallgestaltung, in der das zur Bezeichnung eines Erzeugnisses verwendete Zeichen einen Teil einer geschützten geografischen Angabe oder einer g. U. in der Weise einschließt, dass der Verbraucher durch den Namen des fraglichen Erzeugnisses veranlasst wird, gedanklich einen Bezug zu der Ware herzustellen, die diese Angabe oder diese Bezeichnung trägt“(44). Es kommt entscheidend darauf an, ob der Verbraucher einen hinreichend unmittelbaren und eindeutigen Zusammenhang mit dem zur Bezeichnung des fraglichen Erzeugnisses verwendeten Ausdruck und der g. g. A. herstellt.

80.      Die Rechtsprechung zum Begriff der „Anspielung“(45) entstand hauptsächlich als Reaktion auf Vorabentscheidungsersuchen zu Marken oder durch g. U. und g. g. A. geschützte Namen. Weniger häufig sind Entscheidungen über Rechtsmittel gegen Urteile des Gerichts, in denen der Begriff ausgelegt (und herangezogen) wird.

81.      Der Gerichtshof hat entschieden, dass Feststellungen des Gerichts, mit denen anerkannt oder zurückgewiesen wird, dass ein neues Erkennungszeichen (also auch eine g. U. oder g. g. A.) auf einen bereits geschützten Namen anspielt, „tatsächlicher Art“ sind und grundsätzlich im Rechtsmittelstadium nicht angegriffen werden können(46).

82.      Folglich kann dem Vorbringen der Rechtsmittelführer, das Gericht habe den Standpunkt der Kommission zum Vorliegen einer Anspielung in der vorliegenden Rechtssache zu Unrecht bestätigt, nicht gefolgt werden. Es handelt sich um eine Tatsachenfrage, über die das Gericht abschließend zu entscheiden hat und die nicht im Rahmen eines Rechtsmittels überprüft werden kann.

83.      Sollte der Gerichtshof zu dem Schluss kommen, dass die Erwägungen zu diesem Punkt im Rechtsmittelverfahren überprüfbar sind, stimme ich mit dem Gericht darin überein, dass die Anspielung, auf die sich der angefochtene Beschluss stützt, vorliegt.

84.      Die streitigen Namen, die seit 2015 im Handel verwendet werden, beziehen sich auf dasselbe geografische Gebiet (die Insel Korsika) wie die g. U. Der Begriff „Île de Beauté“ ist eine übliche Umschreibung, die sich für den französischen Verbraucher auf die Insel Korsika bezieht(47). Die Bezeichnungen sind zwar nicht vollständig oder teilweise gleichlautend(48), jedoch handelt es sich um Synonyme und eine Anspielung, für die keine klangliche Ähnlichkeit erforderlich ist, kann nicht ausgeschlossen werden.

85.      Die qualitativen Unterschiede zwischen den Erzeugnissen, für die die Eintragung als g. g. A. beantragt wird, und den Erzeugnissen, die bereits als g. U. geschützt sind, werden nicht auf dem Etikett angegeben und sind nur einem besonders gut informierten Publikum bekannt. Diese Unterschiede deuten auf eine geringere Qualität der unter die g. g. A. fallenden Erzeugnisse und auf eine weniger enge Bindung an das Erzeugungsgebiet hin(49). Die Wahrnehmung der Verbraucher reicht nicht aus, um die Eigenständigkeit der beantragten g. g. A. im Vergleich zu den eingetragenen g. U. zu bestätigen, sofern dies nicht durch objektive Studien und Umfragen gestützt wird(50).

86.      Schließlich machen die Rechtsmittelführer geltend, das angefochtene Urteil verhindere, dass Bezeichnungen unterschiedlicher Art für ähnliche Erzeugnisse aus ein und demselben Gebiet nebeneinander bestehen könnten.

87.      Zwar hat sich das Gericht im angefochtenen Urteil nicht ausdrücklich zu diesem Vorbringen geäußert, jedoch hat es Fälle, in denen g. U. und g. g. A. nebeneinander bestehen(51), geprüft, und ich kann in seiner Würdigung dieser Frage keinen Rechtsfehler erkennen. Die von den Rechtsmittelführern angeführten Beispiele für das Nebeneinanderbestehen von g. U. und g. g. A. wurden während der Gültigkeit von bereits aufgehobenen Vorschriften (g. U. „Corse/Vin de Corse“ und g. g. A. „Île de Beauté“) bzw. vor dem Inkrafttreten der Unionsregelung zum Schutz geografischer Angaben (g. U. „Aceto balsamico tradizionale di Modena“ und g. g. A. „Aceto Balsamico di Modena“) bewilligt.

88.      Gemäß der Verordnung Nr. 1151/2012 ist ein Nebeneinanderbestehen zweier ähnlicher Bezeichnungen für dieselben Erzeugnisse aus demselben Gebiet grundsätzlich auszuschließen, da eine später eingetragene g. g. A. den durch die Verordnung gewährten Schutz für eine frühere g. U. schwächen und deren Ansehen beeinträchtigen würde.

89.      Zusammenfassend ist der erste Rechtsmittelgrund ebenfalls zurückzuweisen.

VII. Kosten

90.      Da sich die vorliegenden Schlussanträge nur auf zwei der vier Rechtsmittelgründe beziehen und die restlichen nicht behandeln, kann ich nicht vorschlagen, dass die Kosten den Rechtsmittelführern auferlegt werden.

VIII. Ergebnis

91.      Ich schlage daher dem Gerichtshof vor, den ersten und den zweiten Rechtsmittelgrund des gegen das Urteil des Gerichts vom 12. Juli 2023, Cunsorziu di i Salamaghji Corsi – Consortium des Charcutiers Corses u. a./Kommission (T‑34/22, EU:T:2023:386), eingelegten Rechtsmittels zurückzuweisen.


1      Originalsprache: Spanisch.


2      Urteil Cunsorziu di i Salamaghji Corsi – Consortium des Charcutiers Corses u. a./Kommission (T‑34/22, EU:T:2023:386, im Folgenden: angefochtenes Urteil).


3      Beschluss der Kommission vom 26. Oktober 2021 zur Ablehnung von drei Anträgen auf Schutz eines Namens als geografische Angabe gemäß Artikel 52 Absatz 1 der Verordnung (EU) Nr. 1151/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates („Jambon sec de l’Île de Beauté“ [g. g. A.], „Lonzo de l’Île de Beauté“ [g. g. A.], „Coppa de l’Île de Beauté“ [g. g. A.]) (ABl. 2021, L 383, S. 1, im Folgenden: angefochtener Beschluss).


4      Verordnung (EU) Nr. 1151/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. November 2012 über Qualitätsregelungen für Agrarerzeugnisse und Lebensmittel (ABl. 2012, L 343, S. 1).


5      Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. April 2024 über geografische Angaben für Wein, Spirituosen und landwirtschaftliche Erzeugnisse und über garantiert traditionelle Spezialitäten und fakultative Qualitätsangaben für landwirtschaftliche Erzeugnisse sowie zur Änderung der Verordnungen (EU) Nr. 1308/2013, (EU) 2019/787 und (EU) 2019/1753 und zur Aufhebung der Verordnung (EU) Nr. 1151/2012 (ABl. L, 2024/1143).


6      Das Register der geografischen Angaben der Union heißt eAmbrosia und ist abrufbar unter https://ec.europa.eu/agriculture/eambrosia/geographical-indications-register/. eAmbrosia ist ein verbindliches Register der Namen von landwirtschaftlichen Erzeugnissen und Lebensmitteln, Wein, aromatisierten Weinerzeugnissen und Spirituosen, die in der gesamten Union geschützt sind. Es bietet direkten Zugang zu Informationen über alle eingetragenen geografischen Angaben, einschließlich der Rechtsinstrumente zu deren Schutz und der Produktspezifikationen.


7      Durchführungsverordnung (EU) Nr. 580/2014 der Kommission vom 28. Mai 2014 zur Eintragung einer Bezeichnung in das Register der geschützten Ursprungsbezeichnungen und der geschützten geografischen Angaben (Lonzo de Corse/Lonzo de Corse – Lonzu [g. U.]) (ABl. 2014, L 160, S. 21); Durchführungsverordnung (EU) Nr. 581/2014 der Kommission vom 28. Mai 2014 zur Eintragung einer Bezeichnung in das Register der geschützten Ursprungsbezeichnungen und der geschützten geografischen Angaben (Jambon sec de Corse/Jambon sec de Corse – Prisuttu [g. U.]) (ABl. 2014, L 160, S. 23); und Durchführungsverordnung (EU) Nr. 582/2014 der Kommission vom 28. Mai 2014 zur Eintragung einer Bezeichnung in das Register der geschützten Ursprungsbezeichnungen und der geschützten geografischen Angaben (Coppa de Corse/Coppa de Corse – Coppa di Corsica [g. U.]) (ABl. 2014, L 160, S. 25).


8      „Salameria Corsa“ ist der Verband, der sich für die Interessen der Erzeuger der korsischen Wurstwaren, die unter die 2014 eingetragene g. U. fallen, einsetzt. Im Folgenden: Verband der g. U.


9      Durchführungsbeschluss (EU) 2023/1546 der Kommission vom 26. Juli 2023 zur Eintragung von Namen in das Register der geschützten Ursprungsbezeichnungen und der geschützten geografischen Angaben („Pancetta de l’Ile de Beauté/Panzetta de l’Ile de Beauté“ [g. g. A.], „Saucisson sec de l’Ile de Beauté/Salciccia de l’Ile de Beauté“ [g. g. A.], „Bulagna de l’Ile de Beauté“ [g. g. A.] und „Figatelli de l’Ile de Beauté/Figatellu de l’Ile de Beauté“ [g. g. A.]) (ABl. 2023, L 188, S. 24).


10      Angefochtenes Urteil, Rn. 40.


11      Angefochtenes Urteil, Rn. 59 bis 61.


12      Die Rechtsmittelführer konzentrieren ihr Vorbringen auf die Rn. 41 bis 61 des angefochtenen Urteils.


13      Wiedergegeben in Nr. 6 der vorliegenden Schlussanträge.


14      Dieses Verfahren findet ebenfalls Anwendung bei wesentlichen Änderungen der Produktspezifikation der g. g. A. sowie bei der Löschung ihrer Eintragung.


15      Art. 49 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1151/2012.


16      Art. 49 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1151/2012.


17      Art. 49 Abs. 4 Unterabs. 1 und 3 der Verordnung Nr. 1151/2012.


18      Art. 49 Abs. 4 Unterabs. 2 der Verordnung Nr. 1151/2012.


19      D. h. der Einsprüche natürlicher oder juristischer Personen, die die betreffenden Erzeugnisse mindestens fünf Jahre lang rechtmäßig unter ständiger Verwendung des betreffenden Namens vermarktet haben (Art. 49 Abs. 4 Unterabs. 1 der Verordnung Nr. 1151/2012).


20      Art. 49 Abs. 5 der Verordnung Nr. 1151/2012.


21      Art. 52 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1151/2012.


22      Art. 50 Abs. 1 und 2 der Verordnung Nr. 1151/2012.


23      Art. 51 Abs. 1 Unterabs. 4 der Verordnung Nr. 1151/2012.


24      Der Einspruch ist mit einer Begründung zu versehen, deren Zulässigkeit von der Kommission geprüft wird. Hält sie die Einspruchsbegründung für zulässig, fordert die Kommission die Behörde oder die Person, die den Einspruch erhoben hat, und die nationale Behörde, die den Antrag eingereicht hat, auf, innerhalb eines vertretbaren Zeitraums, der drei Monate nicht überschreitet, geeignete Konsultationen durchzuführen (Art. 51 Abs. 2 und 3 der Verordnung Nr. 1151/2012).


25      Art. 52 Abs. 2 und 3 der Verordnung Nr. 1151/2012.


26      Art. 52 Abs. 4 der Verordnung Nr. 1151/2012.


27      Vgl. insbesondere Urteile vom 19. Dezember 2018, Berlusconi und Fininvest (C‑219/17, EU:C:2018:1023), und vom 3. Dezember 2019, Iccrea Banca, (C‑414/18, EU:C:2019:1036), sowie Schlussanträgen vom 27. Juni 2018 (C‑219/17, EU:C:2018:502) und vom 9. Juli 2019 (C‑414/18, EU:C:2019:574), die ich in anderen Rechtssachen vorgetragen habe. Vgl. auch Christina Eckes, C., D’Ambrosio, R., „Composite administrative procedures in the European Union“, Legal Working Paper Series, Nr. 20, November 2020, und Di Bucci, V., „Procedural and judicial implications of composite procedures in the banking union“, in Zilioli, C., Wojcik, K.‑P., Judicial Review in the European Banking Union, Edward Elgar, 2021, S. 114 bis 129.


28      Urteil vom 29. Januar 2020, GAEC Jeanningros (C‑785/18, EU:C:2020:46, im Folgenden: Urteil GAEC Jeanningros, Rn. 23 bis 27). Vgl. auch Urteile vom 6. Dezember 2001, Carl Kühne u. a. (C‑269/99, EU:C:2001:659), und vom 2. Juli 2009, Bavaria und Bavaria Italia (C‑343/07, EU:C:2009:415).


29      Urteil vom 15. April 2021, Hengstenberg (C‑53/20, EU:C:2021:279, Rn. 37), mit Verweis auf das Urteil GAEC Jeanningros, Rn. 24.


30      Die Mitgliedstaaten können in ihren internen Rechtsvorschriften einen übergangsweisen nationalen Schutz der g. g. A. vorsehen, der auf ihr Hoheitsgebiet und den Zeitraum zwischen dem Abschluss der nationalen Phase des Eintragungsverfahrens und der Entscheidung der Kommission über den Antrag begrenzt ist. Dieser Umstand zeigt die Kontrolle der nationalen Behörde über die nationale Phase des mehrteiligen Verfahrens.


31      Urteil GAEC Jeanningros, Rn. 31 und 37. Vgl. den Kommentar zu dieser Rechtsprechung von Brito Bastos, F., „Judicial Annulment of National Preparatory Acts and the Effects on Final Union Administrative Decisions: Comments on the Judgment of 29 January 2020, Case C‑785/18 Jeanningros EU:C:2020:46“, Review of European Administrative Law, 2021, Nr. 2, S. 109 bis 117.


32      58. Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 1151/2012.


33      Dies führt dazu, dass die Kommission im Rahmen des Verfahrens aus Art. 51 der Verordnung Nr. 1151/2012 die Einsprüche aus anderen Staaten als dem Antragsmitgliedstaat zu bearbeiten hat.


34      Angefochtenes Urteil, Rn. 59.


35      Urteile vom 6. Dezember 2001, Carl Kühne u. a. (C‑269/99, EU:C:2001:659, Rn. 57 und 58), und vom 2. Juli 2009, Bavaria und Bavaria Italia (C‑343/07, EU:C:2009:415, Rn. 70 und 71).


36      Angefochtenes Urteil, Rn. 44.


37      Wie ich bereits dargestellt habe, hat die Kommission nur drei der sieben von den französischen Behörden eingereichten Anträge auf Eintragung einer g. g. A. abgelehnt.


38      Bei der Kommission konzentriert sich außerdem die gesamte Entscheidungsbefugnis in Bezug auf Anträge auf Eintragung von g. g. A. aus Drittländern, bei deren Eintragungsverfahren es keine nationale Phase gibt (Art. 49 Abs. 5 der Verordnung Nr. 1151/2012).


39      Vgl. Durchführungsbeschluss 2021/1879, 13. bis 16. Erwägungsgrund. Mit Urteil vom 19. Dezember 2019 zum Namen „Jambon sec de l’Île de Beauté“ (g. g. A.) und zwei Urteilen vom 13. Februar 2020 zu den Namen „Coppa de l’Île de Beauté“ (g. g. A.) bzw. „Lonzo de l’Île de Beauté“ (g. g. A.) wies der Conseil d’État (Staatsrat) die drei vom Verband der g. U. erhobenen Klagen ab und ließ die Argumente der französischen Behörden für die Eintragung dieser Namen als g. g. A. zu.


40      Die französischen Behörden wiesen auf vergleichbare Fälle mit ähnlichen Namen, die sich auf dasselbe geografische Gebiet bezögen, hin. So gebe es etwa die eingetragenen Weinnamen „Île de Beauté“ (g. U.) und „Corse“ (g. g. A.), die synonym seien und dasselbe geografische Gebiet betreffen, sowie die eingetragenen landwirtschaftlichen Namen „Aceto balsamico tradizionale di Modena“ (g. U.) und „Aceto Balsamico di Modena“ (g. g. A.), die fast gleichlautend seien.


41      Vgl. Urteil vom 14. Juli 2022, Kommission/Dänemark (Geschützte Ursprungsbezeichnung „Feta“) (C‑159/20, EU:C:2022:561), in dem festgestellt wurde, dass das Königreich Dänemark dadurch gegen seine Verpflichtungen aus Art. 13 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1151/2012 verstoßen hat, dass es die Verwendung der g. U. „Feta“ durch dänische Milcherzeuger zur Bezeichnung von Käse, der nicht der Spezifikation dieser g. U. entspricht, nicht vermieden und beendet hat.


42      Urteile vom 15. April 2021, Hengstenberg (C‑53/20, EU:C:2021:279, Rn. 43), und vom 7. Juni 2018, Scotch Whisky Association (C‑44/17, EU:C:2018:415, Rn. 38).


43      Urteile vom 17. Dezember 2020, Syndicat interprofessionnel de défense du fromage Morbier (C‑490/19, EU:C:2020:1043, Rn. 35), vom 9. September 2021, Comité Interprofessionnel du Vin de Champagne (C‑783/19, EU:C:2021:713, Rn. 49), und vom 14. Juli 2022, Kommission/Dänemark (Geschützte Ursprungsbezeichnung „Feta“) (C‑159/20, EU:C:2022:561, Rn. 56).


44      Urteile vom 9. September 2021, Comité Interprofessionnel du Vin de Champagne (C‑783/19, EU:C:2021:713, Rn. 55), vom 17. Dezember 2020, Syndicat interprofessionnel de défense du fromage Morbier (C‑490/19, EU:C:2020:1043, Rn. 26), und vom 7. Juni 2018, Scotch Whisky Association (C‑44/17, EU:C:2018:415, Rn. 44).


45      Vgl. u. a. Urteile vom 7. Juni 2018, Scotch Whisky Association (C‑44/17, EU:C:2018:415, Rn. 45, 51 und 53), vom 17. Dezember 2020, Syndicat interprofessionnel de défense du fromage Morbier (C‑490/19, EU:C:2020:1043, Rn. 26), und vom 9. September 2021, Comité Interprofessionnel du Vin de Champagne (C‑783/19, EU:C:2021:713, Rn. 58 bis 60).


46      Urteil vom 14. September 2017, EUIPO/Instituto dos Vinhos do Douro e do Porto (C‑56/16 P, EU:C:2017:693, Rn. 126).


47      Im neunten Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses heißt es, dass der Name „Île de Beauté“ für Korsika insbesondere auf touristischen, auch nichtfranzösischen Websites häufig verwendet wird, und zahlreiche Quellen bestätigen, dass beide Begriffe für die Verbraucherinnen und Verbraucher synonym sind, sodass „Île de Beauté“ sofort an Korsika denken lässt und umgekehrt. Vgl. auch angefochtenes Urteil (Rn. 87, 88 und 94).


48      Nach Art. 6 Abs. 3 der Verordnung 1151/2012 dürfen Namen, die mit bereits im eAmbrosia-Register eingetragenen Namen gleichlautend sind, nicht eingetragen werden.


49      Angefochtenes Urteil, Rn. 80 und 81, und 19. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses.


50      Die französischen Behörden und die Urteile des Conseil d'État (Staatsrat) verweisen auf eine Studie des Consortium des Charcutiers Corses, die zusammen mit den Anträgen auf Erteilung der g. g. A. vorgelegt wurde und die Unterschiede zwischen den Erzeugnissen, die unter diese g. g. A. fallen, und den durch die g. U. geschützten Erzeugnissen aufzeigt. Im angefochtenen Urteil (Rn. 82) wird auf eine weitere Studie hingewiesen, die vom Consortium des Charcutiers Corses selbst vorgelegt und im Mai 2021 in seinem Auftrag durchgeführt wurde und die sich mit der Wahrnehmung der Unterschiede zwischen den g. U. und den g. g. A. der korsischen Wurstwaren durch die Verbraucher befasst; die französischen Behörden konnten diese Studie nicht berücksichtigen. Das Gericht geht nach einer Würdigung des Inhalts dieser Studie (die als Beweiswürdigung im Rechtsmittelverfahren grundsätzlich nicht überprüfbar ist) davon aus, dass daraus nicht abgeleitet werden könne, dass ein bestimmter Prozentsatz der Verbraucher diese Unterschiede kenne.


51      Angefochtenes Urteil, Rn. 100 bis 108.

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